In der Pädagogik und der Psychologie gibt es bergeweise Studien, Untersuchungen und Bücher über die Entwicklung des Kindes. Dort wird festgehalten, was normal und was entwicklungsverzögert sei und somit gegebenenfalls einer Diagnose eines Facharztes bedarf. Ob pränatale Frühförderung, die Sprach-Meilensteine oder die altersentsprechenden Kompetenzen und Entwicklungen im sozial-emotionalen, kognitiven oder motorischen Bereich: darüber gibt es unzählige Veröffentlichungen. Häufig steht die Frage im Vordergrund: wie kann ich das Kind noch weiter unterstützen und/oder besser fördern? Dabei kann man auch eine ganz andere Geschichte erzählen. Mit weniger euphemistischen Blümchen und mit weniger neoliberaler Sozialromantik. Weiterlesen
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»Krass, Alter!«
Im Social-Media-Zeitalter scheint man häufig auf der Jagd nach Entertainment zu sein. Große und auch kleine Geschichten wollen erzählt werden, die witzig, lustig, verrückt oder sonstwie unterhaltsam sind. Wie oft habe ich es erlebt, dass man in gemütlichen Gesprächsrunden mit Bekannten, Kollegen oder Fremden, etliche Coming-of-Age-Stories erzählt bekommt. Die vermeintlich verrückten Geschichten der eigenen Pubertät, die häufig was mit Drogen, Gewalt oder anderen nicht immer ganz legalen Handlungen zu tun haben. Man habe sich ausprobiert, die Welt erkundet und sei verrückt gewesen, so der Tenor.
Wenn man dann erzählt, dass man schon als 14Jähriger Koma-Saufen, kiffen, kleinere Diebstähle, Sachbeschädigungen, Vandalismus oder Schlägereien als wenig aufregend empfand und schon früh vieles hinterfragt hatte, wird man entweder zum Langweiler oder überheblichen Schnösel degradiert. Die Leute wollen Entwicklungsgeschichten hören. Menschen, die sich aus der Scheiße gezogen oder die irgendwie halbseidene Sachen gemacht haben. Das sei halt spannend und interessant. Mir scheint jedoch: Weisheit ist ‑wenn überhaupt in unserer digitalen Idiokratie- nur im Alter erwünscht, aber so gar nicht in jungen Jahren.
Ich. Bin. Wichtig.
Echte Lebensweisheiten
»Erwachsene sind doof!«
Der pädagogische Happen (27)
Mutter A: »Mein Sohn spielt ja jetzt jeden Montag Klavier!«
Mutter B: »Okay.«
Mutter A: »Dienstags und Freitags spielt er ja eh schon Fussball im Verein. Manchmal gibts noch Turniere am Wochenende.«
Mutter B: »Interessant.«
Mutter A: »Und im Schulhort macht er seit drei Wochen bei der Spanisch-AG mit.«
Mutter B: »Wirklich?«
Mutter A: »Na klar! Ich habe ihm gesagt, dass ich es mir wünschen und ich es ganz toll finden würde, wenn er das macht. Und jetzt macht er das.«
Der Pädagogische Happen (26)
(Auf dem Schulhof)
Kind: »Auf dem Mädchenklo soll ein fremder Mann in Frauenkleidern Mädchen entführen!«
Erzieher: »Hat ein Kind diesen fremden Mann schon mal gesehen?«
Kind: »Nein.«
Erzieher: »Hat ein Lehrer, Erzieher oder Elternteil diesen fremden Mann schon mal gesehen?«
Kind: »Nein.«
(Zwei Tage später auf der Teamsitzung)
Erzieher: »Haben wir hier auf der Schule wirklich ein Sicherheitsproblem? Mehrere Kinder und Eltern erzählen etwas von einem fremden Mann?«
Leitung: »Die Eltern haben via Whatsapp einen Artikel der BILD herumgeschickt. Dabei geht es um eine Schule, die 40 Kilometer von hier entfernt ist. Und wie viel selbst an dieser Geschichte stimmt, wissen wir nicht. Jedenfalls wollen viele Eltern ab sofort ihre Kinder aus den 3. und 4. Klassen wieder persönlich abholen.«
Wertlose Arbeit?
