Eine weitere Form von alltäglicher Propaganda ist der Kulturimperialismus. Er bestimmt, wie wir unser Leben gestalten und was wir über andere Nationen, Kulturen, Völker und Religionen denken sollen. Außerdem gibt er vor, was ein erstrebenswertes und erfolgreiches Leben sein soll (Auto, Haus, Kinder, Lohnarbeit, Ehe, Geld etc.). Essentiell ist dabei auch das vorgeschriebene Mantra: »Denke positiv!« — das überall als alternativloses Lebenskonzept propagiert wird. Wer nicht positiv denken würde, sei automatisch unzufrieden und unglücklich, so das Credo.
Der Journalist und Autor Giuseppe Gracia nimmt dieses propagandistische Dogma ein wenig auseinander. Zunächst unterscheidet er zwischen positivem Denken und einer positiven Lebenseinstellung. Das Narrativ des positiven Denkens blendet nicht nur alle Übel in der Welt gezielt aus, sondern fördert auch Resignation und Fatalismus. Schlimmer noch: jedes persönliche Schicksal wird via Victim Blaming den Personen selbst zugeschoben: »Selbst schuld! Hättest Du mal positiv gedacht!« Die ständige Propaganda des »positiven Denkens« blendet somit systemische und strukturelle Ungerechtigkeiten und Ungleichheiten aus, und schiebt sie auf die persönliche Verantwortung des Einzelnen.
Vor rund 6 Jahren habe ich schon einmal getitelt: »Kritik ist positives Denken«. Denn wer seinen Verstand, seine Vernunft, seine Emotionen und sein Wissen, nicht mehr einsetzen will, hat in Wahrheit resigniert. Hat aufgegeben. Sich dem Fatalismus hingegeben. Wer nicht mehr kritisieren sowie Sachverhalte durchdenken, sondern nur ständig »abschalten« will — ist der eigentliche Pessimist. Wer nicht mehr kreativ-schöpferisch tätig sein und wer nicht mehr unser aller Leben aktiv mitgestalten will — hat die eigentlich negative Lebenseinstellung.
»Zwangsoptimismus als Herrschaftsprinzip, bei dem jeder Freidenker zu einem unangenehmen Zeitgenossen gemacht wird.«
Im Umkehrschluss heißt das aber auch nicht, dass man sich deshalb eine zynische, fatalistische oder pessimistische Lebenseinstellung zu eigen machen muss, wenn man kritisch sein will. Denn es ist durchaus möglich, sich ein positives und lebensbejahendes Verhältnis zum Leben, zu seinen Mitmenschen und zum kreativ-schöpferischen Tätigsein anzueignen und gleichzeitig kritisch zu sein.