»Auf dem Markt, auf dem Arbeitsmarkt trägt der Arbeiter seine Arbeitskraft zu Markte. Auf dem Arbeitsmarkt platzieren wir den Unternehmer wie er von einem Arbeitsmarktstand zum anderen geht und Arbeitskraft einkauft. Da sehen wir den Unternehmer wie er die Ware prüft. Ob sie auch kräftig ist? Ob sie auch kein Großmaul ist? Ob sie auch nicht verbraucht ist? Ob sie auch nicht über 50 ist? Ob sie auch schön frisch ist?«
So beginnt das Lied »Auf dem Arbeitsmarkt« vom Album »Profitgeier« der Band Floh de Cologne. Zur fruchtbaren Verquickung von Musik und Politik.
Die deutsche Krautrockband Floh de Cologne wurde im Januar 1966 von Kölner Studenten gegründet. Ähnlich wie die Ton Steine Scherben verbanden Floh de Cologne ihre Musik von Anfang an mit linkspolitischen und sozialkritischen Inhalten. Sie machten auf menschenverachtende Zustände des Kapitalismus aufmerksam und verstanden es mit gekonnt rhetorischen Texten, die Menschen zum Nachdenken anzuregen: »Der Unternehmer heißt Unternehmer weil er etwas unternimmt. Der Arbeiter heißt Arbeiter, weil er arbeitet. Würden die Arbeiter was unternehmen, müssten die Unternehmer arbeiten«.
Das TINA-Prinzip (there is no alternative) prägt mittlerweile nicht nur das Denken vieler Politiker in Deutschland, sondern auch viele bürgerlich angehauchte Kulturschaffende. In Opern und Theatern werden die Zauberflöte, Faust oder Parzival immer und immer wieder inszeniert. Es werden Hunderte Komödien und Dramen nach Schema F vorgeführt. Und am Ende erwartet uns stets eine Moral, die uns bestenfalls amüsiert – jedoch den Status Quo nicht antastet. Wenn Floh de Cologne in ihrem Lied »Fließbandbaby« davon singen, dass sie nicht immer arbeiten, heiraten, Fernsehen gucken, ein Auto kaufen, ein Haus bauen oder den Haushalt machen möchten – zeigen sie dem System den Mittelfinger. Denn erst dann, tun sich echte (Lebens-)Alternativen auf.
Auch wenn diese Band, die sich 1983 schon auflöste, mittlerweile gute 40 Jahre alt ist und ihre Musik etwas angestaubt und altbacken wirkt, sind ihre Texte erfrischend und hochaktuell: »Dass, was man bei uns hier Freiheit nennt, das hat man nur nach Feierabend«. Es ist eine wahre Freude endlich wieder einmal authentische und glaubwürdige Musik, die eine Botschaft besitzt, zu hören. Sie zeigen auf, dass Musik mehr als Selbstzweck und Konsumgut sein kann. Mehr als ein riesiges Geschäft. Mehr als MTV, VIVA, »Deutschland sucht den Superstar« oder diverse Radiosender, die den Hörer mit Werbung zum Ohrenbluten bringen. Kurz gesagt: Floh de Cologne sind eine leuchtende Fackel, im kulturimperialistischen Einheitsbrei der jeden Tag durch sämtliche Medien auf uns niederprasselt. Denn: warum soll »die Luft nicht denen gehören, die sie atmen?«
Großartiger und informativer Beitrag. Floh de Cologne war und ist noch immer ein Lichtblick. Allzu verstaubt finde ich die Musik aber nicht — sie unterstreicht das Mechanische, das »Fließband«-Gehabe eben, klingt passagenweise monoton, so wie die Fließbandmenschen monoton wirken. Der Sprechgesang, dessen sich Floh de Cologne immer wieder bemächtigt, ist ebenso monoton, beinahe maschinenartig runtergerattert — dies unterstreicht erneut die Eindimensionalität und bürokratische Stupidität, den mechanischen Gang der Dinge, die immer wieder kritisiert werden.
Kunst besteht heute nicht mehr. Wie viele andere »Kategorien« — wie die Medizin z.B. — ist sie ein Handwerk geworden, welches sich in engem Rahmen abspielen, Axiome beachten, keine metaphysischen Berührungspunkte haben soll. Die Kunst ist zum Einheitsbrei geworden, in dem Erfolg und Massenandrang dem blüht, der sich an Nichtigkeiten aufhängt. Barth, Mittermeier und dicke Berlinerinnen locken Menschen an — diese bewegen sich in einem engen Rahmen von Anspruchslosigkeit und braven Biss, der vornehmlich das Verhältnis Mann-Frau zum Gegenstand hat, nie aber das System in Frage stellt. Die satirischen Helden unserer Tage sind vulgäre Straßenkomödianten, die keinerlei Verbindung zur Welt haben, in der sie leben. Ihre Welt ist die Begrenztheit des Straßenwitzes, des schnellen Witzes, der auch dadurch entsteht, Schadenfreude zum Witz zu stilisieren — Barth, Mittermeier und Konsorten bohren nur im verwesenden Körper der Satire und Komödie. Sie sind die Maden, die den Corpus zersetzen.
Obwohl es an der Zeit für ein neues Floh de Cologne wäre, scheint die Hoffnung sinnlos... Radikalkritik wird unterdrückt. Rapper kritisierten einst, standen als Paria am Rande. Heute läßt sich ein Rapper (Name entfallen) dazu hinreissen, die Betrugsmasche von Hartz IV-Empfängern zu kritisieren, denen es zu einfach gemacht wird, den Staat zu betrügen — das ist der kritische Künstler der heutigen Zeit: Er gesellt sich auf Seiten der Machthabenden und kritisiert die Unterdrückten.
Ich stimme Dir vollkommen zu, lieber Roberto!
Es wäre wirklich an der Zeit, für ein neues Floh de Cologne, welches eben das Herz beim Volk hat, spielerisch und sprachlich begabt ist und die menschenverachtenden und heuchlerischen Zustände offenlegt und musikalisch thematisiert. Leider bin ich musikalisch weniger begabt. Für mehr als unter der Dusche zu singen hat es nie gereicht ;-)
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