Reiche sind bessere Menschen...

...will uns SpiegelOnline mit einem Artikel vom 3. April 2011 sagen. In einer Studie der Uni Potsdam haben sich 500 Millionäre selbst eingeschätzt. Reiche seien demnach anders als der dreckige Rest der Bevölkerung — allerdings in anderem Maße als gedacht, so SpiegelOnline:

Melanie Kramer, Soziologin in Potsdam, hat die Daten ausgewertet und fasst die Charaktermerkmale der Reichen so zusammen: »Sie sind weniger neurotisch, also psychisch und emotional stabiler. Außerdem sind sie häufiger extravertiert, sie sind gesellig und gern unter Menschen. Vermögende sind wesentlich offener für neue Erfahrungen, wissbegierig und tolerant. Dagegen sind sie weniger verträglich und scheuen keine Konflikte.«

Wenn mich SpiegelOnline fragen würde, dann würde ich sagen, dass Reiche und Superreiche vor allem materialistisch, egoistisch, eigennützig, rücksichts- und skrupellos sind. Es ist nur logisch, dass wer viel besitzt, dass dafür jemand anderem viel genommen wurde. Ohne Rücksicht und Gewissensbisse. Vielleicht sollte man mal die sog. »bildungsfernen Schichten« befragen, was sie über Reiche denken. Ob das viel objektiver, sachlicher und wissenschaftlicher als eine Selbsteinschätzung von Millionären wäre, darf getrost bezweifelt werden. Was übrig bleibt, ist der schale Beigeschmack einer positiven Imagekampagne von SpiegelOnline für Reiche und Vermögende in Deutschland.

Gesetzlich festgelegte Individualität

Die Leistung zur Sicherung des Lebensunterhalts aller in einer Bedarfsgemeinschaft lebenden Personen bemisst sich nach der individuellen Bedürftigkeit. Die individuelle Bedürftigkeit ergibt sich aus dem gesetzlich festgelegten Bedarf, gekürzt um Einkommen und Vermögen.

- Jobcenter Berlin Spandau

Anmerkung: Das Bürokratensprech pervertiert den Begriff der Individualität in ein Oxymoron. Eine Individualität, die anhand von vorher festgelegten Kriterien bestimmt wurde, ist keine mehr. Das Individuum bestimmt  nicht mehr, was für es gut ist, sondern der Staat definiert die Bedürfnisse des Einzelnen. Die »individuelle Bedürftigkeit« wird nicht berechnet, sondern verrechnet. Wer zu individuell (und zu bedürftig) ist, dem schlagen die vollen Härten des SGB2 und SGB3 entgegen. Unterordnen, anpassen, gehorchen, mitmachen — kurz: der ALG2-Empfänger hat seiner »Mitwirkungspflicht« nachzukommen und nicht seiner Bedürfnisse.

Grabmäßige Ruhe

Deshalb bildet doch der beste Rat, alles hinzunehmen, als schwere Masse sich verhalten und fühle man sich selbst fortgeblasen, keinen unnötigen Schritt sich ablocken lassen, den anderen mit Tierblick anschaun, keine Reue fühlen, kurz, das, was vom Leben als Gespenst noch übrig ist, mit eigener Hand niederdrücken, d.h. die letzte grabmäßige Ruhe noch vermehren und nichts außer ihr mehr bestehen lassen.

-Franz Kafka, »Entschlüsse« in »die Erzählungen«, Fischer Verlag, Frankfurt 2001, Seite 46

Anmerkung: Während im Nahen Osten und Nordafrika die Menschen die Nase voll von Korruption und Ausbeutung haben und in Griechenland sowie Frankreich landesweite Streiks stattfinden, herrscht in Deutschland eine gespenstische Stille. Der gemeine Deutsche ist masochistisch veranlagt und erträgt alles, solange bis der Schmerz an die eigene Tür klopft. Nur dann ist es meist schon zu spät.

Von Menschen gemacht

»Die Krise wurde von Menschen gemacht« (Siemens-Chef Peter Löscher)

»Bildung wird von Menschen gemacht« (GEW)

»Hunger ist von Menschen gemacht« (Kölner Stadt-Anzeiger)

»Klimawandel ist von Menschen gemacht« (NZZ)

»Politik wird von Menschen gemacht« (generation-bildung.de)

Es gibt keine Ausrede und keinen Sachzwang. Das Schicksal ist von Menschen gemacht.

Human Robotics

Grundsätzlich kann man davon ausgehen, dass der Mensch immer danach strebt, sein Risiko zu minimieren, zugleich aber seinen Nutzen zu maximieren. Das gilt für alle Lebensbereiche.

