Der Anschlag (58)

Jeder Bundesbürger ist ab sofort verpflichtet, bei der Antragstellung eines Personalausweises, ein Google‑, Facebook- und Twitter-Account vorzuweisen und anzugeben.

Wer steuerliche Vorteile genießen möchte, sollte sich »Alexa« in das Wohnzimmer stellen, so die Bundesregierung. Jeder, der regelmäßig Daten an Amazon sendet und bei dem Online-Datenschützer einkauft, kann das ab Juni 2019 von der Steuer absetzen.

Der deutsche Einzelhandelsverband (HDE) sowie die Lebensmittelindustrie empfehlen, nur noch mit Handy und EC-Karte zu bezahlen, Payback und alle verfügbaren Kundenkarten ausgiebig zu nutzen. Nur so könne man effektiv Daten sammeln als Kunde Geld sparen. :jaja:


»Der Anschlag«

Neulich beim Friseur

Mehr als 1,5 Stunden hat man mich schmoren lassen. Ich hatte keinen Termin. Die Damen kamen auch nicht mal zwischendurch zu mir oder versuchten mich irgendwie zu beschwichtigen (»Ein Glas Wasser?« Oder: Es ist gleich soweit!«), nein, sie redeten überhaupt nicht mit mir. Nach über 90 Minuten habe ich den Laden wütend verlassen. Ein Kunde weniger. Ich gehe vielleicht 3–4 mal im Jahr zum Friseur. Und das sehen die Angestellten auch. Ich bin weder ein eitler Herr, der sich alle zwei Wochen seine Zwei Millimeter schneiden lässt, noch ein Vereinsamter, der ein nettes Schwätzchen mit jungen Damen halten will. Ich bin auch kein weibliches holdes Wesen, das sich für viel Geld die Haare machen lässt, weil das ja irgendwie wichtig sei.

Beim nächsten Laden musste ich zwar nur 30 Minuten warten, aber auch da sprach man mich gleich an: »Lange nicht mehr beim Frisör gewesen, he? (Hoa, Hoa)« — »Ja, ich bin Pragmatiker!« Das Gesicht hättet Ihr sehen sollen. Kein Selbstoptimierer und Selbstinszenierer, dem wir teuer Haarwachs, ‑Gel, ‑Shampoo, ‑Pflegespülung, Haarfarbe gegen die ersten grauen Haare oder sonstigen Mist andrehen können (alles schon erlebt!) und der dazu nur alle paar Monate vorbei kommen will? Was soll denn das? Da braucht man nicht übermäßig zuvorkommend sein. Selbst mit der bekloppten Bonuskarte verdienen wir nicht viel an dem. Warum dann noch freundlich sein?

First-World-Problem. Ich weiß.


»Neulich...«

Ihre Renteninformation

Einmal pro Jahr erhält man die sog »Renteninformation« von der Deutschen Rentenversicherung. Als Grundlage für die künftige Rentenhöhe werden die Beitragszahlungen der letzten fünf Jahre herangezogen. Bei der aktuellen Rentenformel werden hier die Wenigsten eine große Summe stehen haben. Altersarmut ist indes kein Schicksal, sondern politisch gemacht. Interessant ist denn auch der letzte Abschnitt »Zusätzlicher Vorsorgebedarf«, darin heißt es:

»Da die Renten im Vergleich zu den Löhnen künftig geringer steigen werden und sich somit die spätere Lücke zwischen Rente und Erwerbseinkommen vergrößert, wird eine zusätzliche Absicherung für das Alter wichtiger (»Versorgungslücke«). Bei der ergänzenden Altersvorsorge sollten Sie — wie bei Ihrer zu erwartenden Rente — den Kaufkraftverlust beachten.«

Verstehe ich das richtig, dass die Deutsche Rentenversicherung als Teil der gesetzlichen Sozialversicherung und Körperschaft des öffentlichen Rechts in Deutschland, mir Angst machen mich dazu ermutigen will, privat vorzusorgen? Sie will mich in die Arme von Hedgefonds, Bankster und Finanzheuschrecken treiben?

Der Anschlag (56)

Der Handelsverband Deutschland (HDE) hat in einer Pressemeldung betont, dass Weihnachten kein Konsumterror sei und es auch nicht darum ginge, den Leuten nutzlosen Plunder oder Zuckerbomben anzudrehen. Weihnachten sei ein christliches Fest der Nächstenliebe und der HDE freue sich ausschließlich über viele »leuchtende Kinderaugen«.

