Falschmeldung: Tagesschau

Wie selbst einfache Tagesschau-Meldungen, durch zu wenig Eigenrecherche, zu tendenziösen Falschmeldungen werden, zeigt das Beispiel vom 5. September 2020: »Sprachförderung in Kitas: Weniger Kinder wachsen mit Deutsch auf.« In dem Beitrag heißt es:

»Bei jedem fünften Kita-Kind wird einem Bericht zufolge zu Hause kaum Deutsch gesprochen. Der Anteil hat in den vergangenen Jahren zugenommen. Die FDP fordert deswegen eine bessere Sprachförderung in Kitas.«

Pädagogen und Logopäden wissen, dass Kinder die mehrsprachig aufwachsen, im Kindergarten deutsch lernen und Zuhause mit ihren Eltern, die sehr häufig nur gebrochenes Deutsch sprechen können, ihre Erstsprache sprechen sollen. Nur so können Kinder beide Sprachen gut lernen. Wenn die Sprachen vermischt werden, kommt es zur Verschlechterung von beiden Sprachen. Niemand der ernsthaft Sprachförderung in pädagogischen Einrichtungen betreibt, würde fordern, dass Kinder mit ihren Eltern, eine Sprache sprechen sollen, die diese nicht gut beherrschen.

Die Anfrage der FDP-Bundestagsfraktion sowie die Tagesschau-Meldung wollen uns nun ein Problem darlegen, dass gar keines ist! Ganz im Gegenteil:

»Demnach gab es unter den 3,2 Millionen Kita-Kindern zuletzt etwa 675.000, in deren Familien Deutsch nicht vorrangig gesprochen wird. [...] Die Zahl sei in den vergangenen Jahren weiter gestiegen, im Jahr 2017 habe der Anteil noch bei 18,7 Prozent gelegen und 2018 seien es 19,4 Prozent gewesen.«

Ja, sie sollen Zuhause auch kein Deutsch sprechen! Es ist also genau richtig, wenn hier der Anteil steigt! Deutsch lernen die Kinder in der Kita. Zuhause sprechen sie ihre Erstsprache. Die vermeintlich skandalösen Zahlen können also gar keine Aussage darüber treffen, dass nun weniger Kinder Deutsch lernen würden. Die Schlagzeile ist also grob irreführend. Das Problem ist hier nicht nur, dass der Beitrag inhaltlich falsch ist, sondern gleichzeitig die deutsche Leitkultur bedienen will, sowie Vorurteile gegenüber Migranten verstärkt. Denn wo kommen wir denn hin, wenn Menschen, die in Deutschland leben, Zuhause kein Deutsch mehr sprechen? 

Der pädagogische Happen (32)

 

 

 

 

(In der Schule, Abholsituation)

Mutter: Meine Tochter erzählt mir jeden Tag Zuhause, dass sie von einem Ali immer geärgert wird.

Pädagoge: Ja, ich habe die Situation beobachtet. Möchten Sie eine unbeteiligte Einschätzung dazu hören?

Mutter: (sauer, aufgebracht) Ich will, dass sie sich diesen Ali zur Brust nehmen. Es kann nicht sein, dass er hier frei dreht und andere Kinder schlagen darf!

Pädagoge: (ruhig, sachlich) Wenn ich Ihnen das einmal kurz erklären dürfte...

Mutter: (unterbricht) Wo ist denn dieser Ali jetzt gerade? Ich will mit ihm reden!

Pädagoge: (bestimmt) Stop! So geht das nicht! Die Kinder stehen in der Einrichtung unter unserer Fürsorge und Aufsicht. Außerdem reden wir doch gerade darüber. Also der Konflkt ging von beiden Seiten aus. Ihre Tochter Anna-Lena hat auch...

Mutter: (unterbricht wieder, wird lauter) Das kann ja wohl nicht wahr sein! Ich möchte sofort mit der Leitung sprechen! Wo finde ich die?

Pädagoge: Das Gebäude links, dritte Tür rechts.

Mutter: (stapft wütend davon)


Der pädagogische Happen (1−31)

Kinder in Deutschland; Teil 48: Maskenpflicht

Langjährige Leser dürften wissen, dass ich an einer Schule in Berlin arbeite. Auch bei uns gibt es zum neuen Schuljahr 2020/2021 eine neue Hygieneverordnung sowie Maskenpflicht. Die Umsetzung hat mit pädagogischen Grundsätzen absolut nichts mehr zu tun. Sie ist ein groteskes Chaos, ein kafkaesker Irrsinn und eine absurde Behörden-Willkür. Angst, Panik und politischer Aktionismus verwandeln den Bildungsraum Schule, bei der Kinder kognitive, aber auch sozial-emotionale Fähigkeiten entwickeln und stärken sollen, in ein völlig realitätsfernes Experimentierlabor. Ein Erfahrungsbericht. Weiterlesen

