Zugetackert und vollgeschmiert

Rund 6,3 Millionen Menschen in Deutschland sind laut einer im Mai vorgestellten Studie der Gesellschaft für Konsumforschung (GfK) tätowiert. Der Bundesverband der Tätowierer (BVT) spricht sogar von bis zu acht Millionen

- dpa-Meldung vom 1. Juli 2014

Anmerkung: Als ich vor einigen Wochen im Freibad war, ist mir das zum ersten Mal so extrem aufgefallen, wie viele eigentlich angemalt sind. Ob Tribals, chinesische Zeichen, Tiere, Fantasy-Bilder oder der Name des eigenen Kindes – jeder will sich seine ganz persönliche (Massen-)Individualität auf den Körper klatschen, um allen seine Einzigartigkeit zu präsentieren. Auch bei der WM 2014 konnte man viele tätowierte Fußball-Spieler sehen. Individualität ist jedoch nicht etwas, dass man besitzen und vorzeigen kann, sondern eine Lebenseinstellung, ein Charakterzug, etwas, das man lebt und nicht kaufen kann.

Wichtiger Grund

»Umstand, aufgrund dessen einer Vertragspartei unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls und unter Abwägung der beiderseitigen Interessen die Fortsetzung des Vertragsverhältnisses bis zur vereinbarten Beendigung oder bis zum Ablauf einer Kündigungsfrist nicht zugemutet werden kann. Der Begriff ist in § 314 Absatz 1 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) definiert.«

- rechtslexikon-online.de

Anmerkung: Liebe ist nur selten ein wichtiger Grund. Unsere Gesellschaft, unser »Rechtsstaat«, ist nicht auf Zuneigung aufgebaut, denn sie gilt in Behörden, bei Ämtern, in Verträgen und in den staatlichen Institutionen als irrerelevantes Argument. Wer auf Liebe plädiert, wird belächelt. Wer von Gewalt spricht, dem wird zugehört.

Filmzitate raten VI

Aus welchem dystopischen Film aus dem Jahr 1976 stammt dieser Dialog? Tipp: jeder wird ab 30 mit einem sozialverträglichen Ableben, der sog. »Erneuerung«, belohnt. Tolle Idee, um unsere Wohlstandsgesellschaft vor Pflegekosten zu schützen und um den Jugendfetischismus aufrecht zu erhalten, oder? ;)

Er: »Traurig? Was ist denn so deprimierend?«
Sie: »Mein Freund musste zur Erneuerung. Ist das kein Grund?«
Er: »Er wird bestimmt erneuert!«
Sie: »Er wurde getötet! So wie die Anderen auch.«
Er: »Getötet? Wieso benutzt Du dieses Wort?«

Auch Selbstzensur ist Zensur

»Es ist halt ein fruchtbarer Boden für die Zensur, wenn man als Journalist eine Familie mit zwei Kindern ernähren muß und auf Basis von Zeitverträgen arbeitet. Irgendwann ertappt man sich bei der Selbstzensur – weil man seinen Job behalten will.«

- Anonymer Redakteur des deutschen Auslandssenders Deutsche Welle (DW) im Interview mit der Jungen Welt am 15. Mai 2014

Anmerkung: Wenn von Zensur gesprochen wird, ist fast immer die von außen einwirkende Unterdrückung gemeint. Die subtile, sich selbst zwingende Zensur, ist jedoch weitaus effektiver und kostensparender, denn sie benötigt keine permanente Überwachung und damit weniger Ressourcen.

»Putin-Versteher?«

»Diese Position hat Wladimir Putin schon bei der 43. internationalen Sicherheitskonferenz in München im Februar 2007 ganz klar formuliert: Moskau werde die Doppelzüngigkeit bestimmter westlicher Staaten nicht mehr hinnehmen, die auf die absolute Gültigkeit der internationalen Regeln pochen, diese aber bedenkenlos brechen, wann immer es ihnen in den Kram passt.«

- Le Monde Diplomatique, »Putins großes Spiel«. Mai 2014. S. 4

Anmerkung: Die Doppelmoral des Westens ist elementarer Bestandteil ihrer Ideologie. Völkerrecht, Menschenrecht, Genfer Konvention – gilt allzu häufig als moralische Waffe gegen China, Iran, Nordkorea, Saudi-Arabien, Russland, Venezuela und andere. Wann immer es um eigene Interessen, vornehmlich der Sicherung und Ausbeutung von Rohstoffen, geht, sind diese »Werte« entbehrlich. Angriffskrieg gegen den Kosovo, Afghanistan, Irak und Libyen, weltweite Foltergefängnisse der CIA und internationale Überwachung der NSA, willkürliche Ermordungen durch Drohnen-Angriffe und so weiter. Bin ich jetzt ein »Putin-Versteher« und Anti-Amerikanist?

