Presseblick (92)

Es bleibt leider nicht aus, sich gelegentlich den »Mainstream« anzutun. Nicht nur, um zu wissen, wie und mit welchen Argumenten aus der Tagesschau der Arbeitskollege am nächsten Tag ankommen wird, sondern auch, um sich zu erden und die innere Mitte nicht zu verlieren. Denn was uns hier teilweise »Redaktionen« und »Redakteure« als »Berichterstattung« präsentieren, um SEO zu huldigen, hat mit Journalismus kaum noch etwas zu tun.

Wir leben in wilden und verrückten Zeiten. Für halbwegs gebildete und halbwegs selbstdenkende Menschen, muss das hier die »Matrix«, die »Truman-Show« oder einfach nur bittere Realsatire sein? Ich könnte fast täglich einen »Presseblick« veröffentlichen. Nur, woher die Zeit nehmen? Im folgenden also eine lose Kommentierung von ausgewählten Pressebeiträgen.


Armut
Die Kosten für Tierfutter, Tierausrüstung und Tierärzte sind in den letzten Jahren deutlich gestiegen. Für viele Menschen ist das Haustier eine Quelle von Bindung, Empathie und Lebensfreude. Ich möchte nicht wissen, wie viele Menschen in Depressionen oder gar in den Suizid fallen würden, wenn sie nicht ihren ständigen Begleiter hätten. Seien es Obdachlose oder sehr einsam lebende Menschen. Das sollte bei all den berechtigten Argumenten gegen ein Haustier auch nicht vergessen werden.

Rund 3,5 Millionen Menschen über 65 Jahre sind in Deutschland von Armut betroffen. Jeder vierte Haushalt verfügt über keinerlei Ersparnisse. »Armut« ist in Deutschland politisch kein Thema. »Migration« und »Russland« verdrängen hier erfolgreich die realexistierenden Sorgen und Nöte von Millionen von Menschen in Deutschland. Dokumentationen wie »das falsche Versprechen vom Aufstieg« sind hier eine seltene Ausnahme.


Musik
Der russische Hit »Sigma Boy« ist ein ziemlicher Ohrwurm. Mit mehr als 40 Millionen Aufrufen bei YouTube sehr erfolgreich und bei der Jugend sehr beliebt. Es ist nicht mein Geschmack oder meine Musik, aber das ist nicht relevant. Die hysterische, transatlantische Presse zaubert daraus wieder »russische Propaganda«. Auch der Wikipedia-Eintrag ist eindeutig negativ konnotiert:

»Der Freitag sieht in dem Lied ein Vehikel russischer Softpower und setzt es in den Kontext der weltweiten russischen Unterstützung autoritärer Bewegungen mit dem Ziel, Einfluss auf westliche Gesellschaften zu nehmen. Dies geschehe auch durch die Indoktrinierung von Kindern und Jugendlichen.«

Ja, meine Güte. Selbst wenn das so sein sollte: jeder westliche Musikhit, jeder Film, und jedes Videospiel enthält kulturimperialistische Propaganda. Aber das ist natürlich gar kein Problem.

spiegel.de vom 14. April 2025


Menschenverachtung
Krankenhäuser und Sanitäter werden in Gaza gezielt zerstört und getötet. Was das mit »Verteidigung« zu tun haben soll, ist mir schleierhaft? Es ist abgrundtief barbarisch. Das weder unsere Bundesregierung, noch die Alt- und Neumedien hier eindeutig Stellung beziehen, ist sehr traurig. Im Namen der »Staatsräson« wird hier über jedes Kriegsverbrechen hinweg gesehen.

Übrigens muss ich an dieser Stelle ‑auch die eher rechten, konservativen und libertären Alternativmedien, wie »Apollo News«, »NIUS«, »Tichys Einblick« oder »die Achse des Guten«, erwähnen, denn auch sie sagen zu diesen Kriegsverbrechen nchts. »Fest an der Seite Israels« wird hier jedes Verbrechen gegen die Menschlichkeit relativiert oder ignoriert.

Bei dieser Meldung kamen mir fast die Tränen:

»Unbekannte werfen schlafenden Obdachlosen in die Spree«

- Berliner Zeitung vom 6. April 2025

Menschen, die nun wirklich komplett am Boden liegen, nicht zu helfen, sondern ganz gezielt nachzutreten — wie verkommen muss eine Gesellschaft sein, damit Menschen so etwas tun? Ist das diese »westliche Wertegemeinschaft«?