Die Lebensmittelindustrie hält Fett, Salz und Zucker für die wichtigsten Bestandteile von Getränken und Lebensmitteln. Vitamine und Mineralien werden »komplett überschätzt«, so ein Sprecher.

Die Verpackungsindustrie hat in einer repräsentativen Studie nachgewiesen, dass Plastik eine wertvolle Ressource für Mensch und Natur sei. Man könne aus alten Plastiktüten beispielsweise tolle Fahnen basteln.


»Der Anschlag«

Geld stinkt!

Wenn alles Denken und Handeln am Geld gemessen wird...

  • Kreativität jeglicher Art ist nur dann interessant, wenn man sie zu Geld macht.
  • Geschriebene Texte sind nur dann lesenswert, wenn man Bücher verkauft.
  • Videospiele sind nur dann keine Zeitverschwendung, wenn man via E‑Sports mit ihnen Kohle verdienen kann.
  • Musik ist nur dann mitreißend, wenn man sie irgendwie kommerziell vermarkten kann.
  • Dummheit ist erstrebenswert, wenn man sie verkaufen kann.
  • Und so weiter.

...dann könnte man doch auch bei der Mafia arbeiten? »Aber die töten doch Menschen!«, lautet dann der moralische Einwurf. Seit wann interessieren uns Ethik und Menschenechte? Glaubt Ihr etwa Banken, die Pharma- und Rüstungsindustrie oder die Jobcenter töten keine Menschen?

»Es gibt viele Arten zu töten. Man kann einem ein Messer in den Bauch stechen, einem das Brot entziehen, einen von einer Krankheit nicht heilen, einen in eine schlechte Wohnung stecken, einen durch Arbeit zu Tode schinden, einen zum Suizid treiben, einen in den Krieg führen usw. Nur weniges davon ist in unserem Staat verboten.«
(Bertolt Brecht. Aus: »Me-Ti. Buch der Wendungen«.)

P:S: Ich muss was gegen meinen Zynismus tun. Ob Sport hilft?

Die Gerechtigkeitslücke

  • Wer einen Menschen tötet, ist ein Mörder. Wer 1.000 Menschen tötet kommt ins Fernsehen.
  • Wer 500 Euro Steuern hinterzieht wird strafrechtlich verurteilt. Wer dem Finanzamt Millionen Euro Steuern vorbehält, wird politisch beschützt.
  • Wer 10.000 Euro im Kasino verliert, ist ein spielsüchtiger Versager. Wer Milliarden verzockt, ist systemrelevant und wird vom Staat »gerettet«.
  • Wer seinen Mitmenschen oder dem Chef nicht die Wahrheit sagt, ist ein Lügner. Wer in der PR oder der Werbung arbeitet, täglich Millionen Menschen belügt und betrügt, ist ein Marketingexperte.
  • Wer schwarz fährt und häufiger nicht bezahlt, kommt ins Gefängnis. Wer millionenfachen, weltweiten Abgas-Betrug betreibt, wird erst gar nicht verurteilt.

Ach ja: wer solche Zusammenhänge herstellt, ist ein lupenreiner Populist! :jaja:

Manchmal...

  • Manchmal wünsche ich mir, dass den arbeitsgehorsamen, weltfremden und ständig im Restaurant speisenden Mittelschichtsspießern, das Gehalt auf ALG 2 Niveau gekürzt wird.
  • Manchmal wünsche ich mir, dass die Verbrecher von Finanzindustrie, Politik und Konzernen alle sehr hart bestraft werden.
  • Manchmal wünsche ich mir, dass den materiell überverwöhnten Dekadenz-Jugendlichen echte, finanzielle Armut ereilt.
  • Manchmal wünsche ich mir, dass in den Häusern der Bonzen eine Bombe einschlägt.
  • Manchmal wünsche ich mir, dass den bigotten, sogenannten »Erfolgsmenschen«, das dämliche Grinsen vergeht und sie echte Depressionen und/oder Mobbing erleiden.

