In der Wirtschaft »Die Grenzen unserer Sprache sind die Grenzen unserer Welt« - Ludwig Wittgenstein

Wirtschaftlich geprägte Sprachnormierungen werden durch PR Firmen und Agenturen, wirtschaftsfreundliche Initiativen und Verbände, durch Werbung und Kampagnen von Unternehmen sowie von vielen anderen Akteuren vollzogen. Dabei geht es um Marketing und Werbung ihrer Produkte, um ein besseres Image des Unternehmens und um Öffentlichkeits - und Pressearbeit. Es werden mit Vorliebe Wirtschaftsvokabeln erschaffen, geprägt und benutzt, die den wahren Sachverhalt beschönigen, verharmlosen oder zumindest ein ökonomisches Denken provozieren sollen. Das übergeordnete Ziel entspricht der »Engsoz« aus »1984«: Die Menschen sollen ihre Wörter benutzen und, wenn möglich, in ihnen denken. Denn sie entsprechen den ideologischen Bedürfnissen der Unternehmen: Profitmaximierung, Kosten - Nutzen Kalkül und den eigenen Vorteil als oberste Prinzipien in der Gesellschaft verankern. Gerade in Deutschland ist seit dem Siegeszug der neoliberalen Ideologie, als politische Leitmaxime, die Ökonomisierung aller Lebensbereiche zu beobachten. Insofern ökonomisiert die Sprache viele Lebensbereiche, wenn z.B. von Bildungswährung in der Bildungspolitik oder von Sozialkapital in der Sozialpolitik gesprochen wird. Dies erschwert von vorneherein eine normativ oder ideell geprägte Diskussion. Somit wird ein ökonomisches Denken in Lebensbereiche provoziert und erzwungen, in welcher die Regeln des Marktes nicht zwingend das Allheilmittel oder sogar schädlich sind. Im folgenden einige Beispiele von wirtschaftlich geprägten Sprachnormierungen.

Es beginnt schon bei dem Wort Arbeitsmarkt. Neben Gütern und Dienstleistungen werden auf dem Markt auch Menschen getauscht bzw. gekauft. Zeitarbeitsfirmen, z.B., haben einen Pool von Arbeitskräften, welche nach Belieben der Unternehmen eingesetzt werden. Nicht euphemistisch ausgesprochen müsste es insofern Menschenmarkt heißen. Wie in der Sprache des Militärs, verschwindet jedoch jeglicher emotionale Bezug zum Menschen aus der Vokabel, um ein kritisches Denken diesbezüglich präventiv zu unterbinden. Ein weiteres Beispiel hierfür sind die Formulierungen, dass sich der Markt weigert oder die Wirtschaft fordert. Es bleibt unerwähnt, welcher Mensch, welche Organisation oder welche Interessensgruppe hier etwas fordert, denn der Markt ist kein LeviathanGottähnliches Wesen, welches über weltliche und kirchliche Macht verfügt. – nach dem Werk von Thomas Hobbes. Mit Menschenmarkt würden viele, z.B., einen Sklavenmarkt assoziieren und demzufolge kritischer sein. Kritik, Widerstand und skeptisches Denken gegenüber dem Kapitalismus sind jedoch nicht erwünscht.

 

Die schlesischen Weber
Carl Hübner 1844: die schlesischen Weber

Die Urlüge vom Arbeitgeber und Arbeitnehmer stammt aus dem 19. Jahrhundert. Nach dem Weberaufstand von 1844 wurden diese euphemistischen Vokabeln erfunden und zugleich in Bismarcks Sozialgesetze übernommen. Wer seine körperliche oder geistige Arbeit hergibt, wird Arbeitnehmer genannt und wer die Arbeit nimmt und daraus profitiert, wird als Arbeitgeber bezeichnet. Mit der Umkehrung wird suggeriert, dass der Unternehmer dem Arbeiter einen Arbeitsplatz schenken würde und der Arbeiter sie freudig annimmt. Die Bedeutungen der Worte sind ins Gegenteil verkehrt und wir benutzen sie im Alltag ohne dies kritisch zu hinterfragen. Dies wäre klassisches Neusprech im Sinne Orwells: Krieg ist Frieden und die Folteranstalt als Liebesministerium zu bezeichnen.