Politik
Erinnert sich noch Jemand an die »Affäre Gelbhaar«? Ihm wurden sexuelle Vergehen vorgeworfen. »Praktischerweise« verlor er seinen Listenplatz bei den Grünen und andere weibliche Parteikollegen rückten nach. Der RBB beteiligte sich an dem Rufmord, ohne genauer zu recherchieren. Robert Habeck forderte »Aufklärung«. Jetzt, nach der Bundestagswahl, will von der »Affäre Gelbhaar« Niemand mehr etwas wissen. Sind das diese moralisch Erhabenen bei den Grünen, von denen immer alle reden?

»Journalisten« in der TAZ haben sich nun endgültig von jeder Sachlichkeit verabschiedet. Sie bemühen »Star Wars« und die moralischen Kategorien von »gut und böse«, wenn sie von Trump und der EU schreiben. Und immer wieder Hitler:

»Gerade die Trump-Regierung ver­mittelt mehr als einen Hauch von ­Blitzkrieg.«

Welche Argumente und Analysen sollen bei so einer infantilen Herangehensweise herauskommen? Schon mal was von Interessen, Ziele, Netzwerke, Kontext, Finanzen, Lobbyismus oder Ideologie gehört?

tagesspiegel.de vom 8. März 2025

So geht »Qualitätsjournalismus«!

Übrigens wird seit Wochen in sämtlichen Altmedien, von morgens bis abends, über Trump und Musk »berichtet«. Daran kann man sehr gut erkennen, dass wir eine Kolonie der USA sind. Ein Vasallenstaat. Der ganz offensichtlich keine eigenen Interessen und Bedürfnisse mehr hat, sondern den ganzen Tag über den großen Teich schauen muss.


Bildung
Im Beitrag »Studierende ohne akademischen Hintergrund: Ihr könnt das auch. Schaut mich an« wird mal wieder versucht, die akademische Laufbahn als einen reinen Willensprozess des Einzelnen abzubilden. Dabei wissen wir seit Jahrzehnten, dass es in Deutschland vor allem vom Bildungs- und Vermögensgrad der Eltern abhängt, ob man Akademiker wird oder einen Universitätsabschluss schafft. »Leistung« hat damit nur wenig zu tun.

Es ist eben mitnichten ein »individuelles Problem«, sondern strukturell geschaffen. Das fängt beim Geld an und hört bei der Sozialisation auf (»Vitamin B«). Weder die »Elite«, die Privilegierten noch die Vermögenden, haben hier ein Interesse, die soziale Durchlässigkeit zu erhöhen. Ganz im Gegenteil. Die Herrschaften bleiben gern »unter sich«.


Presseblick
Ziegenjournalismus

Der autoritäre Geist (5)

Juso-Plakat. Aufgenommen in Berlin. Im Januar 2025.

Neulich gab es auf meiner Lohnarbeit ein hitziges Gespräch im Pausenraum mit einem Kollegen. Es ging um die AfD und um »Demokratie«. Mein Kollege verglich die AfD mit der NSDAP und behauptete, dass wir kurz vor einem neuen 1933 stehen würden. Deshalb müssten wir eben alles dagegen unternehmen. Explizit auch antidemokratische Mittel und Methoden seien hier »leider« notwendig.

Schließlich habe die NSDAP auch die »Demokratie« ausgenutzt, so die Argumentation. Ein zweiter Kollege klinkte sich ein und meinte, dass, wenn die AfD an die Macht kommen würde, das Grundgesetz sowie unsere »Demokratie« in drei Monaten abgeräumt seien.
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Presseblick (91)

Er hat Bill Gates gesagt! Das genügt anscheinend heutzutage schon vielen Journalisten und Politikern, um sofort abzuschalten. Wer alleine Bill Gates erwähnt, ist schon ein rääächter Verschwörungsschwurbelleugner. Fakten interessieren da nicht mehr. Da werden der Bill-Gates-Stiftung 600 Millionen Euro geschenkt und die wissen nicht einmal warum und wofür?

Vielleicht für die digitale Ausweispflicht, die Bill Gates gerne möchte? Für die weltweiten Kampagnen gegen das Bargeld, für die digitale ID oder die Impfallianz Gavi? Niemand in Deutschland hat diesen Mann gewählt, weshalb bekommt er überhaupt deutsche Steuergelder in Millionenhöhe? Weiterlesen

Neulich bei der GEW...

Mir ist aufgefallen, dass die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) in Berlin einen großen Schwerpunkt auf Diversität- und Gender-Themen legt. Natürlich darf auch der Kampf »gegen räääächts« nicht fehlen. Auch in ihren Berliner Büro- und Seminarräumen hängen viele Plakate hierzu. Dagegen wäre erst einmal nichts einzuwenden. Es gibt viele Lohnarbeiter, die in ihrem Arbeitsleben diese Bereiche beackern müssen. Beispielsweise Lehrer beim Kultur-Clash in sog. »Willkommensklassen«.

