Neusprech: Weltverbesserer

»Linke Weltverbesserer aller Schattierungen vereint das Lebensgefühl, zum Kreis der besseren Menschen zu gehören. Viele von ihnen haben dazu jede Berechtigung. Die Linke aber ist aus der SED hervorgegangen«

- Tissy Bruns, zeit.de

Eine oft abwertende Bezeichnung für alternative oder linksorientierte Menschen, die nicht am Status Quo festhalten wollen, sondern eine Veränderung, im Sinne einer vermeintlichen Verbesserung von Mensch und Gesellschaft, anstreben. Weiterlesen

Lohndumping-Förderungsgeld

Knapp 1,4 Millionen Menschen in Deutschland beziehen Arbeitslosengeld II, obwohl sie nicht erwerbslos sind. Davon sind knapp 500.000 Vollzeit beschäftigt. Die sog. »Aufstocker« können von ihrem Gehalt nicht leben und sind deshalb auf zusätzliche Leistungen vom Amt angewiesen. Besonders betroffen sind Beschäftigte in der Leiharbeitsbranche, im Gast- und Verkehrsgewerbe sowie bei den Reinigungsdiensten. Seit es Hartz4 als Zuzahlung gibt, haben Lohndumping und der Niedriglohnsektor in Deutschland massiv zugenommen. Arbeitgeber, Firmen und Unternehmen zahlen Niedrigstlöhne in dem Wissen, dass sich der Lohnarbeiter den Rest zum (Über-)Leben beim Amt holt oder »schwarz arbeitet«. Der Begriff Arbeitslosengeld II ist demnach irreführend. Lohndumping-und-Schwarzarbeit-Förderungsgeld müsste es heißen.

Alltagsmarktsprache

»ALG2-Empfänger leben auf unsere Kosten«

»Das wird sich irgendwann auszahlen«

»Ich sollte mehr an mir arbeiten«

»Das lohnt sich für mich nicht«

»In diese Freundschaft habe ich viel investiert und sie ist mir wertvoll«

»Davon können alle Seiten profitieren«

»Sie müssen sich einfach besser verkaufen, wenn sie erfolgreich eine Stelle finden möchten«

Auch die Sprache der Liebe ist vermarktwirtschaftlicht.

Neusprech: Rettungsschirm

»Die Mehrheit ist deutlich: 503 Bundestagsabgeordnete haben für die Stärkung des Euro-Rettungsschirms votiert«

- SpiegelOnline vom 26. Oktober 2011

Der Begriff »Rettungsschirm« besteht aus zwei Wörtern: Rettung und Schirm. Einen Schirm trägt man meist über seinen Kopf und er soll den Betreffenden vor einer Naturgewalt schützen: vor Wind, Regen oder Sonne. Nicht zu verwechseln mit Bild- oder Lampenschirm. Das Wort »Rettung« impliziert, dass jemand oder etwas vor einer Gefahr gerettet werden müsse und der vermeintliche Retter eine menschenfreundliche Tat vollbringt. Insofern ist der Terminus »Rettungsschirm« doppelt positiv aufgeladen. Weiterlesen

Der Neonationaliberalismus

Der Neoliberalismus spricht mit einer schrecklichen Einheitlichkeit aus all seinen Lebensäußerungen und Hinterlassenschaften [...]. Was irgendwie von der einen zugelassenen Form abwich, drang nicht an die Öffentlichkeit; Buch, Zeitung, Behördenschrift und Formulare — alles schwamm in derselben neoliberalen Soße [...]. Der Neoliberalismus glitt in Fleisch und Blut der Menge über durch Einzelworte, die Redewendungen, die Satzformen, die er ihr in millionenfachen Wiederholungen aufzwang und die mechanisch und unbewusst übernommen wurden.

Anmerkung: Die Zitate wurden aus Victor Klemperers Buch »LTI« (lingua tertii imperii — die Sprache des Dritten Reiches), Stuttgart 1975, Reclam Verlag,  übernommen und die Begriffe Nationalsozialismus bzw. Drittes Reich mit Neoliberalismus ersetzt.

Neusprech: Zumutbarkeit

»Es gibt tatsächlich keine Untergrenze bei der Zumutbarkeit«

— DGB-Sprecherin Falk in der TAZ vom 18. Dezember 2004

Das SGB 2 ist die Bibel von ALG2 Sachbearbeitern. In ihr wird z.B. auch festgehalten, welche Lohnarbeit dem Erwerbslosen als zumutbar gilt und welche nicht. Die Zumutbarkeit unterliegt demnach nicht mehr der eigenen Einschätzung und Beurteilung, sondern dem Sachbearbeiter bzw. dem Gesetzgeber. In Kapitel 2 »Anspruchsvorraussetzungen«, § 10, wird die Zumutbarkeit definiert. Weiterlesen

Neusprech: Realpolitik

»Deutschland braucht Realpolitiker statt Moralapostel«

- Schlagzeile von Welt-Online vom 17. April 2011

Die Realpolitik bezeichnet eine Form der Politik, die sich nach pragmatischen, umsetzbaren und nach vorhandenen real existierenden Gegebenheiten richtet. Sie grenzt sich damit von einer Politik und Sichtweise ab, die normativ und werteorientiert entscheidet. Politische Entscheidungen im Sinne der Realpolitik werden zu einer verhandelbaren Masse erklärt. Alle Gesetze, Entscheidungen, Vorhaben und Ideen sollen sich nach pragmatischen Rahmenbedingungen richten. Alles was sich in diesem Spielraum bewegt, ist verhandelbar, der Spielraum selbst jedoch nicht. Der politische und wirtschaftliche Rahmen wird als gottgegeben und naturwüchsig erachtet und ist somit der Überbau des TINA-Prinzips. Weiterlesen

Das Jobangebot

- Gastartikel von Dennis82

(Dennis schreibt auch in der Freitag-Community, hauptsächlich über Steuerthemen)

Ein Begriff, den ich schon länger sehr kritisch sehe – und der auch in vielerlei Hinsicht auch bei kritischen Zeitgenossen unhinterfragt verwendet wird, ist das neudeutsch: »Jobangebot« bzw. der »angebotene Arbeitsplatz«. Dieser Begriff ist grob irreführend, denn es geht hierbei nicht um Jobangebote im eigentlichen Sinne. Es ist eben gerade nicht so, dass Unternehmer U für die Aufgabe Y an Ort Z gerade genau den Arbeitslosen A ungesehen einstellen wöllte. Weiterlesen

Neusprech: Plagiatsjäger

Nachdem von und zu Guttenberg durch das Internetportal Guttenplag bzw. Vroniplag des Plagiats überführt wurde, und die Stoiber Tochter Veronica Saß ihren Doktortitel abgeben musste, wurde nun der Europaabgeordneten der FDP-Fraktion, Silvana Koch-Mehrin, der Doktortitel aberkannt. Auffällig dabei ist, die Sprache unserer bürgerlichen Medien, wenn es um das Thema der Doktortitel Erschleichung geht. So wird Vroniplag nicht als Aufklärungsplattform verstanden, die im Dienste der Wissenschaft agiert, sondern als Hort von »Plagiatejägern«, die unsere vermeintliche »Elite« bloßstellen und stürzen will. Weiterlesen