Die Wahrheit ist eine Studie

Umfragen, wissenschaftliche Untersuchungen, Statistiken, Fachbücher und Studien sollen das Denken ordnen. Sie wollen uns Thesen als Tatsachen einimpfen, Diskurse lenken und Meinungen beeinflussen. Gesamtzusammenhänge werden selten thematisiert, stattdessen wird die Welt in Millionen kleiner Fragmente zergliedert. Zahlen und Daten sollen dem Ganzen einen objektiven, sachlichen und unvoreingenommenen Anstrich verleihen. Dabei gibt es kaum wirklich unabhängige Studien. Fast alle sind Auftragsarbeiten, hinter denen gezielte Interessen stehen.

Selber denken und eigene Erfahrungen machen gelten nicht mehr. Wer beispielsweise ein Leiden oder eine Krankheit mit einem Produkt oder Lebensmittel geheilt hat, wozu es keine gesicherten wissenschaftlichen Erkenntnisse gibt, der wird wahlweise als Einzelfall oder als ein unglaubwürdiger Spinner abgetan. Die westliche Wissenschaft agiert somit als ein Instrument der Wahrheitsdiktatur. Zwar gibt es auch vermeintlich unseriöse oder nicht repräsentative Studien (wer definiert das?), aber Aussagen komplett ohne wissenschaftliches Fundament gelten von Anfang an als belanglos. Es sei denn, man ist ein Experte (für was auch immer).

Stille Selbstverfremdung

me_fEs ist schon ein wenig pseudoelitär und selbstreferentiell, wenn man behauptet »fremd« zu sein. So als wollte man sich unbedingt von anderen Menschen abgrenzen, etwas »besonderes« sein, so ganz individuell und anders als alle anderen. Heute behaupten viele, sie seien »verrückt«, also kreativ, witzig, einzigartig. Dabei machen alle das Gleiche, besitzen das Gleiche und denken das Gleiche. Massenindividualität nenne ich das. Brave und vorauseilende Shopping-Konsumenten für das Zielgruppen-Marketing von PR-Soldaten. Dennoch ist es heute gleichzeitig sehr einfach und sehr schwer, unangepasst zu sein. Wer konventionelle Normen, Werte und die neoliberale Ideologie immer und immer wieder in Frage stellt, gilt als Querulant. Als Fremder unter Selbstentfremdeten. Weiterlesen

Individualität ist Konformität

Wenn ich mein Profilbild auf Facebook ändere, dann, weil ich dringend Komplimente und Likes über mein Aussehen brauche. Schließlich definiere ich mich über mein Äußeres und bin sehr verunsichert, wenn mir nicht ständig jemand sagt, dass ich gut aussehen würde.

Wenn ich Fotos von meiner Familie, meinen Kindern oder meinen Haustieren (Katzen!) veröffentliche, will ich allen zeigen, dass ich ein harmoniebedürftiger Mensch bin und eine vorbildliche Familie habe.

Wenn ich die Timeline abarbeite, will ich vor allen Dingen private Fotos, interessante Bilder und lustige Videos sehen. Alles andere ist mir zu anstrengend. Besonders Postings, die mehr als drei Sätze beinhalten und Sachverhalte differenziert analysieren.

Generell will ich keine Kritik für irgendetwas von mir lesen. Nie. Niemals. Was ich will, ist Zustimmung, Bestätigung und Aufmerksamkeit in Form von gaaaaanz vielen Likes und »ist das aber toll/süß/witzig« — Kommentaren. Schließlich bin ich Individualist!

Fragmentierter Widerstand

»Im Universum der NGO’s  wird alles und jedes zu einem Thema, zum separaten, professionell abzuarbeitenden Einzelproblem und Einzelinteresse. [...] Diese Art der Förderung hat die Solidarität in einer Weise aufgesplittert, wie es keiner Repression je gelingen könnte.«

- Arundhati Roy, »Der Imperialismus der Wohltäter«, Blätter Ausgabe August 2012, S. 72

Anmerkung: Tausende, fragmentierte Grüppchen, engagieren sich in der Umwelt- oder Friedensbewegung, ehrenamtlich im sozialen Bereich oder streiten auf kommunaler Ebene für mehr Investitionen im Bildungssektor. Der Blick auf das große Ganze wird in der Regel systematisch ausgeblendet. Die tausendfache Zersplitterung nimmt nicht nur den Kapitalismus als Urheber komplett aus dem Blickfeld, sondern schwächt auch die eigene Position. Ob das Deutsche Rote Kreuz, der BUND, Amnesty International, Greenpeace, der WWF oder Ärzte ohne Grenzen – jeder kocht sein eigenes Süppchen und niemand stellt den Kapitalismus, der stets die Ursache für all die weltweiten Probleme ist, in Frage. Schließlich sei er alternativlos.