Allerdings bewirkt der übermäßige Schwerpunkt auf Klimagerechtigkeit, Feminismus, Diversität und Gender, dass für die eigentlichen Kernthemen einer Gewerkschaft, kaum noch Raum und Zeit zur Verfügung stehen: Arbeitsbedingungen. Vergütung. Prekäre Beschäftigungsverhältnisse. Tarifflucht. Alters- und Kinderarmut. Aber vor allem die Entwicklung und Stärkung eines proletarischen Klassenbewusstseins.

Der Blick sowie der Fokus auf ökonomische Ungleichheiten und strukturelle Ungerechtigkeiten wird immer weiter, zugunsten einer sich stets um sich selbst kreisenden sexuellen Identitätspolitik, verdrängt. Methoden und Prinzipien von Macht und Machtausübung, Soziale Gerechtigkeit, Ausbeutung, Kampf gegen (Neo-)Kolonialismus und Neoliberalismus, mehr Transparenz und weniger Korruption — das alles findet bei der GEW immer weniger statt. Ein Blick in ihre Vorträge und Seminare genügt.

Die »Selbstgerechten« denken aber weiterhin, sie seien »links« und würden für »die gute Sache« eintreten, merken aber nicht, dass sie damit vor allem den »Arbeitgebern« einen großen Gefallen tun. Denn wenn sich jeder nur noch um die eigene sexuelle Identität kümmert und sorgt, dann kann es kein solidarisches Klassenbewusstsein unter Lohnarbeitern mehr geben.


Neulich...
GEW und Corona

Der tägliche Lohnarbeitswahnsinn (16)

spiegel.de vom 17. Dezember 2024

In Zeiten von Massenentlassungen, Inflation und einer großen Wirtschaftskrise in Deutschland, kommt das Thema »Arbeitslosigkeit« wohl endlich auch in der Mittelschicht an. Wie dieses Millieu nun damit umgeht, zeigt exemplarisch der Beitrag von Clara Ott auf spiegel.de vom 17. Dezember 2024: »Meine zwölf Erkenntnisse aus drei Monaten Arbeitslosigkeit.«

Die 44-jährige Journalistin und Buchautorin gibt Handlungsempfehlungen und Verhaltenstipps für die Arbeitslosigkeit, ohne auch nur einmal den Lohnarbeitsfetisch in Deutschland kritisch zu beleuchten. Von einem analytischen, strukturellen oder gar politisch-ökonomischen Blick ganz zu schweigen.
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Die unsichtbaren Gitter

Du kannst Deine eigene Meinung sagen! Aber dann verlierst Du eventuell Deinen Ruf, bekommst keine Aufträge mehr, Dein Bankkonto wird gekündigt, Du wirst in den Massenmedien diffamiert oder verlierst sogar Deinen Job. Freilich nur, wenn Du eine andere Meinung zu Corona, Ukraine, Klima, Gender, AfD oder Gaza, als die Tagesschau und die Bundesregierung hast.

Du musst nicht gendern! Aber dann bekommst Du an einigen Universitäten Punktabzüge, bekommst keinen Job in öffentlichen Behörden und Rundfunk-Anstalten und/oder wirst ganz schnell als Rechtsradikaler beschimpft werden.

Es gab keinen Druck bei den C‑Maßnahmen! Niemand hat Dich zur Spritze gezwungen. Es war Deine freie Entscheidung! Auch die einrichtungsbezogene Impfpflicht oder die Duldungspflicht bei der Bundeswehr, haben Dich zu gar nichts gezwungen. Aber dann konntest Du halt nichts mehr machen (»2G«) oder hast Deinen Job verloren.

Du musst keiner Lohnarbeit nachgehen! Aber dann hast Du eventuell kein Geld zum Leben, bist der Jobcenter-Willkür ausgeliefert, lebst in bitterer Armut, wirst eventuell obdachlos und/oder als fauler Sozialschmarotzer diskriminiert werden.


»Früher wurde dir der Maulkorb verpasst. Heute musst du ihn dir selbst verpassen.«

- Katarina Witt in der Berliner Zeitung vom 10. November 2024

Du musst nicht. Nein. Wirklich nicht. Niemand zwingt Dich. Es gibt keine Zwänge. Strukturelle Gewalten. Oder unsichtbare Gitter. Wir leben im besten Deutschland aller Zeiten!


