Ziegenjournalismus (1): Advertorials

Haben Journalisten den Mut, die Hand zu kritisieren, die sie füttert?

Die großen bürgerlichen Massenmedien bezeichnen sich gerne als »Leitmedien« (Spiegel, Süddeutsche Zeitung, Frankfurter Allgemeine Zeitung, Die Zeit, BILD). Sie seien für die Demokratie konstituierend und für den Einfluss auf die öffentliche Meinung von entscheidender Bedeutung. Seit einigen Jahren schiessen sie aus allen Rohren gegen alternative Medien. Dort sollen primär Verschwörungstheorien, Populismus und Fake News verbreitet werden. Gleichzeitig feuern diese mit pauschalen (Wert-)Urteilen zurück: »Lügenpresse«.

Was mir bei der ganzen Debatte zu kurz kommt, sind die alltäglichen Fehler, Ungereimtheiten, Verzerrungen, Halbwahrheiten, Übertreibungen, Falschzitate, Skandalisierungen sowie die gezielten Methoden von Print- und Online-Medien, die schon als völlig »normal« gelten, es aber eigentlich nicht sein sollten und nicht sein dürften. Denn genau diese Methoden haben primär mit zum Vertrauensverlust der Bevölkerung in die vermeintlich etablierten Massenmedien beigetragen. Um die soll es zukünftig in der neuen Rubrik »Ziegenjournalismus« gehen. Heute starten wir mit »Advertorials«. Weiterlesen

Banale Medienkritik

Unsere armen Massenmedien werden von allen Seiten mit Schmutz, Hetze und Häme überzogen. Dabei kontern die bürgerlichen LeiDmedien gerne nur dort, wo es ihnen leicht fällt, zurück zu feuern (»Lügenpresse-Vorwurf«, Verschwörungstheorie, Populismus etc.). Vergessen werden hierbei selbst die alltäglichen Fehler, Ungereimtheiten und Verzerrungen, weil Redaktionen gnadenlos zusammengespart werden, Journalisten am Fließband schuften müssen und Meldungen von Nachrichtenagenturen ungeprüft kopiert werden. Zwei Beispiele. Weiterlesen

Pressefreiheit?

»Anzeigenkunden stellen Forderungen, der Übergang zur Prostitution ist schleichend.«
(Gabor Steingart am 10. Mai 2019 auf meedia.de)

»Um den Bruch mit den Medien zu verstehen, muss man sich klarmachen, dass für den Journalismus die Nähe zu den Mächtigen überlebensnotwendig ist, um gegenüber der Konkurrenz zu bestehen.«
(Jun Branco. »Julian Assange — erst gefeiert, dann fallen gelassen«. Le Monde Diplomatique. Mai 2019. S. 21) Weiterlesen

Abschlussbericht: Claas Relotius

Jury des Deutschen Reporterpreises 2018 über Claas Relotius: “Von beispielloser Leichtigkeit, Dichte und Relevanz, der nie offenlässt, auf welchen Quellen er basiert.”

Der SPIEGEL hat am 24. Mai 2019 einen 17-seitigen Abschlussbericht ihrer dreiköpfigen Aufklärungskommission veröffentlicht. Die Kommission besteht aus: Clemens Höges (kommissarischer Blattmacher), Stefan Weigel (Nachrichtenchef des SPIEGEL) und Brigitte Fehrle  (frühere Chefredakteurin der »Berliner Zeitung«). Der Bericht kann hier in PDF-Form heruntergeladen werden. Schauen wir uns die interne Aufklärung einmal genauer an. Weiterlesen

»Meinungs- und Pressefreiheit«

Kein seltenes Bild auf zeit.de.

Immer wenn Journalisten, Verlage und Presse-Eigentümer sich selbst und ihre Branche auf diversen Veranstaltungen feiern (»Wir sind die Wahrheitspresse!«), loben sie die hohe Meinungs- und Pressefreiheit in Deutschland. Fernab der täglichen Realität in den Redaktionen, wo Copy&Paste-Agenturmeldungen, Selbstzensur, SEO-Druck, werbekonformes Texten sowie Tendenzschutz herrschen, kann auch jeder selbst beobachten, wie ihre Online-Partner mit Meinungsfreiheit wirklich umgehen.

Abweichende Kommentare zu den Themen-Bereichen Sexismus, Syrien, Feminismus, Putin/Russland, NATO, Ukraine-Konflikt, AfD oder Flüchtlinge, werden nur noch sehr selten geduldet. Ganz aktuell ist auch die sehr einseitige Berichterstattung zum Thema Venezuela. Geostrategische Machtinteressen sowie neoliberale Narrative sollen in die Köpfe gehämmert werden. Darüber hinaus wird auch auf Facebook und Google fleißig gelöscht und zensiert. Eine kleine Rundreise unserer Online-Meinungsfreiheit. Weiterlesen

Sprachmotive

Spiegel Online titelt: »Warum dieser Biologe nichts gegen genveränderte Pflanzen hat«. Eine typische Clickbait-Headline, bei dem weder der Biologe, noch das Argument genannt werden. Sie soll neugierig machen und der nachfolgende Artikel verspricht vermeintliche Antworten zu liefern (was häufig gar nicht der Fall ist!). Besonders Online-Redakteure sehen sich gezwungen, solche Schlagzeilen zu generieren, um Reichweite, Aufmerksamkeit und Klickzahlen zu erzeugen. SEO bestimmt Inhalt und Form des Artikels. :rock:

