»Das, das gibt erst dem Menschen seine ganze Jugend, dass er Fesseln zerreißt.»
Friedrich Hölderlin
Wie oft habe ich mir schon anhören müssen, ich sei zu kritisch, zu negativ und zu pessimistisch. Ich kann es nicht mehr zählen. Oder hören. Und wie oft habe ich den Leuten dann erklärt, dass wer nicht mehr analysiert, kritisiert und hinterfragt, eigentlich derjenige ist, der sich selbst, seine Mitmenschen und seine Lebensumwelt komplett aufgegeben hat! Wer sich fügt, zu allem Ja und Amen sagt und nicht mehr selbstständig denken will, sei optimistisch und glücklich? Wer die real gegebenen Ungerechtigkeiten verleugnet, hat eine »positive Lebenseinstellung«?
Die Haltung, wer kritisch ist, muss auch irgendwie unzufrieden, gefrustet oder gar depressiv sein, entspricht einem typisch deutschen Untertanengeist. Dieser glaubt tatsächlich daran, dass sich alles irgendwie zum Guten, ja, dass man glücklich werden wird, wenn man nur mit aller Kraft wegschaut, sich devot jeder Form von neofeudaler, struktureller und staatlicher Herrschaft unterwirft sowie sich in seinen Biedermeier-Weltverleugnungs-Bunker verkriecht. Zwangsoptimismus als Herrschaftsinstrument.
Dabei macht doch erst der schöpferische Prozess, dazu gehört ‑neben Kunst und Musik- eben auch die Entwicklung von eigenständigen Gedanken, frei, zufrieden und glücklich. Das erklären uns schon seit Jahrhunderten überall auf der Welt Philosophen, Dichter, Denker und Psychologen. Aber die kann man natürlich alle ignorieren und lieber das denken und glauben, was uns BILD, RTL und Hollywood ständig einimpfen.
»Warum kritisches Denken glücklich macht!«
»Das musst Du positiv sehen!«
»Kritik ist positives Denken«