 

Ein weiteres Wort, welche eine Lüge aufrechterhält, ist die freie Marktwirtschaft. Es wird suggeriert, als hätte der Verbraucher, die Wahl zu kaufen was er möchte und als würden Angebot und Nachfrage alleine den Markt regeln. Der Begriff verschleiert Monopole und kartellartige Zusammenschlüsse, wie z.B., die Firma Microsoft, die dem Verbraucher keine Wahlmöglichkeiten lassen. Und auch wenn Preisabsprachen zwischen Unternehmen offiziell verboten sind, so finden sie doch alltäglich statt. Bei der Privatisierung von Wasser und Strom hat der Verbraucher auch nicht die Wahl in der »freien Marktwirtschaft«, denn häufig werden diese von Monopolen kontrolliert. In Deutschland haben sich, z.B., die vier großen Stromkonzerne EON, Vattenfall, RWE und ENBW, die Bundesländer untereinander aufgeteilt und bestimmen die Preise. Deshalb hat Deutschland europaweit die höchsten Strompreise. Die Privatisierung von Wasser, wie z.B. in Berlin, lässt dem Verbraucher auch keine Wahlmöglichkeit, da er auf sauberes Trinkwasser angewiesen ist. Der internationale Währungsfonds (IWF), die Welthandelsorganisation (WTO), Patentregelungen sowie die Weltbank schaffen zudem Regeln für den Markt, welche die reichen Industrieländer einseitig begünstigen. Waren aus Afrika werden in Europa, z.B., häufig mit einem derart hohen Importzoll belegt, sodass sich die Einfuhr für den Importeur nicht mehr lohnt. Die EU subventioniert, z.B. Nestle, damit das Unternehmen Milch von europäischen Bauern anstatt von Bauern aus Entwicklungsländern kauft. Frei ist die Marktwirtschaft nur für den, der über ausreichend Kapital, Einfluss und Macht verfügt.

Ein sehr häufig benutztes Wort im Kapitalismus ist der Begriff der Wettbewerbsfähigkeit. Auch für diesen Begriff gibt es quasi keine konkrete Definition. Er unterliegt der totalen Relation, denn für einen Cafebesitzer bedeutet »wettbewerbsfähig« etwas völlig anderes als für einen internationalen Konzern. Er wird von vielen Unternehmen gerne als Generalargument für Personalkürzungen, für bessere politische Rahmenbedingungen und selbst für Kinderarbeit in Dritte Welt Ländern angeführt. Schließlich orientiert man sich bei allem Handeln immer nur an dem größtmöglichen eigenen Profit. Da belasten die sozialen Sicherungssysteme, die Rechte der Arbeitnehmer und existenzsichernde Löhne für die Arbeitnehmer nur den eigenen Profit. Also lässt man Subunternehmen in Dritte Welt Länder für sich arbeiten (Nike, Adidas, Coca Cola, C&A, Karstadt, Levis uvm.). Schließlich muss man ja »wettbewerbsfähig« bleiben, was auch immer das im konkreten Fall dann heißen mag.

 

Als eines der Hauptargumente für marktwirtschaftliche Reformen in Deutschland, wird immer wieder die Globalisierung angeführt. »Globalisierung« bedeutet zunächst nichts anderes als international expandierender Kapitalismus. Es wird so getan, als sei diese Entwicklung gottgegeben oder Schicksal und als gäbe es nur den profit- und konsumorientierten Menschen. Demzufolge, so wird behauptet, unterliegen die politischen Akteure einem »Sachzwang« und müssen marktwirtschaftliche Reformen vorantreiben, um den eigenen Standort für Unternehmen attraktiver zu machen. Der Markt, auch wenn er international und nicht mehr national ist, wird jedoch von Menschen konstruiert, gestaltet und organisiert, d.h. er ist veränderbar und unterliegt nicht zwingend einer ökonomischen Logik, welcher einer neoliberalen Ideologie entspricht. Der Ausspruch von Attac, Globalisierungsgegner und NGO, »eine andere Welt ist möglich«, verdeutlicht das.

Im Zuge des Bologna Prozesses Ende der 90er Jahre, welche die Schaffung eines einheitlichen europäischen Hochschulraumes vorsieht, wurde der Begriff der Beschäftigungsfähigkeit (employability) geprägt. Als »beschäftigungsfähig« gilt, wer, unter anderem fachlich kompetent, eigenverantwortlich, teamfähig, lernbereit, flexibel, engagiert, belastbar, konflikt – und kommunikationsfähig sowie engagiert ist. Ziel europäischer Universitäten sei es fortan, Studenten zu »produzieren«, welche »beschäftigungsfähig« sind. Das bedeutet verkürzte Studienzeiten, ein mehrstufiges Ausbildungssystem mit zusätzlichen Selektionsmöglichkeiten der Universitäten (Bachelor und Master) sowie primär die Vermittlung wirtschaftlich verwertbarer Wissensinhalte durch die Universitäten. Zudem werden die Auswahlmöglichkeiten für Studierende drastisch eingeschränkt, da die Studiengänge im Rahmen der Modularisierung von Bachelor und Master, viele Pflichtkurse beinhalten und kaum Wahlmöglichkeiten zulassen. Die Suche nach Wahrheit, die Herausbildung eines kritischen Bewusstseins und Diskurses sowie eine freie akademische Wissenschaft, alles Ziele und Ideale wofür die 68er Studenten auf die Straße gegangen sind, sind nur noch insofern von Bedeutung, als sie ökonomisch verwertbar sind. Der Begriff der Beschäftigungsfähigkeit propagiert den Menschen als eine verwertbare Ware und baut insofern darauf auf, dass der Mensch nur Humankapital ist.