- Uwe Engler/EllenHautmann, Grundwissen Marketing, Cornelsen Verlag, Seite 18

Anmerkung: Um das unternehmerische Kosten-Nutzen-Denken, das Effizienz-Denken, die Rational-Choice Theorie und die ganzen anderen kaltherzigen Theorien, die Menschen zu egoistischen und pragmatischen Robotern machen, nicht hinterfragen zu müssen, wird einfach dreist behauptet, alle Menschen seien so. In allen Lebensbereichen. Dazu stelle ich mir folgende Fragen:

  1. Welchen Nutzen hat jemand, der eine alte Frau über die Straße hilft?
  2. Welchen Nutzen hat ein Mensch, der über den Tod nachdenkt?
  3. Welchen Nutzen hat ein Kind, dass seine kranke Mutter pflegt?

Nicht selten wird ethisches Denken, werden Normen und Werte sowie Gefühle heutzutage als »Gefühlsduselei« abgewertet. Was zählt, sind harte Fakten und zweckrationales Denken. Für die Nazis waren Soldaten, die Gnade oder Barmherzigkeit zeigten, »gefühlsduselig«. Damals war der Endsieg, dass Ziel allen Handelns, heute ist es der Endprofit.

Die Eigentumsfrage

»Man könnte auch auf den Skandal verweisen, dass 1125 Milliardäre in der Welt zusammengenommen ein drei Mal so hohes Einkommen beziehen wie die Hälfte der Menschheit, das sind 3,4 Milliarden Menschen. [...] Die Eigentumsfrage drängt sich also auf, wenn wir die Frage der Gerechtigkeit auf Erden stellen. [...] Die Eigentumsfrage stellt man nur dann nicht, wenn man die Macht- und Hegemoniefrage für unwichtig hält oder umgehen möchte«.

- Blätter für deutsche und internationale Politik, Ausgabe Februar 2011, »Solar, solidarisch, sozialistisch«, Elmar Altvater, Seite 90

Anmerkung: Wieso stellt in Deutschland eigentlich niemand mehr die Eigentumsfrage? Haben wir uns mit den Verhältnissen abgefunden?

Der Datenmensch

Wir sehen keine Patienten, wir sehen Daten.

- Aussage eines anonymen Managers eines Unternehmens, dass klinische Studien in Osteuropa betreibt. Zitiert aus »Arme Schlucker«, Dezember-Ausgabe der le monde diplomatique, von Carl Elliot, Seite 12

In der Dezember-Ausgabe der le monde diplomatique gibt es einen interessanten Artikel über das Millionen-Geschäft der klinischen Studien. Menschen als Versuchskaninchen für neue Medikamente. Die Pharmaindustrie nennt sie euphemistisch Probanden. Nachdem es in den USA einige spektakuläre Skandale im Rahmen von klinischen Studien gab (Probanden an denen Psychopharmaka und Antidepressiva getestet wurden begannen Suizid), starteten große Pharmakonzerne, wie z.B. Eli Lilly, eine PR-Kampagne. Demnach sind Versuchskaninchen auch keine Probanden mehr, sondern Medical Heroes: Helden der Medizin.

Gott ist ein Auto

»1950 gab es in der BRD 2 Millionen motorisierte Fahrzeuge, davon mehr als die Hälfte Motorräder; 1973 waren es 22 Millionen, heute sind es 50 Millionen«

- Harald Welzer, die automobile Republik, Blätter Ausgabe November 2010

Das Automobil hat sich tief in den Habitus der Deutschen eingegraben. Das Auto ist ein Symbol in vielerlei Hinsicht: Status, Potenz, Freiheit, Wohlstand, Luxus, Komfort, Macht, Spass und Technologie. Es ist ein bedeutendes Wirtschafts- und Gefühlsgut, für viele gar ein Fetisch. Die Autoindustrie ist in Deutschland einer der wichtigsten Wirtschaftszweige und eng mit der Politik verbandelt. »Auto« ist ‑neben Mama, Papa und Ball– auch einer der ersten Begriffe, die kleine Kinder sprechen lernen. Gleichzeitig ist das Auto aber auch ein Mordwerkzeug und Umweltverpester. Im Jahr 2009 sind laut dem statistischen Bundesamt in Deutschland 4152 Menschen durch Verkehrsunfälle gestorben.

Wie würde eine deutsche Gesellschaft ohne Auto aussehen? Könnte es sie überhaupt noch geben?

Ganz normal

Ist es normal, nur weil alle es tun?

- Thomas D. von den Fantastischen Vier, »Ganz Normal« auf dem Album »die vierte Dimension«

Anmerkung: Das Argument, dass etwas doch normal sei, weil es eben die Mehrheit bzw. die Masse macht, hört man fast täglich in seinem Umfeld. Wenn also die Mehrheit mordet, dann ist das ganz normal? Nein, aber es macht doch die Mehrheit? Ab wann ist etwas normal, weil es alle tun und ab wann nicht mehr?