Kinder in Deutschland; Teil 47: Coronoia

Seit rund 10 Jahren gibt es die Kinder-Serie auf dem ZG-Blog. Am 20. Juli 2010 ging bezeichnenderweise »Teil 1: Kinderfeindlichkeit« online. Gerade die häufig offen ausgelebte, manchmal etwas subversiv versteckte, aber leider auch meist sehr direkte Kinderfeindlichkeit in Deutschland, war und ist für mich ein ganz persönliches Trauerspiel. Kinder werden ‑nach wie vor- vielfach als formbare Objekte der Erwachsenen, halbfertige Menschen, Nervenbündel, Schmutzverursacher und/oder Lärmbelästiger betrachtet. Deutschland hat zwar die UN-Kinderrechtskonvention unterzeichnet, das hindert aber scheinbar Niemanden daran, seinen Menschenhass (denn genau das sind Kinder: kleine Menschen) ungeniert auszuleben. Die Corona-Krise hat das leider wieder sehr deutlich aufgezeigt. Weiterlesen

Der Club der toten Dichter

Ein Film, der mich in meiner Jugend nachhaltig geprägt hat ‑und der auch heute noch seine volle Wirkung bei mir entfaltet- ist »Der Club der toten Dichter« von Peter Weir. Robin Williams in der Rolle des Lehrers John Keating, möchte junge Männer an einer Elite-Schule zum selbstständigen, kritischen und offenen Denken anregen. Gerade in einem Umfeld, in der Fremdbestimmung (Eltern, Schule und Gesellschaft geben vor, was die Jugendlichen denken und tun sollen) schnöde Alltagsrealität ist, wird Keating’s Vorhaben als aggressiver Putschversuch gewertet. Nur »Leistung«, »Erfolg« und »Konformität« sind auch heute- jenseits von Elite-Einrichtungen- überall die tief verinnerlichten, neoliberalen Dogmen unserer alternativlosen, marktkonformen Demokratie. Weiterlesen

Der pädagogische Happen (31)

[An der Abmeldung im Schulhort]

Mutter: (schaut nur auf ihr Handy) »Ich möchte meine Tochter Alicia abmelden!«

Pädagoge: »Alicia aus der 3c?«

Mutter: (schaut den Pädagogen nicht an. Glotzt weiter auf ihr Handy.) »Ähm...was?«

Pädagoge: »Meinen Sie Alicia aus der 3c?«

Mutter: (gereizt) »Ja genau, habe ich doch gesagt!«

Pädagoge: »Ok, ist abgemeldet. Einen schönen Tag wünsche ich Ihnen!«

Mutter: (antwortet nicht, tippt etwas auf ihr smartphone ein und geht schweigend weiter.)


Der pädagogische Happen (1−30)

Angst und Macht

Eine dunkle Gasse...

Der Zusammenhang zwischen Angst und Macht wurde schon vielfach untersucht. Beispielsweise von Rainer Mausfeld, der die modernen Herrschaftstechniken hervorragend aufzeigt. Wie stark die Ängste der Menschen in den letzten 30 Jahren gestiegen sind, kann man besonders gut an den Eltern beobachten. Die gefühlten Elternängste steigen von Jahr zu Jahr. Sie haben mit den tatsächlichen Gefahren meist wenig zu tun, denn kaum ein Elternteil lässt sich mit Kriminalstatistiken oder rationalen Argumenten überzeugen. Da herrschen oft die pure Panik und die ungebändigte Hysterie, die via whatsapp, facebook, BILD, RTL sowie Boulevard- und Skandalpresse ‑zum Zwecke der Aufmerksamkeitsgenerierung- ordentlich angeheizt und aufgeputscht werden. Am Ende verkriechen sich immer mehr in ihre weltverleugnenden Komfortzonen-Wohlfühlbunker.

Ängste werden bewusst und unbewusst geschürt und angeheizt. Von der Politik, den Massenmedien, von Denkfabriken oder Lobbygruppen. Denn es gibt einige Interessengruppen, die sich viele Vorteile von unsicheren und ängstlichen Menschen versprechen. Sie konsumieren mehr. Sie glauben mehr. Sind leichter zu steuern und zu manipulieren. Sie nehmen die Einschränkung von Bürgerrechten leichter hin. Sie lassen sich besser auf Feindbilder und Kriege einschwören. Sind im Lohnarbeitsleben gefügiger. Sie leisten weniger Widerstand. Und sie halten generell stärker am gegenwärtigen Zustand fest, auch wenn er ihnen Unglück bringt. Insofern haben die Reichen und Mächtigen absolut kein Interesse daran, dass die Bevölkerung sorglos, ausgeglichen, angstfrei, bescheiden und selbstsicher ist.