Georg Wieselsberger bei gamestar.de schreibt: »Facebook — Kostenpflichtige Version ohne Werbung möglich«. Und dann spricht er von einer »werbefreien Bezahlversion«. Es scheint selbst bei vielen Redakteuren und Journalisten noch nicht angekommen zu sein (bzw. sie sagen es nicht öffentlich): bei Facebook bezahlt man mit seinen Daten! Insofern ist es bereits kostenpflichtig! Nur die Währung hat sich geändert. Die Legende vom kostenlosen Facebook muss endlich dekonstruiert werden! :jaja:

In der aktuellen Ausgabe der Le Monde Diplomatique (9. Mai 2018) schreibt Nikolai Kozhanov über die Motive der russischen Regierung für den Syrien-Einsatz: »Was will Russland in Syrien?« Wie jeder Journalist hat auch er fein gelernt, Synonyme (und nicht immer die gleichen Begriffe) zu verwenden. Ergebnis: Putin, Russland, Moskau und die russische Regierung sind somit ein zentraler Körper mit einem zentralen Interesse. :wtf:

Bullshit-Bingo-Gelaber

Bei all der berechtigten Medienkritik die von allen Seiten kommt, vergisst man häufig einen Aspekt: den zunehmenden Mangel von präziser und interessanter Sprache bei Journalisten. Aktuell gibt es politische Sondierungsgespräche zwischen den Parteien über die zukünftige Regierungskoalition. Unsere bürgerlichen Massenmedien entblöden sich dabei nicht, über Nicht-Nachrichten zu schwadronieren. Alles Spekulationen, Vermutungen und Thesen. Aber Hautpsache irgendwie, irgendwas rumlabern:

  • »Union, FDP und Grüne müssen zeigen, dass sie die Königsdisziplin der Demokratie beherrschen: den Ausgleich von Interessen.« (sueddeutsche.de vom 23.10.)
  • »Wenn eine schwarz-gelb-grüne Koalition zustande kommt, hat sie das Potenzial, für frischen Wind zu sorgen.« (fr.de vom 23.10.)
  • »Die Atmosphäre passt — doch ab jetzt geht es zwischen Union, FDP und Grünen um die Details.« (spiegel.de vom 23.10.)
  • »Es bekommt einfach jeder seine Ausgabenwünsche erfüllt, solange Geld da ist oder noch etwas länger« (faz.net vom 23.10.)

Was für ein »frischer Wind«? Welche »Demokratie«? Welche »Atmosphäre«? Was labern die alle für einen Bockmist? Gibt es noch so etwas wie Vernunft, authentische Sprache oder selbstdenkende Journalisten abseits von Plastikbegriffen, Gummiwörtern und hohlen Bullshit-Bingo-Phrasen? Sind denn alle verrückt geworden? :wtf:

Presseblick (64)

sueddeutsche.de vom 28. Juni 2017

sueddeutsche.de vom 28. Juni 2017

»Katastrophale Fehler, Dramatische Versäumnisse und Pannen beim Verfassungsschutz« — so bezeichnet die Systempresse den bis heute nicht aufgeklärten NSU-Skandal. Zehn Morde, zwei Sprengstoffanschläge, 15 Banküberfälle und bisher sieben tote NSU-Zeugen. Gegen die RAF wurde mit aller Härte und Entschlossenheit vorgegangen. Aber der NSU-Ausschuss stellt nun seine Arbeit ein. Rechtsstaat Deutschland. :sick: Weiterlesen

»Die Russen kommen!« (Teil 2)

welt.de vom 11. August 2016

welt.de vom 11. August 2016

Es wird fröhlich weiter gehetzt und gezündelt. Wer immer noch den Glauben von der objektiven »Vierten Gewalt« hat, sollte endlich aufwachen. Gerade im Syrienkonflikt zeigt sich sehr deutlich, dass die bürgerlichen Massenmedien primär das Instrument von Politik und Wirtschaft sind, um Meinungs- und Deutungshoheiten sowie absolute Wahrheiten zu verkünden. Wer diese Wahrheiten anzweifelt, ist wahlweise ein Polemiker, Verschwörungstheoretiker, Antisemit, Populist, Antiamerikaner, Radikaler oder Extremist. Sollte es tatsächlich zu einem neuen Weltkrieg kommen, sollten wir alle die Rolle der Massenmedien ‑als derzeit oberste Kriegstreiber- nicht vergessen! Weiterlesen

Replik auf: »Journalismus unter Beschuss«

Haben Journalisten den Mut, die Hand zu kritisieren, die sie füttert?

Haben Journalisten den Mut, die Hand zu kritisieren, die sie füttert?

Der Chef des Deutschen Journalisten-Verbandes (DJV), Frank Überall, schreibt in den aktuellen Blättern für deutsche und internationale Politik (Blätter, Ausgabe April 2016), einen Artikel über die Bedrohungen von Journalisten. Als Hauptgefahr sieht er Blogger, Social Media – Aktivisten sowie diejenigen, welche die Medien mit dem Lügenpresse-Vorwurf belegen. Er spricht von »Hass-Blogs, Hass-Mails, Hasskommentaren« sowie von tätlichen »hasserfüllten Angriffen« auf Journalisten bei Demonstrationen und Kundgebungen. Weder gibt es eine sachliche Analyse darüber, warum soviel Kritik (eben nicht nur »Hass«) in der Bevölkerung gegenüber den Massenmedien vorhanden ist, noch eine schonungslose und ehrliche Selbstreflektion über den aktuellen Zustand von Berufsjournalisten und Leitmedien. Weiterlesen