Investitionsschutz statt Menschenrechte

»Denn während die Rechte transnationaler Unternehmen durch zahlreiche Freihandels- und Investitionsschutzabkommen stetig ausgebaut und durch internationale Schiedsgerichte abgesichert werden, sind die Konzerne selbst nicht verpflichtet, die internationalen Menschenrechte zu achten.«

- Sarah Lincoln, »Das Regime der Konzerne«, Blätter, Ausgabe März 2014, S. 62

Anmerkung: Das Argument der Menschenrechte scheint nur noch ein rhetorisches Kampfmittel, im Dienste der eigenen Interessen zu sein. Regelmäßig werden hier die mangelnden Menschenrechte in China, Iran, Saudi-Arabien, Russland, Venezuela, in afrikanischen Ländern und so weiter angeprangert. Gleichzeitig nutzen global agierende Konzerne, die unsicheren Verhältnisse vor Ort gnadenlos aus, um ohne lästige Gewerkschaften und Arbeitsgerichte Profite einzufahren.

Sicherheit vor Freiheit

»In gewisser Hinsicht sind die heute geltenden Sicherheitsgesetze in den europäischen Ländern deutlich strenger als in den faschistischen Regimen des 20. Jahrhunderts.«

- Giorgio Agamben, »Die Geburt des Sicherheitsstaats«, Le Monde Diplomatique, März 2014, S. 12

Anmerkung: Die Formulierung »aus Sicherheitsgründen« gilt heute als Freifahrtschein für den Abbau von Bürgerrechten. Im Namen der Sicherheit werden biometrische und genetische Daten der Bürger erfasst und gespeichert, öffentliche Orte und Arbeitsplätze mit Videokameras überwacht, Agent Provocateurs bei Protestaktionen eingesetzt, das Internet kontrolliert und vieles mehr. Es sind nicht allein die technischen Möglichkeiten, sondern vor allem der Wille der Mächtigen, das Volk lückenlos kontrollieren zu wollen.

Filmzitate raten V

Aus welchem dystopischen Film-Klassiker aus dem Jahre 1987 stammt dieses Zitat?

»Krankenhäuser, Gefängnisse, Weltraumforschung. Ich sage, ein gutes Geschäft kann man aus allem machen. Wie Sie wissen, haben wir durch einen Vertrag mit der Stadt die Verwaltung der örtlichen Polizei übernommen.«

Was ist Macht?

»Der gerade ist der Mächtigste, der möglichst wenig selber tun, möglichst viel von dem, wofür er den Namen hergibt und den Vorteil einstreicht, anderen aufbürden kann.«

- Theodor W. Adorno. Minima Moralia. Suhrkamp Verlag. 8. Auflage 2012. S. 146

Anmerkung: Dieses Machtprinzip hat sich seit dem Mittelalter, ja seit Anbeginn der Menschheit nicht geändert. Es sind nur die Götzen, die sich wandeln, die Götter zu denen wir beten und von denen wir unser Seelenheil abhängig machen. Ob Christentum, Sozialismus, Faschismus oder Neoliberalismus – es sind nur ideologische Herrschaftsinstrumente, um Macht ausüben zu können.

Kopfscheren

»Auch in der Bundesrepublik darf man nicht alles sagen, und das obwohl alles Gesagte so gut wie keine Wirkung hat.«

- Daniela Dahn, »Hier bin ich Mensch, hier greif ich ein«, Blätter, Dezember 2013.

Anmerkung: Das wird immer wieder, auch und gerade von liberalen Linken, vehement geleugnet. Ob in der Politik, in den Redaktionsstuben der Massenmedien oder in Unternehmen: vorauseilender (Gedanken-)Gehorsam, kultivierte Kopfscheren, Tabu-Themen und verordnete Denkverbote sind auch bei uns Alltag. Sie sind letztlich auch nichts anderes als Zensur. Aber die gibt es  natürlich nur in autoritären Staaten und nicht in Deutschland.