Herrschaftsprinzipien
Probleme schaffen. Lösungen anbieten.

Lehrer-Bashing

Es ist mittlerweile zum Volkssport geworden und dauert keine 10 Minuten mehr, wenn über Schule geredet wird: Lehrer-Bashing. Es klammert (wie so oft) jedwede strukturelle Problematik komplett aus: »schuld sind die Lehrer!« Darin sind sich alle einig. Sie sind die Prügelknaben der Nation. Gleichzeitig wundern sich alle, warum es bundesweit so einen Lehrermangel gibt? Die Bezahlung ist doch vergleichsweise solide? Na gut, Kinder können ein wenig Kraft kosten, aber das bekommt man doch irgendwie hin, oder?

Das Problem sind jedoch nicht die Kinder, sondern die Eltern! Ich kenne und lebe ‑als Pädagoge der täglich in einer Grundschulklasse arbeitet und gleichzeitig als Vater auf Elternabenden auftritt- beide Perspektiven. Am Ende sind es für mich meist die Eltern, die mit Hysterie, Propellerkreisen, überzogener Anspruchshaltung, Gerüchten, Vorwurfssprache, Selbstoptimierungs‑, Wettbewerbs- und Konkurrenzdenken sowie mangelnder Kooperationsbereitschaft, das System Schule zu einer anstrengenden Veranstaltung machen. Waren früher die Kinder für ihre Leistungen selbst verantwortlich, stürmen heute die Eltern die Lehrerzimmer: »Warum hat mein Kind eine fünf bekommen?« Weiterlesen

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»CDU-Fraktion will Schulen auf Discountern bauen. Der Berliner CDU-Fraktion geht es beim Schulbau nicht schnell genug. Zu Beginn des neuen Schuljahres wird es zu wenig Plätze geben. Sie setzt daher auf unkonventionelle Ideen. Schulen bei Aldi & Co. aufs Dach zu setzen ist nur eine davon.«

- welt.de vom 30. Dezember 2019

Anmerkung: Warum nicht Schulen auf oder neben McDonalds oder Burger King bauen? Dann hätte man das Schulessen auch gleich mit abgedeckt? Oder vielleicht Oberschulen auf oder neben Kasernen bauen? Dann könnte der Nachwuchs gemeinsame Workshops und Projekte mit den Soldaten machen? Schießübungen, Auslandseinsätze und mehr über den Feind Russland lernen? Die Möglichkeiten sind hier grenzenlos! Wir brauchen deutlich mehr »unkonventionelle Ideen«, Herr Stettner (bildungspolitischer Sprecher der CDU im Abgeordnetenhaus)! :jaja:

Die letzte Generation

Ich habe manchmal den Eindruck, dass die heutigen 30–40jährigen  die letzte Generation sind, die noch als Kinder wenig Verbote, kaum elterliche Überwachung, aber dafür viele Explorationsmöglichkeiten hatten. Ob alte Fabrikgelände, Ruinen, Mauern, Brachflächen, Hinterhöfe, Müll- und Schrottplätze, Hinterhöfe oder Waldgebiete: wir haben alles allein oder mit Freunden erkundet und erforscht. Wir haben den Sozialraum erobert. Wir durften bis 20 Uhr oder sogar 22 Uhr alleine draußen bleiben. Unsere Eltern haben uns blind vertraut und damit sehr stark unser Selbstbewusstsein und unsere Selbstständigkeit gefördert, ohne jemals an (früh-)kindliche Förderung gedacht zu haben. Dieses Zeitalter ist vorbei.

Heute regieren absurd-skurile-hysterische Elternängste. Angefangen von Dehydrierung, vermeintlichen Nägeln im Sand bis hin zu Kinderschändern hinterm jedem Baum. Moderne Eltern sperren ihre Kinder in Wohlfühl-Schutzbunker ein. Ständige Überwachung, Kontrolle und Einmischung sind die Doktrinen. Die Kinder werden von Insel zu Insel: von Kindergarten zu Sportverein zu Muskangebot zur Schule zu Freunden zur Sprachschule zum Kindergeburtstag zur Familie gebracht und gefahren. Gleichzeitig sind immer mehr Kinder medial verstrahlt. Viele Eltern empfinden den hohen Medienkonsum zwar als kritisch, aber immerhin sind die Kids so Zuhause vor digitalen Welten geparkt, anstatt selbstständig, selbstbestimmt und selbstbewusst den Gefahren der Umwelt zu trotzen, wo ja so so so so so viel passieren könnte. :jaja:


Kinder in Deutschland
Der pädagogische Happen