Ausgrenzungsromantik

Das Netzwerk »Soziales Marketing« startet im Oktober 2013 eine bundesweite Kampagne mit dem Titel »Initiative zur Romantisierung von Erwerbslosen, Flüchtlingen und Obdachlosen«. Ziel sei es, »die armen Bevölkerungsschichten der Öffentlichkeit näher zu bringen und für ein positives Image zu sorgen«, so der Pressesprecher Armin Müller. Man habe eine professionelle Werbeagentur verpflichtet, die sich bei der Gestaltung der Plakate vor allem an das Kindchenschema von Tierkindern und Babys orientiere: »Mit Empathie, Mitgefühl und Humanismus spricht man heutzutage keine Zielgruppe mehr an. Haustiere und Babys werden jedoch immer beliebter, das zeige besonders Facebook, wo Millionen User täglich Tier- und Babybilder miteinander tauschen würden«, meint der Werbefachmann. Den »ist das  aber süß – Effekt« wolle man auch für Obdachlose, Asylanten, Rentner und Erwerbslose erreichen.

Sozialverbände, Gewerkschaften und Tafeln zeigten sich begeistert. Sie hoffen, dass diese Kampagne dazu beiträgt, die Interessen von finanziell armen Menschen in Deutschland besser vertreten zu können. Auf die Frage, was das Netzwerk »Soziales Marketing« von der Agenda 2010 halte, betont Armin Müller, dass man sich zu politischen Fragen nicht äußern wolle. Er halte jedoch besonders die Hartz-Gesetze als eine wichtige Errungenschaft für eine moderne Gesellschaft: »Nur so werden Eigenverantwortung, Chancengerechtigkeit und Erwerbsanreize gefördert und gefordert«. Gesponsert wird das Projekt von der Deutschen Bank, McKinsey und der Allianz.

Presseblick (5)

Die Aktion Mensch hat eine interessante Studie zum Thema berufliche Teilhabe und Einstiegshemnisse von behinderten Menschen herausgebracht: »Als größte Barriere bei der Beschäftigung von Menschen mit Behinderung identifiziert die Studie Bedenken der Arbeitgeber über eine geringere Leistungsfähigkeit«. Auch sei der Anteil an arbeitslosen Akademikern mit Behinderung zwischen 2009 und 2012 um 17 Prozent gestiegen. Zeitgleich sank die Zahl der arbeitslosen Akademiker ohne Behinderung um rund vier Prozent. Noch Fragen?

Auf faz.net wurde die Schönheitschirurgin Cynthia Ann Wolfensberger interviewt: »Unsere Gesellschaft ist sehr pubertär. Wie Menschen, die noch nicht ganz erwachsen sind, wollen heute alle wie die anderen aussehen«. Tja, aber vom erwachsen werden, vom sich selbst lieben und akzeptieren lernen verdienen Schönheitschirurgen ja nichts, oder? Vielmehr würden ihnen dann die Kunden ausgehen. Heuchlerische Doppelmoral, die uns hier aufgetischt wird. Gerade diese Branche nährt sich, wie ein Blutsauger, an den Minderwertigkeitskomplexen der verunsicherten Massen. Weiterlesen

Von wegen Fachkräftemangel

Am 13. Juni 2013 gab es auf SpiegelOnline einen Artikel mit dem Titel: »Jobsuche: Der ganz normale Bewerbungswahnsinn«. Der Beitrag beschreibt die schwierige und aufwändige Suche eines Wirtschaftsingenieurs (Master of Science, Note: sehr gut). Er habe rund 60 Bewerbungen geschrieben, sich etlichen Rollen- und Psychospielchen von Personalern reinziehen und auch mehrfache Gespräche beim gleichen Arbeitgeber unterziehen müssen, um eine Stelle zu bekommen:

»In diesem Jahr gibt es 700 Bewerber für vier freie Plätze.«

Es ist die Rede von einem Ingenieur und keinem Geisteswissenschaftler. Hier wird die Lügen-Propaganda vom Fachkräftemangel sehr deutlich. Weiterlesen

Was ist Social Media?

Zahlreiche Agenturen, Fachbücher und selbsternannte Internet-Experten ranken und zanken sich um das neuzeitliche Phänomen »Social Media«. Es bringe die Menschen näher, ermögliche eine direkte Kommunikation und symbolisiere das digitale Zeitalter in Form des Mit-Mach-Webs (Web 2.0). Meist sind damit konkret Facebook, Twitter, Youtube, Weblogs, Foren, Bewertungsportale und Wikis gemeint. In aller Regel überbieten sich die Gurus gegenseitig mit Lobgesängen über die sozialen Netzwerke. Eindeutige Abgrenzungen, was genau nun Social Media sei und was nicht, gibt es nicht. Im Allgemeinen gilt dann die Devise: alles was irgendwie eine private Meinung darstelle, gehöre zum Social Media. Von dieser begrifflichen Schwammigkeit profitieren vor allem Unternehmen. Weiterlesen

Presseblick (4)

In der Berliner Morgenpost warnen Innensenator Frank Henkel (CDU) und Berlins Verfassungsschutz-Chef Bernd Palenda vor den »gewaltbereiten Salafisten«: »...sieht der kommissarische Verfassungsschutz-Chef Palenda nun den Trend zu privaten Versammlungen. Dort werde in kleinen Gruppen noch intensiver die Ideologie verbreitet.« Während also Nazis mordend durch Deutschland ziehen (NSU) und die neoliberale Ideologie uns täglich in sämtlichen Massenmedien eingeimpft werden soll, warnen die Verfassungsschützer vor »Gewaltbereiten«, die ihre Ideologie »privat« weitergeben.

