Kommentar

In seinem Vorwort stellt Huxley eine Vermutung auf, wie das totalitäre Regime der Zukunft aussehen könnte. In diesem Staat würden sich die Menschen der Technik und der Naturwissenschaft anpassen und sich ihr unterwerfen. Eine Armee von Managern würde sich eine Bevölkerung von Zwangsarbeitern halten, die ihre Sklaverei lieben würden. Ihnen die Liebe beizubringen, wäre die Aufgabe von Zeitungsredakteuren, Schullehrern und Propagandaministerien. Zudem müsste eine gewisse wirtschaftliche Sicherheit des einzelnen gewährleistet sein, damit sich jeder im Staate, individuelles Glück, in Form von Konsumgütern, kaufen könne. Es gäbe eine Wirtschaft der Massenproduktion und eine überwiegend besitzlose Bevölkerung, die stets den Wunsch hätte zu konsumieren. In Verbindung mit der Freiheit des Tagträumens und unter dem Einfluss von Rauschmitteln, Filmen und Rundfunk würde die sexuelle Freiheit dazu beitragen, die Bevölkerung, mit ihrem Los, welche die Sklaverei wäre, auszusöhnen. Diese These des totalitären Regimes der Zukunft schrieb Aldous Huxley im Jahre 1932.

Die Unterhaltungsindustrie und das Glück

Aristoteles »Jeder ist heutzutage glücklich« ist eine alte Schlafschulweisheit in Huxley's Utopie. Huxley geht davon aus, dass ein Höchstmaß an Unterhaltung und Vergnügen, den Menschen so sehr beschäftigt und ablenkt, sodass er keine Zeit hat, darüber nachzudenken, was wahrhaftiges Glück bedeuten könnte. Stattdessen stürzt er sich von einem sinnlosen Vergnügen ins nächste. Die geringste körperliche Anstrengung verspricht das höchste persönliche Vergnügen zu werden. Vom »elektromagnetischen Golf«, zum »Fühlkino« und am Ende noch zu einem »pneumatischen Mädchen.« Diverse »Duftorgeln« und natürlich »Soma« runden das Ganze zu einem orgiastisch sinnlichen Vergnügen ab. Um es mit den Worten Neil Postman's zu sagen, sie »amüsieren sich zu Tode«. In der »Schönen neuen Welt« gehen die Menschen davon aus, dass pausenloses sich Vergnügen, gleichbedeutend ist mit vollkommenem Glück. Die Glücksgefühle, die durch das Spaß haben entstehen, werden als Glück an sich gesehen und empfunden.

Wie ist es in unserer schönen Welt? Was bedeutet Glück für uns? Laut Aristoteles (Bild oben) ist Glück »dass ursprüngliche Streben eines jeden Menschen, sich selbst zur Vollendung zu bringen, was er vom Wesen her ist. Der Mensch muss in Wahrheit zum Menschen werden, nur dann kann er wahrhaftiges Glück erfahren.« Wenn ich mir nun allerdings unsere Spaßgesellschaft ansehe, die alles wahrhaftige aufzehrt und uns nicht zur Ruhe kommen lässt, wie sollen wir da unser ureigenes Wesen ergründen können? Kann es vielleicht sein, dass wir auch der Illusion anheim gefallen sind, dass Konsum und Unterhaltung gleichbedeutend sind mit individuellem Glück? Wenn es so ist, sind wir leider Huxley's Utopia weit näher als unserem guten Herrn Aristoteles.

Freiheitsberaubend für den einzelnen ist es, wenn in einem totalitären System, Kunst, Literatur und Religion gesetzlich verboten werden (wie z.B. in »1984« von George Orwell oder in »Fahrenheit 451« von Ray Bradbury) und das Individuum mit harten Sanktionen rechnen muss, sollte es sich nicht daran halten. Nur, was ist, wenn der Einzelne gar nicht mehr das Bedürfnis verspürt, ein Buch zu lesen, ein Theater oder ein Museum zu besuchen oder sich anderweitig kreativ und schöpferisch zu betätigen, wie es in der »Schönen neuen Welt« der Fall ist? Wenn man es lieber bevorzugt mit Hilfe von Drogen der Realität zu entfliehen, sich von einem oberflächlichen Vergnügen ins nächste stürzt oder sich der Technik unterwirft? Wäre das nicht, wie eine Art Diktatur von innen? Und dementsprechend für ein totalitäres Regime, viel effizienter, als wenn man die Bevölkerung ständig kontrollieren müsste? Ich glaube, das Huxley damit sagen wollte, dass die Menschen die Illusion des Glücks – der Kunst, Poesie und Literatur vorziehen, auch wenn das ihre Freiheit kosten könnte.

»Wie ein Stück Fleisch«

Objekte? // Quelle: aboutpixel.de © smooch ...dachte Sigmund Marx, als er beobachtete wie sich Lenina gegenüber den Männern verhalten hatte. Sie war quasi eine jederzeit verfügbare Ware für die Männer. Das Problem war nur, dass nicht nur die Männer sie zu einer Ware gemacht haben, sondern sie sich auch selbst. Sie war stolz auf ihren Safrangürtel, wo sie stets ihre Verhütungsmittel bei sich trug. Sie mochte ihren Matrosenanzug mit den dazugehörigen Zippverschlüssen. Und vor allem mochte sie es, nicht immer mit demselben Mann Geschlechtsverkehr zu haben. Letztendlich war sie stolz, »ein Stück Fleisch« zu sein.

Machen wir Männer nicht auch oft die Frauen zu einem »Stück Fleisch«? Da es uns Männern schwerfällt, wenn wir einer sehr attraktiven Frau begegnen, nicht an Sex mit ihr zu denken- wie können wir es da vermeiden, sie nicht als Sexobjekt zu betrachten? Werden die Frauen in Pornofilmen nicht auch zu einer Ware gemacht? Und wie sieht es mit Bordellen und ihren Prostituierten aus? Oder mit der Fernseh- Plakat- oder Zeitungswerbung? Welchen Wert hat eigentlich die attraktive Frau, die in der Werbung, ein neues Produkt verziert? Machen sich so, einige Frauen nicht auch zu einem »Stück Fleisch«?

Betrachten wir die Schlafschulweisheit, »Jeder ist seines nächsten Eigentum«, metaphorisch und in unsere Gegenwart verlegt. Könnte man dann nicht sagen, dass wir alle käuflich sind? Und es letztendlich nur eine Frage des Preises ist, wie viel jeder kostet? Sollte Huxley diese Interpretationsmöglichkeit als zulässig erachtet haben, dann hat er unsere Gegenwart, in diesem Punkt, erschreckend gut beschrieben.

Offene Fragen?

Bedeutet technischer Fortschritt ist gleich menschlicher Fortschritt?
Werden wir zu besseren Menschen, sollten wir es schaffen mit Lichtgeschwindigkeit zu reisen, Menschen zu klonen oder den Mars zu besiedeln?
Wozu brauchen wir denn eigentlich eine immer bessere Technik?
Für die Geschwindigkeit?
Für Informationen?
Für die Bequemlichkeit?
Könnte es sein, dass wir längst nicht mehr nach dem Warum der Naturwissenschaft fragen, sondern sie nur noch als Selbstzweck benutzen?
In der Hoffnung, das uns am Ende des Fortschritt -Tunnels, Licht erwartet?
Sollten wir nicht vielmehr der Frage auf den Grund gehen, was uns denn zu besseren Menschen macht? Und, sollten wir es herausgefunden haben, dann dieses Ziel verfolgen?

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