Die soziale Arbeit wird auch im Jahr 2019 weitestgehend in ökonomische Denkmuster gequetscht werden. Durch Sprache, gesetzliche Rahmenbedingungen, Sachzwänge und das neoliberale Narrativ in den Köpfen (Eigenverantwortung, Flexibilisierung, Liberalisierung etc.). Bildungspartner werden zu Kunden. Pädagogen zu Dienstleister. Hinzu kommen: Leistungsbewertung, Standardisierung, Wettbewerbs- und Konkurrenzdenken sowie damit automatisch verbunden: Ausgrenzung und Stigmatisierung. Betriebswirtschaftliches Verwertungsdenken sorgt indessen weiterhin dafür, dass die soziale Arbeit »wenig wert« ist. Sie generiert keine Güter und keinen Profit.
Die Interaktion zwischen Menschen werden betriebswirtschaftlich als Beziehung zwischen Mensch und Marke betrachtet, bei dem nicht nur verwertbare Zahlen generiert werden sollen, sondern bei dem auch angeblich jeder Akteur nur seinen egoistischen Vorteil und Eigennutz im Sinn habe. Wer dieses lebens- und menschenfeindliche Gesellschaftsmodell auf die soziale Arbeit übertragen will ‑bei der uneigennützige Empathie, Lebensfreude und Solidarität essentiell sind- gehört als Soziopath eingesperrt. Stattdessen werden sie in Talk-Shows und Expertenrunden eingeladen.
Die Destruktivität des Leistungsgedanken
Der tägliche Lohnarbeitswahnsinn
Eigennützig Gemeinnützig
Aufbewahrungsanstalten
Im aktuellen Böckler Impuls (Ausgabe 18–2018) von der gewerkschaftsnahen Hans-Böckler-Stiftung (DGB), gibt es eine interessante Untersuchung zum Thema »Nachts in der Kita«. Kinderbetreuung, die 24 Stunden am Tag und auch an Wochenenden möglich ist. Deutschlandweit gebe es bereits zehn Einrichtungen die eine 24-Stunden-Betreuung anbieten. Die Nachfrage steigt. Zwar betonen die Forscher, dass sie »kein Ersatz für familienfreundliche Arbeitszeiten« seien, behaupten aber, dass sie grundsätzlich geeignet sind, um »Eltern die Vereinbarkeit von Beruf und Familie zu erleichtern, ohne dass die Kinder Schaden nehmen.« Sagen zumindest die Leiterinnen der besagten 24-Stunden-Kitas sowie die Forscher der Studie.
»Alles in allem gehen die Befragten davon aus, dass erweiterte Betreuungszeiten nicht schädlicher sind für das Kindeswohl als die regulären Zeiten.«
Interessant, dass hier kein Pädagoge oder Psychologe zu dem Thema befragt wurde. Statdessen erweisen die Forscher den Kindern hier einen Bärendienst. Gerade für Kleinkinder ist eine übermäßige Fremdbetreuung nicht immer ohne Folgen. Die zahlreichen Untersuchungen hierzu, erwähnt die Studie mit keiner Silbe. Unternehmen und Industrie wird es freuen. Schließlich sollen so gut wie alle Lohnarbeiter (und eben nicht nur Feuerwehr-Leute, Polizisten, Altenpfleger etc.) am besten immer verfügbar sein. 24-Stunden-Kitas eignen sich hierfür bestens, um die Kinder jederzeit abschieben liebevoll betreuen zu können.
Kinder in Deutschland; Teil 45: Ernährung
»Was gab es heute zu essen?«, diese Frage stellen täglich Millionen von Eltern ihren Kindern, wenn sie sie von der Kindertagesstätte, vom Hort oder der Schule abholen. Für sehr viele Eltern ist das ein sehr wichtiges Thema. Für sehr viele Kinder nicht. Entweder möchten sie nicht darüber sprechen, antworten nur kurz und knapp oder haben sogar vergessen, was es zu essen gab. Für sie ist es wichtiger, wie der Tag verlaufen ist, ob ihre Freunde da waren, sie wenig Konflikte hatten, ob sie sich frei entfalten durften, sich angenommen und geborgen fühlten. Und obwohl die Armut in Deutschland weiterhin explodiert sowie überall der neoliberale Sparzwang herrscht, wollen viele Mittelschichts-Eltern nicht über Zusammenhänge oder Ursachen sprechen, sondern lieber in ihren bequemen Komfortzonen über das Essen in Schulen und Kindergärten mäkeln. Weiterlesen
Fördern. Fördern. Fördern.
