Der pädagogische Happen (59)

-Respektlosigkeit-

Ich arbeite sehr gerne in meinem Beruf und wertschätze alle Kinder. Dennoch muss ich heute ein eher kritisches Thema ansprechen, ohne gleich in Kinderhass abzudriften (und Ihr bitte auch nicht). Ich arbeite seit rund zehn Jahren in der Grundschule in einem eher linksgrünen, bürgerlichen Milieu. Selbst hier ist eine Tendenz bei den Kindern erkennbar, die man mit Respektlosigkeit, Unhöflichkeit und der bewussten Missachtung von Regeln, beschreiben kann.

Ich könnte hierzu dutzende Anekdoten erzählen, die sich alle grob so zusammenfassen lassen, dass eine klar und deutlich formulierte Grenze und Regel, die den Kindern kommuniziert wird ‑damit ein harmonisches und sicheres Zusammenleben im Schulalltag funktionieren kann- bewusst missachtet wird. Wieder und immer wieder.

Die Kinder können nichts dafür. Es ist, in aller Regel, eine Sache der Erziehung und des Elternhauses. Offensichtlich haben immer mehr Eltern keine Motivation oder keine Ahnung, was es bedeutet, Grenzen zu setzen und konsequent zu sein (ohne körperliche Gewalt anzuwenden!). Der überbordende Medienkonsum sowie die Vernachlässigung bzw. die Überbehütung kommen noch oben drauf. Zudem: »Respektlosigkeit« ist mittlerweile ein großes gesellschaftlches Problem, womit beispielsweise Bademeister oder Busfahrer tagtäglich konfrontiert sind.

Jetzt könnte man einwenden, dass das »Nichts Neues« sei und schon immer gab und wir als Kinder »auch nicht anders« waren. Ein gewisses Maß an kindlichem Rebellentum gehört eben dazu und ist auch gesund. Klar. Es hat heute dennoch eine neue Qualität der Ignoranz, der Empathielosigkeit und des Egoismus erreicht, wenn selbst nach der 5. Ansage, die laut, deutlich und bestimmend formuliert wurde, nach Elterngesprächen und etlichen Konsequenzen — immer noch eine »Mir doch scheissegal!-Einstellung« vorherrscht. Dann stimmt etwas ganz gewaltig nicht.

Leider kommt das gar nicht mehr so selten vor, wie man vielleicht denken mag. Und zwar in allen gesellschaftlichen Schichten und Milieus. Ich vermute, auch das ist mit ein Grund für den eklatanten Fachkräftemangel bei Lehrern und Erziehern. Denn die Respektlosigkeit von Kindern und Jugendlichen wollen sich immer weniger antun, während man gleichzeitig der individuelle Bedürfniserfüller und Dauer-Karl-Arsch zugleich bei den Eltern ist.


Kinder in Deutschland
Der pädagogische Happen

Der pädagogische Happen (17)

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(An einer Seilbahn. Ein Mann spricht ein Mädchen an.)

Vater: »Du? Könntest Du Dich vielleicht auch hinten anstellen, wie alle anderen Kinder auch?«
Mutter: »Entschuldigung. Wer sind Sie? Wieso reden Sie mit meiner Tochter?«
Vater: »Ich bin der Vater von Lucy, die sich gerade hinten anstellt, um auch Seilbahn fahren zu dürfen. Ihre Tochter hat sich hier gerade vorgedrängelt und ich habe gesehen, dass Sie das auch gesehen, aber nichts dazu gesagt haben! Deshalb habe ich Ihre Tochter darauf hingewiesen!«
Mutter: »Wollen Sie mir etwa sagen, das ich eine schlechte Mutter bin?«
Vater: »Ich möchte nur, dass Ihr Kind sich wie alle anderen Kinder auch hinten anstellt und sich nicht vordrängelt!«
Mutter: »Bitte reden Sie nicht mehr mit meiner Tochter!«

In der Zwischenzeit entfernen sich beide Kinder von der Seilbahn und wollen etwas anderes spielen.

(Bisherige Folgen)

Euphemistische Vorwurfsprache

vorwurf_titelIn der zwischenmenschlichen Kommunikation gibt man sich selbst gerne Blankoschecks, um anschließend vermeintlich verletzende und/oder kritische Dinge sagen zu dürfen. Vorwürfe will man so relativieren, abschwächen oder legitimieren, weil man nicht auf sie verzichten will. Dabei sollten klare Ansagen und Aussagen nicht generell im Widerspruch mit Höflichkeit und Rücksichtnahme stehen. Und auch komplett ohne Vorwurfssprache auskommen können. Beliebte Phrasen sind:

Bitte nicht falsch verstehen!“
„Ist nicht persönlich gemeint!“
 „Nichts gegen Dich, aber…“
„Das ist jetzt nicht böse gemeint!“
„Nimm‘s mir nicht übel, aber...“