Zehn Beziehungsmythen

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© epikur

1.) These: Kinder können eine Beziehung retten.

Anmerkung: Es gibt wohl Millionen Paare in Deutschland, die wegen den Kindern zusammen bleiben, obwohl die Beziehung längst im Eimer ist. Das Sexleben ist quasi nicht mehr vorhanden, gemeinsame Unternehmungen (ohne Kind) gibt es nicht mehr (oder nur sehr selten), Konflikte sind an der Tagesordnung und auch ansonsten beschränkt sich die Partnerschaft auf Alltagstrott und auf die Inszenierung einer vorbildlichen Familie bei Freunden, Facebook und der Familie. Und das soll eine Rettung sein?

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Der Anschlag (23)

anschlag_teaserDer Präsident vom Arbeitgeberverband Gesamtmetall, Dr. Rainer Dulger, fordert, dass sich Arbeitsrechte und Tarifbestimmungen nach der Wettbewerbs- und Profitfähigkeit von Unternehmen ‑und nicht nach gesellschaftlichen, moralischen oder humanistischen Prinzipien- richten sollten. Die SPD findet das gut.

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Der Bertelsmann Verlag und Amazon haben sämtliche Publikationen von Karl Marx, Herbert Marcuse, Aldous Huxley, George Orwell, Theodor W. Adorno und vielen weiteren gesellschafts- und systemkritischen Autoren aus ihrem Sortiment genommen. Beide Buchanbieter seien sich einig, dass dies verschwörungstheoretischer Populismus und somit Verdummung sei.

Der Barbar in uns

»Damit dient der Barbaren-Topos seit der Antike dazu, Europas imperiale Außenbeziehungen zu strukturieren. [...] Der erste und gewalttätigste rogue state ist derjenige, der das Völkerrecht, als dessen Vorkämpfer er sich ausgibt, missachtet und fortwährend verletzt. Nämlich die USA.«

- Oliver Eberl. »Die Barbaren sind immer die Anderen«. Blätter. Ausgabe Juli 2015. S. 65

Anmerkung: Westliche Werte. Kolonialismus und Imperialismus. Zwei Weltkriege mit Millionen Toten. Vietnam. Angriffskriege gegen Libyen, Afghanistan, Irak, Syrien und gegen das ehemalige Jugoslawien. Sweat Shops. Massenhafte Umweltverschmutzungen. Weltweite wirtschaftliche Ausbeutung. Geheimdienst-Attentate und Putsche. Und dennoch: wir sind die Guten. Die Bösen sind (unter anderem) Nordkorea, der nahe Osten und Russland.

Journalisten vs Blogger

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Der Medienjournalist Steffen Grimberg schreibt in den aktuellen »Blättern« (Ausgabe September 2015) über »das Ende der Deutungshoheit« und meint damit primär die Massenmedien. Er wehrt sich gegen den Vorwurf der »Lügenpresse« vom rechten Rand der Pegida-Freunde sowie von linken »biederen Familienvätern«. Zwar sei das Vertrauen in die Massenmedien »empfindlich gestört«, die Ursache sei jedoch nicht »eine Art von Einheitsmeinung« in den Leitmedien oder Journalisten die ideologisch von der Atlantikbrücke konditioniert seien, sondern –wie könnte es auch anders sein- überspannte Verschwörungstheoretiker, die glauben, Aliens würden an den Schalthebeln der Macht sitzen (S. 103). Weiterlesen

Presseblick (43)

Die Linke in Deutschland ist gespalten. Es wird um Begriffe und Definitionen gestritten, es werden politisch Engagierte als Unpersonen erklärt (Ken Jebsen) oder zu esoterischen Spinnern (Konstantin Wecker) gemacht und es gibt eine regelrechte linke Gesinnungs- und Gedankenpolizei, die Denktabus verordnen wollen. Die Anhänger der reinen und einzig wahren Lehre. Albrecht Müller von den Nachdenkseiten hat dem Neuen Deutschland zu diesem Thema ein Interview gegeben, dass dann, wegen internen Interventionen, auch wieder zensiert wurde. Ich kann Müllers Gedanken nur unterstreichen und werde auch in Zukunft Ken Jebsen verlinken oder Interviews von ihm posten, wenn ich sie für sehenswert erachte: »Nun, ich habe mich entschlossen, mir nicht von anderen vorschreiben zu lassen, mit wem ich Kontakt haben darf, wen ich achte und zitiere und mit wem ich mit Respekt umgehe.« Die Neoliberalen reiben sich derweil die Hände, weil sich der Widerstand ganz von selbst zerfleischt. Weiterlesen