 

Jedes Jahr entscheidet eine Jury in Deutschland, welcher Begriff den Titel Unwort des JahresBei der Unwort Wahl geht es um Wörter und Formulierungen aus der öffentlichen Sprache, die sachlich grob unangemessen sind und möglicherweise sogar die Menschenwürde verletzen. Der Jury gehören Sprachwissenschaftler, Journalisten und Publizisten an. erhält. Das Unwort des Jahres 2004 ist Humankapital, welches nicht nur Arbeitskräfte degradiert, sondern Menschen zu einer nur noch ökonomischen Größe macht. Menschliche Fähigkeiten werden mit diesem Begriff nur nach ihrer wirtschaftlichen Verwertbarkeit betrachtet. Das Wirtschaftsjargon hat ganze Bücher solcher Begriffe. Man denke nur an »human ressources«, »homo öconomicus« oder an den »Verbraucher« oder »Konsumenten«.



Die Senkung der Lohnnebenkosten für ein höheres Wirtschaftswachstum, wird von Wirtschaftsverbänden in Deutschland einheilig beschworen. Der Begriff und die Benutzung der Vokabel suggerieren, als handle es sich um eine ärgerliche Zusatzbelastung der Unternehmen. Die Kosten-neben-dem-Lohn sind für den Unternehmer die Solidargesellschaft und die möchte er nicht weiter mittragen. Denn sie beinhalten die Kranken-, Renten- sowie Arbeitslosenversicherung, welche Arbeiter und Unternehmer jeweils zur Hälfte bezahlen. Wirtschaftsverbände fordern nun, dass der Arbeiter diese Kosten weitgehend selbst bezahlen soll. Nicht euphemistisch gesprochen heißt das, dass die Unternehmer Rentner, Kranke, Arbeitslose und Pflegebedürftige nicht mehr unterstützen wollen. Die Solidargesellschaft soll also der Arbeiter alleine bezahlen, durch z.B., Riester Rente und private Altersvorsorge, Praxisgebühr etc. Die viel beschworene Formel lautet auch hier: wenn der Unternehmer über mehr Kapital verfüge, würde er in neue Fabriken, also auch in neue Arbeitsplätze investieren und ergo: es gäbe Wirtschaftswachstum. Selbst wenn diese These zutreffen würde, so sieht das Grundgesetz der BRD vor, dass Eigentum verpflichtet (Artikel 14) und dass Deutschland ein demokratischer und sozialer Bundesstaat ist (Artikel 20). Insofern ist die einseitige Verabschiedung von der Solidargemeinschaft verfassungswidrig.

Das aus dem lateinischen kommende Wort flexibel bedeutet übersetzt zunächst so etwas wie biegsam, elastisch und anpassungsfähig. Unternehmer fordern heute von ihren Arbeitskräften eine hohe Anpassungsfähigkeit – bei der Bezahlung, dem Arbeitsplatz sowie den Arbeitszeiten. Flexibel im Sinne, wie der Unternehmer es gerade braucht, um den größtmöglichen Profit daraus zu schlagen. Dabei ist die Flexibilität von Arbeiter und Unternehmer nicht gleichberechtigt: der Unternehmer kann sein Hauptbüro in einer Steueroase errichten oder gleich eine ganze Fabrik in ein Billiglohnland verlagern, der Arbeiter ist heimatgebunden.

 

Dieter Hundt
Multimillionär Dieter Hundt

Spricht Dieter Hundt davon, der derzeitige Präsident des Arbeitgeberverbandes, dass er flexiblere Arbeitszeiten fordert, dann kann das vieles heißen, für Arbeiter aber meist nichts gutes. Mit flexibleren Arbeitszeiten kann so ziemlich alles gemeint sein: Schichtarbeit, Mehrarbeit, Wochenend- und Feiertagsarbeit, Gleit- oder Teilzeitarbeit, Arbeit nach Auftragslage des jeweiligen Unternehmens und so weiter. Es kann aber auch ein weniger an Arbeit gemeint sein. Nur, dass meint weder Dieter Hundt, noch ein anderer Sprecher eines wirtschaftsnahen Institutes damit. Meist geht es Ihnen eher um Mehrarbeit ohne Lohnausgleich, wenn sie diesen Begriff benutzen. So wie es deutsche Unternehmen, wie z.B., Volkswagen, Opel und Siemens, gefordert und oft auch gegen den Widerstand der Gewerkschaften durchgesetzt haben. Der Begriff der »flexibleren Arbeitszeiten« ist hier im Munde eines Grossunternehmers eindeutig ein Euphemismus. Statt nämlich lauthals Mehrarbeit ohne Lohnausgleich zu fordern, wird der Begriff der »flexiblen Arbeitszeit« benutzt, welcher für Medien und Öffentlichkeit nicht so bedrohlich klingt.

Die »Unworte des Jahres« von 1991 – heute