In der WAZ gibt es einen Artikel über die Umschulung zu Pflegekräften im Raum Essen. Ein typischer Artikel, der vorgaukelt, kritisch zu sein, ohne wirklich zu hinterfragen. Bemängelt wird, dass es zuwenig Pflegekräfte (warum wohl?), aber gleichzeitig vermeintlich viele Arbeitslose gäbe, die sich gern zu Altenpflegern umschulen lassen würden, die Jobcenter und Arbeitsagenturen jedoch nicht genügend Bildungsgutscheine dafür bereit stellen würden: »Es sollte im Sinn von Agentur und Jobcenter sein, weitere Leute aus dem Sozialbezug zu holen.« Naiv oder dreist? Der Sinn der Jobcenter besteht viel mehr darin, Druck auf Erwerbslose auszuüben, den Niedriglohnsektor zu fördern und vor allem Erwerbslose in Kursen, Umschulungen und Fortbildungen zu parken, um die Erwerbslosenstatistiken zu schönen. So etwas traut sich aber kein Journalist zu schreiben. Weiterlesen

Enzyklopädie des relativen Wissens — Reloaded

Tada! Geschafft. Wie ihr vielleicht schon mitbekommen habt, haben wir unser 10-jähriges zum Anlass genommen, eine Buch-Version der EdrW zu gestalten. Also mit korrigierten Texten, 1–2 Bildern und auch mehr als nur einer Farbe. Aber leider nicht gedruckt, sondern nur in digitaler Form. Ist ja auch viel zeitgemäßer und umweltfreundlicher.

Wer jetzt zum ersten Mal etwas von der EdrW hört kann sie sich auch gerne vorab online anschauen, bevor ihr euch für den Klick auf das PDF entscheidet. Hier erst mal zwei Dateigrößen:

Enzyklopädie des relativen Wissens, 1. Auflage (Sommer-Edition)

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Ökonomie hemmt Würde

Den Preis für die »menschenfreundlichste« Bildunterschrift erhält diese Woche SpiegelOnline im Artikel »Entwicklungsländer: Millionen Kinder sterben an Mangelernährung«. Zitat: »Hunger verhindert Bildung und wirtschaftlichen Erfolg«. Bildung ist in diesem Kontext (und nicht nur hier) ein Synonym für beruflichen Erfolg. Der humanistische Blick ist wohl schon völlig flöten gegangen? Wie wärs mit: »Hunger hemmt Leben?« Wir sind wohl nur auf der Welt, um zu lohnarbeiten, oder wie? »Wer nicht arbeitet, soll auch nicht essen« vom Menschenfreund Franz Müntefering (SPD) kann wohl getrost in »wer nicht arbeitet, soll auch nicht leben« erweitert werden. Zum Trost wirbt dann noch die Techniker Krankenkasse mit »Gesund in die Zukunft«.

Nordkorea

wikimedia. Kristoferb.

Im Fall Nordkorea scheinen sich alle einig zu sein. Über alle politischen Lager hinweg, wird das Land und dessen Führung als gefährlich, unberechenbar und wirtschaftspolitisch zurückgeblieben bezeichnet. Ob Welt, TAZ, BILD, die Bundesregierung, vermeintlich linke oder rechte Blogs, ja selbst die Blätter und die Le Monde sehen in Nordkorea eine Bedrohung. Das Land und seine Regierung seien niederträchtig, böse und barbarisch.  Dabei wird fast immer von außen auf das Land geschaut und geurteilt, anstatt einmal zu versuchen, sich politisch in die Rolle von Nordkorea zu begeben. Nicht unbedingt, um dessen Politik besser nachvollziehen zu können, aber um zumindest einmal die eigene Perspektive zu hinterfragen. Weiterlesen

Presseblick (3)

Auf taz.de gibt es ein interessantes Interview mit Andrew Feinstein, ehemaliger Politiker aus Südafrika, der sich lange mit dem internationalen Waffenhandel beschäftigt hat: »Die Deutschen zählen zu den Korruptesten in Europa und die Europäer zu den Korruptesten weltweit«. Wie jetzt? Ich dachte immer, sowas denken nur Verschwörungstheoretiker, Pessimisten und Linksextremisten? Wir haben doch eine tolle Demokratie und eine wunderbare freie Marktwirtschaft, oder etwa nicht?

Auf tumblr.com gibt es Fotos vom türkischen Protest. Die Polizeigewalt kennt hier keine Grenzen. Erdogan lässt ohne Gnade auf seine Landsleute einprügeln.

Drei Atommächte rüsten ihr Atomkontingent auf, USA und Russland würden ihre Atomwaffen reduzieren, schreibt welt.de. Dennoch besitzen beide Staaten rund 8.000 Atomsprengköpfe. Eine Reduzierung bedeutet hier wohl eher eine quantitative Ab- und eine qualitative Aufrüstung. Fazit: außer Nordkorea und Iran dürfen (fast) alle Atomwaffen haben. Weiterlesen

In der Gegenwart...

...fragt ein Schüler seinen Lehrer:

»Was versteht man heute unter Datenschutz?«

Die Lehrkraft antwortet:

»Datenschutz bedeutet, bei Facebook, Amazon, Skype, Apple, Microsoft, Ebay, Electronic Arts, Google und einem Freemail-Anbieter seine persönlichen Daten zu hinterlegen. Denn dort werden sie sicher verwahrt«.