Aber dann wird mir bewusst, dass mein Zynismus keinen Effekt haben wird, weil der Mittelschichts-Biedermeier-Weltverleugner-Spießer-Schnösel rein gar nichts daraus lernen würde. Er würde nie niemals und unter keinen Umständen gegen Banken, Konzerne, die Finanzindustrie oder gegen Milliardäre opponieren. Stattdessen würde er sich für alles einen Sündenbock suchen. Jemanden ‑oder eine Gruppe von Menschen- die noch viel schwächer und hilfloser sind, als er selbst (Flüchtlinge, Arbeitslose, Obdachlose etc.). Es ist ein tief verinnerlichter urdeutscher Habitus: nach oben kriechen und nach unten treten.

Was heute wichtig ist...

  1. ) »Die Zeitumstellung könnte bald abgeschafft werden.« (dw)
  2. ) »Abgeordnete mit Baby muss Sitzungssaal verlassen.« (FAZ)
  3. ) »Das Ende einer Ära: RTL-II-News nehmen Abschied.« (chip)
  4. ) »Tabaksteuer massiv erhöht: Australien ist des Rauchers Horrorland.« (n‑tv)
  5. ) »Trump googelt „Trump News“ – und ist gar nicht zufrieden.« (paz)

Heute ist Freitag, der 31. August 2018. Was außerdem wichtig ist:

  1. ) Wer was wann wo wie über wen gesagt oder nicht gesagt hat.
  2. ) Facebook. WhatsApp. Instagram. Youtube.
  3. ) Promi-News.
  4. ) Star Wars.
  5. ) Sexismus.
  6. ) Fussball.

Wo soll ich anfangen...

So einen Scheiß drucke ich nicht. Du bist unser Autor. Du hast uns nicht in den Rücken zu fallen.“ (Stellvertretende Chefredakteurin der »ZEIT«, Sabine Rückert, zum ehemaligen Bundesrichter Thomas Fischer, im Januar 2018, nachdem er die Vorverurteilung der »ZEIT« im Fall Dieter Wedel kritisiert hatte.)

...und wo aufhören? Der tägliche Irrsinn will einfach kein Ende nehmen.

Familienministerin Franziska Giffey (SPD) schlägt beispielsweise vor, Eltern (gemeint sind Väter), die keinen Unterhalt zahlen, den Führerschein zu entziehen. Giffey wörtlich: »Wir wollen die Daumenschrauben anziehen. [...] Wer nicht zahlt, läuft!« Für viele Lohnarbeiten benötigt man ein Auto, insbesondere in ländlichen Regionen. Viele besitzen gar kein Auto. Vielleicht verdienen viele auch nicht genug im Niedriglohn-Paradies Deutschland, um Unterhalt zahlen zu können? Und was genau haben jetzt die Kinder von dem Fahrverbot? :nene:

Auf einer Pegida-Demonstration in Dresden ruft ein Demonstrant, der zufällig ein LKA-Beamter ist, seine Polizei-Kumpels, die dann gegen das ZDF-Kamerateam von »Frontal 21« vorgehen. Sie werden von der Polizei beschimpft und fast eine Stunde lang festgehalten. Es gibt ein bisschen Bullshit-Bingo ‑der Vorfall werde untersucht- und das wars dann. Selbst viele der mehr als 500 Kommentare beim Tagesspiegel verteidigen noch das Verhalten des LKA-Beamten. RECHTSstaat Deutschland. Willkommen in der Bananenrepublik! :sick:

Big Pharma

»Doch die Pharmaindustrie interessiert sich nicht dafür, wie Betroffene ihre Freiheit wiedergewinnen, denn dann würden sie sich ja ihrem Zugriff entziehen. Sie hat vielmehr ein Interesse daran, dass es noch mehr Krankheiten gibt. [...] ADHS sei ein „Parade­beispiel für eine fabrizierte Erkrankung“, und dass die genetische Veranlagung für hyperaktives Verhalten vollkommen überschätzt werde.«

- Gérard Pommier. Le Monde Diplomatique. Ausgabe April 2018. S. 23

Anmerkung: Wie jetzt? Das klingt ja alles wie eine große Verschwörungstheorie! Ich dachte immer, die Pharmaindustrie will uns in erster Linie helfen und heilen? Und jetzt muss ich lesen, dass es ihr primär um den Profit geht? Das kann nicht sein. Weil es nicht sein darf. :nene: