Wir amüsieren uns zu Tode

In seinem 1985 erschienenem Buch "Wir amüsieren uns zu Tode" beschreibt Postman die kulturellen, sozialen und gesellschaftlichen Folgen des Fernsehens. Dabei gibt er zunächst einen kurzen geschichtlichen Überblick der Technologien, die vor dem Fernseher waren und welche die Gesellschaft in ähnlich starkem Ausmaße verändert haben, wie es der Fernseher heute tut. Hierbei seien vor allem die Telegrafie und der Buchdruck genannt.

Die Telegrafie war die erste Technologie, die es ermöglichte kontextlose Informationen über den Äther zu senden. Dadurch machte er aus der Information eine Ware, welche die Beziehung zwischen eigenem Handeln und der Information zerbrochen hatte und im heutigen Internet seinen Höhepunkt findet. Dadurch ständen die Menschen vor dem Problem, dass sie zwar mit Informationen übersättigt sind, sich ihre sozialen und politischen Handlungsmöglichkeiten, auf diese Informationen entsprechend zu reagieren, jedoch verringert haben, so Postman.

Wir amüsieren uns zu Tode In den Augen Postman's bewirkte die Erfindung des Buchdrucks einen positiven gesamtgesellschaftlichen Wandel. Denn das Buch stellte strenge Anforderungen an den Leser, weshalb ein Großteil der Bevölkerung zunächst das Lesen und Schreiben erlernen musste. Zudem musste man die Fähigkeit haben, zwischen den einzelnen Buchstaben hindurchzusehen, um die wirkliche Bedeutung zu erfassen, vor allem da die Bibel zunächst das meistgedruckteste Buch und sicher kein leichter Stoff war. Man musste zwischen Argumenten, Behauptungen und der persönlichen Meinung des Autors unterscheiden können. Man musste komplexe Ideen und Gedankengänge des Autors nachvollziehen und begreifen können. Und nicht zuletzt musste man natürlich für längere Zeit mehr oder weniger regungslos verharren, um ein Buch zu lesen.

Im 18. und 19. Jahrhundert war die amerikanische und europäische Kultur hauptsächlich am gedruckten Wort orientiert, welches eine sehr kritische, rationale und politisch interessierte Gesellschaft hervorgebracht hat. Mitte des 20. Jahrhunderts bricht das Fernsehzeitalter an und mit ihm eine völlig neue gesamtgesellschaftliche Ideologie, die Idee der Unterhaltung. Gewiss, gab es so etwas wie Unterhaltung schon immer, sei es das Theater, die römischen Gladiatorenkämpfe oder den Hofnarren am Königshof. Nur zum ersten Mal, so Postman's These, begann die Metapher der Unterhaltung, langsam aber stetig, alle gesellschaftlichen, zwischenmenschlichen sowie politischen Lebensbereiche zu durchdringen.

Angefangen hat das damit, dass das Fernsehen jedes Thema als Unterhaltung präsentiert. Seien es die Nachrichten, die Politik, die Religion, der Sport, persönliche Erfahrungen oder die Erziehung - alles wird in ein Unterhaltungsformat gequetscht, welches minimale Anforderungen an den Zuschauer stellt. Was gesagt oder gesprochen wird, sei fast immer zweitrangig, wichtig sei es Emotionen zu bedienen. Und das mache das Fernsehen mit allerlei Arten von Bildern. Im Fernsehen muss und wird häufig nicht argumentiert, analysiert, abgewogen oder interpretiert. Beim Denken sieht man ja bekanntlich nichts. Die Bilder, die das Fernsehen zeige, dienen als Selbstzweck und bedürfen keinerlei Erklärungen oder Analysen. Die Argumente, die das Fernsehen zeige, lauten Prominenz, gutes Aussehen und Werbeslogan.

Die Vermittlung von Wahrheit, Wissen und Erziehung, wie es das Fernsehen betreibt, propagiere eine Gesellschaft; die die Zerstreuung und Oberflächlichkeit, der Ernsthaftigkeit vorzieht, welche Bilder statt Wörter als Argument bevorzugen und Denken häufig als anstrengend und wenig unterhaltsam empfindet. Politische Wahlkämpfe sind heutzutage kein ernsthafter Diskurs mehr über Inhalte, sondern gleichen einer großen Variete - Veranstaltung. In den Schulen müssen Lehrer, die Schüler zusehends mehr unterhalten als unterrichten, damit die Schüler überhaupt noch still sitzen bleiben. Nachrichten, per Fernsehen, Radio oder Zeitung vermittelt, unterhalten mit Klatsch und Tratsch der Prominenz, mit Sensationsreißern und tabubrechenden Bildern, anstatt seriöse Informationen zu liefern.

Ob das Fernsehen alleine für diese Entwicklung verantwortlich ist, sei mal dahingestellt. Aber sicher trägt es einen sehr großen Anteil daran. Und so kommt Postman zu dem Schluss, dass wir langsam, aber unaufhaltsam auf eine "Schöne neue Welt" zusteuern. Schließlich haben wir das "Soma" schon.



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