Die Leistungs- und Wettbewerbsgesellschaft produziert nicht nur systematisch ein ausgegrenztes Prekariat, sie verdient auch an und mit der Angst. Insbesondere Eltern sind stellenweise ganz gezielt massiv verunsichert worden. Jahrzehntelang haben vermeintliche Erziehungsexperten durch allerlei mediale Kanäle (TV, Buch, Web, Radio, Zeitung etc.) die elterliche Intuition nachhaltig beschädigt. Man müsse und solle seine Kinder so und so erziehen, man solle das sagen, das unternehmen, sich so verhalten und so weiter. Dann wird wieder genau das Gegenteil erzählt und propagagiert. Hinzu kommt ein Dschungel an pädagogischen Konzepten, Haltungen und Werten, die sich nicht nur gegenseitig widersprechen, sondern alle von sich behaupten, dass sie die »einzig wahre Erziehungsmethode« betreiben würden.
Das Ergebnis sind pränatale Frühförderung (»Je früher desto besser!«), Kindergarten-Chinesisch sowie die Auffassung, dass alles Tun pädagogisch wertvoll, also Förderung sein muss. Es ist der Zeitgeist der uns sagt, dass Kinder und Jugendliche arbeitsfähig genormt werden müssen. Ihre ökonomische Verwertbarkeit und Funktionstüchtigkeit sollen hergestellt werden. Oder anders: »Unsere Kinder sind unsere Zukunft«. Eine Ware. Ein Rohstoff. Ein Objekt. Das soll eben bestmöglich optimiert werden.
Was häufig fehlt, ist eine subjektbezogene, ehrliche und authentische Seins-Haltung zu Kindern und Jugendlichen. Sie in ihrem Wesen so annehmen können, wie sie sein wollen und nicht, wie Unternehmen, Politiker oder Eltern sie nach ihren eigenen Vorstellungen formen wollen. Es ist insofern absolut nicht verwunderlich, dass psychische Kinderkrankheiten zugenommen haben: man behandelt sie allerorten wie Knetmasse.
»Elternängste«
»Familienkonflikte«
»Der pädagogische Happen«
Familienkonflikte
Der Großteil aller familiären Konflikte entstehen, weil die Eltern ihre Kinder nicht selbst entscheiden lassen. Weil sie den Sprung von der Erziehung zur Beziehung nicht geschafft haben oder ihn bewusst nicht machen wollten. An der familiären Hierarchie will man unbedingt festhalten. Wir (Eltern) hier oben und Ihr (Kinder) dort unten. Die Kinder haben womöglich andere Vorstellungen von der Partner‑, Berufs‑, oder Lebensmittelpunktwahl, als die Eltern. Sie haben eventuell eine andere Vorstellung davon, was ihnen Spaß macht, was sie als wichtig und erstrebenswert erachten. Sie haben vielleicht eine andere sexuelle Orientierung. Oder sehen einen anderen Sinn in ihrem Leben. Dabei wäre es so einfach, sämtliche Konflikte und Missverständnisse in allen Familien auf ein Minimum zu reduzieren. Weiterlesen
Medial verstrahlt
Wer in einer Schule, einem Hort oder in einer Kindertages‑, Jugend- oder sozialen Einrichtung arbeitet, erlebt relativ schnell die Folgen der Digitalisierung. Immer mehr Kinder haben eine Aufmerksamkeitsspanne von 30 Sekunden bis maximal 5 Minuten. Sie können alle »Fortnite«-Tänze, bauen tolle »Minecraft«-Welten, wissen schon sehr früh wie man mit smartphones und Tablets umgeht, aber können sich mit 6 Jahren nicht mehr die Schuhe zu binden, geschweige denn eine analoge Uhr lesen. Es ist daher völlig unverständlich, dass es von wissenschaftlicher Seite immer wieder heißt, man habe dafür »noch keine Daten« oder man müsse das Phänomen »noch untersuchen«. Die digitale Versumpfung von Millionen von Smartphone-Junkies ist jeden Tag überall zu beobachten.
Besonders bigott sind viele linksgrüne Bio-Öko-Alternativ-Eltern, die alles Digitale für ihre Kinder verbieten, aber selbst den ganzen Tag an der WhatsApp- und Facebook-Nuckelflasche hängen. An vielen Schulen und Kindertageseinrichtungen sind die Dummphones verboten. Es hängen Verbotsplakate. Es wird überall darüber informiert. Aber was interessiert das die Süchtigen. Bei Kita- und Schulveranstaltungen sitzen die Eltern nur noch mit erhobenen Händen da, um alles aufnehmen zu können. Wer Bus und Bahn fährt, glaubt in einem dystopischen Thriller zu sein. Übrigens: der Vergleich mit der Tageszeitung ist nur noch lächerlich. Offline ist das neue Bio!
»Automatisierung. Digitalisierung. Industrie 4.0.«
»Handystrahlung produziert Zombies«
»Digitale Dystopien«