Gerechtigkeit, die (lat.: iustitia)

1) Gerechtigkeit sollte die höchste aller Tugenden sein. Fest verankert im Handeln eines jeden. Denn nur wie ich andere behandle, so verdiene ich es selbst, behandelt zu werden. Eine einzelne Person ist nicht besser als eine andere. Auch wenn sie mehr Material besitzt, mehr Bildung genossen hat oder mit Schönheit gesegnet ist. Genau aus diesem Grund ist Justitia blind. So dass sie in dein Herz sehen kann und gerecht entscheidet, wenn Unrecht geschehen ist. Jedoch sollten wir nicht aus der Angst vor Bestrafung gerecht handeln. Sondern aus eigenem Antrieb, aus dem tiefsten Innern der Seele, wo jeder den unkomprimierten Kompass für Recht und Unrecht besitzt.

2) Gerechtigkeit bezeichnet die Abwesenheit von Fairness und Gleichbehandlung. Gerecht ist, wenn die Reallohnentwicklung der einfachen Arbeiter über Jahre sinkt und gleichzeitig die Managergehälter und die Diäten und Pensionen der Politiker steigen. Wenn Josef Ackermann und Helmut Kohl für Korruption nicht belangt werden, dem einfachen Bürger jedoch die volle Härte des Gesetzes entgegenschlägt. Wenn einem Dieb die Hände abgehackt werden, einem Diplom Ingenieur ein »Ein Euro Job« aufgezwungen wird und man einen Präventivkrieg beginnt. Gerecht ist alles, was von den jeweils Herrschenden als gerecht definiert wurde.

3) Gerechtigkeit ist die häufig zitierte und selten angewandte Vorstellung einer angemessenen, fairen Gleichbehandlung.

Die Gerechtigkeit ist ein gerade von Menschen, die auf die Zustimmung mehrerer Menschen angewiesen sind, häufig angeführtes Kriterium, um diese zu überzeugen, allen voran natürlich von  Politikern. Allerdings ist die Realisation von Gerechtigkeit eine Idealvorstellung, die nicht erreichbar ist und für Machthaber eigentlich auch kaum erstrebenswert, da es viel einfacher und effektiver ist, für sich selbst eine gerechte Behandlung zu sichern und das für andere eher flexibel zu handhaben. Darüber hinaus ist Gerechtigkeit ein durchaus dehnbarer Begriff, denn was angemessen ist und fair wird immer von Menschen entschieden und diese sind als Grundlage für gerechte Entscheidungen nun mal weitestgehend ungeeignet. Der Versuch gerechte Grundlagen zur Regelung des Lebens in Textform zu gießen und dann verbindlich für alle durchzusetzen – auch bekannt als Gesetzesgebung – ist löblich, in der Praxis aber, von der durchaus vorhandenen Beeinflussung der Legislative beim »Entwickeln« dieser Gesetze durch Vertreter von Minderheitsinteressen, bis zur stark zeitgeistlich bedingten Durchsetzung dieser, eher als mehr oder minder gescheiterter Versuch zu betrachten. So ist letztendlich jeder Mensch immer und überall von der Willkür anderer abhängig und, wenn er nicht selbst die Macht besitzt für seine Gerechtigkeit zu sorgen, besser damit bedient, nicht unnötig aufzufallen.

4) Gerechtigkeit heißt, dass ich nicht weniger bekomme als die anderen. Dass ich nicht weniger darf als die anderen. Dass ich nicht benachteiligt werde und ein kleineres Stück vom Kuchen kriege. Die Welt ist insgesamt wirklich ungerecht, vor allem zu mir. Ständig wird man eingeschränkt, bevormundet, zu langweiligen Dingen gezwungen. Man soll immer gut und selbstlos sein und seine Pflicht erfüllen. Spaß und Freude ist verboten. Wenn man sich nicht daran hält, kommt man vor Gericht. Das ist so ungerecht.

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