Nudging

Neulich beim Arbeitsgericht...

Vor einiger Zeit war ich, im Rahmen meiner Betriebsrat-Schulung, beim Berliner Arbeitsgericht. Einen ganzen Tag lang haben wir uns verschiedene Verhandlungen angeschaut. Was ich dort gesehen habe, hat abermals meinen Glauben an den Rechtsstaat entzaubert. Auch wenn es insgesamt dennoch interessant und spannend war.

Die Richterinnen und Richter haben regelmäßig Sprüche vom Stapel gelassen wie beispielsweise: »da müssen wir über Bande spielen« oder »das macht mir irgendwie Bauchschmerzen!« oder »Haben oder Nicht Haben? Es ist Ihr Geld!« Meine Kollegen fanden das irgendwie lustig. Ich fand das deplatziert und unangemessen. Ist das ein Stammtisch oder ein Gerichtssaal? Es gab völlig unvorbereitete Anwälte, die entweder gar nichts sagten oder wenn sie gefragt wurden mit: »Dazu kann ich ihnen jetzt nichts sagen!« antworteten. Und das bei dem Stundensatz, den Anwälte verlangen? Weiterlesen

Der tägliche Lohnarbeitswahnsinn (15)

Viele Menschen wissen und spüren ganz genau, das in unserer Arbeitswelt so einiges schief läuft. Nur öffentlich reden will darüber kaum Jemand. Am Stammtisch dafür umso mehr. Heute möchte ich einzelne Meldungen, Berichte und Artikel rund um das Thema »Lohnarbeit« kommentieren.

Sie geben einen kleinen Einblick darüber, wie hier öffentliche Diskurse geführt werden, wie geframt und gewertet wird, welchen Habitus gutbürgerlich-sozialisierte Journalisten beim Thema »Arbeit«  (die vermutlich noch nie »ALG 2« beantragen mussten) aufweisen und welcher sagbare Rahmen (Overton-Fenster) überhaupt erwünscht und erlaubt ist. Weiterlesen

Der tägliche Lohnarbeitswahnsinn (14)

telepolis.de

Woran erkennt man, dass wir in Deutschland einen tief verinnerlichten Arbeitsfetisch haben? Woran sieht man, dass offensichtlich sehr viele Menschen in Deutschland eine regelrechte »Angst vor der Freiheit« besitzen, wie es Erich Fromm schon vor Jahrzehnten formuliert hatte? In einem BILD-Beitrag zur »Vier-Tage-Woche«. Bei YouTube wurde das Video nach einigen Monaten auf »privat« gestellt. Auf Facebook habe ich es noch gefunden. Weiterlesen

Bananenrepublik Deutschland (9)

spiegel.de

Ein Waffenstillstand »nützt« primär allen Menschen vor Ort (Zivilisten, Soldaten, Kämpfer etc.), die direkt oder indirekt an dem Krieg beteiligt sind. Sie haben so eine Chance zu überleben, also nicht ermordet oder verletzt zu werden. Frieden, Gewaltfreiheit und Waffenstillstand sind zutiefst humanistische Werte, die hier subtil als »Terror-Werkzeug« gelabelt werden. Unsere Presse hat nur noch fertig.


Tarifverträge? Bessere Arbeitsbedingungen und höhere Löhne? Bezahlbare Wohnungen? Kampf gegen Kinder- und Altersarmut? Warum? Wir gendern doch, setzen uns für LBTQIA* ein und hängen Regenbogenflaggen auf! Das genügt. Wir sind die Guten.


Es ist völlig egal, was gesagt wird, welche Argumente gebracht werden — es zählt nur, wer etwas sagt und wo er es sagt. Das reicht heute, um Sachverhalte zu bewerten und zu beurteilen.


Jeder Krieg hat eine Vorgeschichte. Nur wenn man diesen beleuchtet, kann man den Konflikt verstehen und für alle tragbare Lösungen entwickeln. Ab sofort gilt jedoch: Zusammenhänge, Hintergründe und Kontexte müssen überwunden werden! Wir sollen die Welt nur noch in einem binär-infantilen Licht wahrnehmen, bei dem Moralisierung und Ideologie die bestimmenden Werte sind.


Das Bundeskanzleramt (Merkel und Scholz) lädt wiederholt Verfassungsrichter ein und Bundespräsident Steinmeier verkündet: »Wir leben im besten Deutschland aller Zeiten.« Niemand in den Altmedien sieht hier irgendein Problem der Gewaltenteilung oder unseres Rechtsstaates.


Bananenrepublik Deutschland