Meine Wenigkeit steckt mitten in der Diplomarbeitsphase. Wenig überraschen wird es den einen oder anderen, dass sich mein Thema um den Bereich »Politik und Sprache« dreht. Da ich dadurch zwar etwas weniger Zeit zum bloggen habe, mich in den Themenbereich jedoch noch intensiver als ohenhin schon einlese, finde ich auch die eine oder andere Perle, die ich euch nicht vorenthalten will. Eine gute Einführung und Übersicht über gängige Sprachmanipulationen bieten: Wolfgang Beutin in »Sprachkritik-Stilkritik« und Wolfgang Bergsdorf in »Politik und Sprache«. Weiterlesen
Schlagwort-Archive: Neusprech
Neusprech: Reform
»Es gibt keine Alternative zu meiner Reformpolitik«
- Gerhard Schröder, am 05.07.2004 in der ARD Sendung »Bericht aus Berlin«
Die »Reform« bezeichnet zunächst die Neuordnung bzw. Umgestaltung sowie die planmäßige Verbesserung gesellschaftlicher Verhältnisse innerhalb eines politischen Systems. Dabei hat die Bewertung des Begriffs eine entscheidende Wandlung vollzogen. Als der SPD Bundeskanzler Willy Brandt (1969−1974) von Reformen sprach, wurden mit dem Schlagwort positive Aspekte und die Verbesserung der Lebensverhältnisse vieler Menschen in Verbindung gebracht: Demokratisierung, mehr Bürger-Partizipation, Ausbau des Sozialsystems sowie der Bildung und Wissenschaft. Weiterlesen
Unwort 2008: notleidende Banken
Seit 1991 prämiert eine Jury aus Sprachwissenschaftlern das »Unwort des Jahres« um auf besondere Euphemismen, Sprachverschleierungsstrategien oder menschenverachtende Formulierungen aufmerksam zu machen. Das Unwort des Jahres 2008 ist »notleidende Banken«. Begründet wurde diese Entscheidung damit, dass das Verhältnis von Ursachen und Folgen der Weltwirtschaftskrise mit diesem Begriff auf den Kopf gestellt werde. Während die Volkswirtschaften in ärgste Bedrängnis geraten und die Steuerzahler Milliardenkredite mittragen müssen, werden die Banken mit ihrer Finanzpolitik, durch die die Krise verursacht wurde, zu Opfern stilisiert, so die Jury. Wie die TAZ richtig festgestellt hat, erwecke der Terminus doppeltes Mitleid: die Banken seien nicht nur in »Not«, sie »leiden« auch.
Neusprech: Demokratie
»Politische Kraft im Dienst der Demokratie«
- SPD-Ortsverein Münnerstadt auf ihrem Onlineportal
Das Staatskonzept der Herrschaft des Volkes, oder auch Demokratie genannt, ist als Begriff durchweg positiv besetzt. Die Unbestimmtheit des Schlagwortes ermöglicht es, interessenspezifische Verwertung, sprich eine Instrumentalisierung vorzunehmen. Sei es die »Deutsche Demokratische Republik« (DDR) oder Angriffskriege im Namen der Demokratisierung. Weiterlesen
Begriffsexpose zu »Sicherheit«
Das deutsche Wort Sicherheit kommt aus dem lateinischen securas, wobei se (ohne) und cura (Sorge) bedeutet. Insofern bezeichnet Sicherheit einen sorglosen Zustand in Geborgenheit und Schutz. Im englischen hingegen ist Sicherheit in zwei Kategorien aufgeteilt: Safety bezeichnet den Schutz von Leben und Gesundheit und Security den Schutz von Eigentum und Sachgegenständen. Allgemein wird Sicherheit jedoch nur als relativer Zustand der Gefahrenfreiheit angesehen, der stets nur für einen bestimmten Zeitraum, eine bestimmte Umgebung oder unter bestimmten Bedingungen gegeben ist. Weiterlesen
Neusprech: »Lebenslanges Lernen«
»Damit Talent und Fähigkeiten in der neuen europäischen Wirtschaft zur Geltung gebracht werden können, muss der politische Schwerpunkt auf die zunehmende Investition in Humanressourcen und die höhere Beteiligung am lebenslangen Lernen gelegt werden«
- Anna Diamantopoulou Mitglied der EU-Kommission für Beschäftigung und Soziales
Man sollte annehmen, dass es in der Natur eines jeden halbwegs vernunftbegabten Menschen liege, aus seinen persönlichen Eindrücken und Erfahrungen sein Leben lang zu lernen? Warum also, dass von Politik und Wirtschaft so allseits befürwortete Konzept des »Lebenslangen Lernens«? Weiterlesen
Mehr-Wert-Steuer
Produziert die Steuer einen Mehrwert? Ist die Steuer mehr wert als andere Steuern? Erzeugen mehr Steuern mehr Werte? Gibt es Werte ohne Steuern? Leben wir in einem Meer von Mehrwerten oder in einem Meer von Steuerwerten?
Neusprech: Populismus
»Der eine ist links, der andere ist rechts. Aber vergleichbare Populisten sind Lafontaine und Le Pen schon«
- Altkanzler Helmut Schmidt vom 14. September 2008 in der Frankfurter Rundschau
Populus ist lateinisch für Volk. Der Populismus bezeichnet demnach, neutral definiert, zunächst eine Politik die sich nach den Bedürfnissen des Volkes richtet. Die Gunst und das Wohlwollen der Massen soll durch kreative Rede und geschicktes Handeln erreicht werden. Zudem wird in der populistischen Rede nicht sachlich argumentiert, sondern an Vorurteile und Emotionen angeknüpft. Dieses Schlagwort hat sich im politischen Wettstreit in Deutschland zunehmend zu einem Kampfbegriff entwickelt. Weiterlesen
Undenkbare Alternativen
Aus aktuellem Anlass zur Finanzkrise und der Lösungskonzepte in Deutschland:
Es war also in der »Neusprache« so gut wie unmöglich, verbotene Ansichten, über ein sehr niedriges Niveau hinaus, Ausdruck zu verleihen. Man hätte z.B. sagen können: »Der große Bruder ist ungut«. Aber diese Feststellung mit Argumenten zu stützen, wäre gänzlich unmöglich gewesen, weil die Worte dafür fehlten. Ein Mensch würde nicht mehr wissen, dass »gleich« einmal die Nebenbedeutung von »politisch gleichberechtigt« gehabt oder dass »frei« einmal »geistig frei« bedeutet hatte. Genausowenig wie ein Mensch, der noch nie etwas vom Schachspiel gehört hat, die darauf bezüglichen Nebenbedeutungen von »Königin« und »Turm« kennen kann.
- Aus George Orwell´s »1984«
Neusprech: Modern
»Nordhessen — SPD macht geschlossen den Weg frei für eine soziale Moderne«
- die hessische SPD vom 01.04.2008
»Modern« ist in der Politik ein beliebtes Adjektiv und positiv besetzt. Es steht für Wachstum, Fortschritt, Entsprechung des Zeitgeistes, etwas neuartiges — aktuelles und für vermeintliche Innovationen. Dabei fungiert dieses Plastikwort als allgemeines Hilfsmittel zur positiven Aufladung eines Satzes oder Sachverhaltes ohne konkret werden zu müssen. »Wir fordern eine moderne Familienpolitik«, »wir stehen für einen modernen Sozialstaat« oder »moderne Gesundheitspolitik erfordert mehr Leistung« sind beliebte Phrasen. Weiterlesen