Der pädagogische Happen (64)

- Konflikte -

Die Moderation von Konflikten, Missverständnissen und Meinungsverschiedenheiten unter Kindern, gehört zur klassischen Kompetenz eines Pädagogen. Kinder sind, in aller Regel, hier sehr ähnlich wie 90 Prozent aller Erwachsenen: sie wollen den Erzieher und/oder den Lehrer, auf ihre Seite ziehen. Sie wollen, dass der Andere Ärger oder eine klare Ansage bekommt. Sie selbst sehen sich fast immer in der Opferrolle. »Schuld« ist immer der Andere.

Ein guter Pädagoge will aber gar nicht wissen, wer angefangen hat, zu provozieren, zu schlagen oder zu ärgern. Die »Schuldfrage« trägt eben nicht zur Deeskalation bei. Auch wenn das Hypermoralisten gerne vor sich her tragen. Eine einseitige, auf emotionaler Beweisführung aufgebaute Täter-Opfer-Markierung, hilft Niemanden weiter. Außer vielleicht den Massenmedien, die gezielt Feindbilder aufbauen und bedienen wollen. Jeder Konflikt hat eine Ursache, einen Hintergrund und einen Kontext. Jeder.

Pädagogen, Supervisoren und Streitschlichter wollen wissen, wie sich die Beteiligten fühlen und was jeder für sich und für den Anderen tun kann, damit sich so eine Situation nicht wiederholt. Damit sie lernen, mit ihrer Angst, ihrer Wut und ihren Enttäuschungen umzugehen. Damit sie lernen, eigene Trigger-Momente zu erkennen und zu überwinden.

Wer Konflikte unter Menschen ernsthaft und dauerhaft lösen will, kommt nicht umhin, Verständnis, Empathie, Kompromissfähigkeit, Toleranz, Konflikt- und Streitkultur sowie die Eigen- und Fremdwahrnehmung zu fördern und zu festigen. Manche nennen das die Fundamente und die Grundpfeiler unserer sozialen Ordnung. Andere schlicht »Lumpenpazifismus«.


Kinder in Deutschland
Der pädagogische Happen

3 Gedanken zu “Der pädagogische Happen (64)

  1. Und was im und bei den Kleinen nicht klappt, kann auch im und bei den Großen nicht klappen. Auf ARTE läuft noch bis zum 13.3. der Film »Die Zwölf Geschworenen« (1957), eine Lehrstunde in Diskursfähigkeit, dessen Botschaft aber sicher auch nur bei denen ankommt, in denen sie angelegt ist.

  2. Die »Schuldfrage« trägt eben nicht zur Deeskalation bei.

    Hm, naja. Als jemand, die als Kind unter einem hinterfotzigen Geschwister zu leiden hatte, kann ich nur sagen: so einfach ist die Sache nicht. Unsere Eltern haben damals zwar auch gesagt, daß es ihnen egal sei, wer angefangen habe, aber sie wollten auch nicht

    wissen, wie sich die Beteiligten fühlen.

    Und

    was jeder für sich und für den Anderen tun kann, damit sich so eine Situation nicht wiederholt

    ist, sorry, eine etwas dämliche Anleitung, wenn ein Kind ganz konkret »der Täter« ist und sich um diese letzte Anleitung schlicht einen Kehricht geschert hätte. Sodaß das andere Kind da nach diesem Muster nur herauskommt, wenn es sich komplett woanders hin begibt. Was zuhause irgendwie entweder nicht möglich ist oder zum Auszug führen würde.

    Das ist mir zu schwarz-weiß bzw. zu einfach und irgendwie auch zu weltfremd.

    Und das übertrage ich so auch gerne auf Konflikte zwischen Erwachsenen, Nationen und Organisationen. Dem Schuldigen (jaja ich weiß, das Wort ist böse...) kommt man damit nämlich immer ein bißchen zu sehr entgegen.

    Aber ist ja nur meine ganz private Sicht der Dinge.

  3. »ähnlich wie 90 Prozent aller Erwachsenen«
    I implored the law and the law won
    ( https://de.wikipedia.org/wiki/I_Fought_the_Law )

    Ansonsten kommen mir Entschuldigung und — in gewisser Weise das Gegenstück — Vergebung zu kurz. Diese Deeskalationsmittel funktionieren nur¹ mit bzw. nach klarer Schuldzuweisung bzw. ‑Eingeständnis. Im Idealfall beinhaltet dann das Akzeptieren einer Entschuldigung auch wenigstens ein bisschen Schuldübernahme oder ‑Relativierung².
    Natürlich muss eine Entschuldigung ernst³ ›rüber kommen‹, ggf. auch mit (monetärer) Entschädigung angereichert sein, sonst ist ›Essig mit Vergebung‹.

    ¹Abgesehen vom beiläufigen ›Tschuldigung‹ (kein Schuldeingeständnis im strengen Sinne) nach geringfügigen Problemen, z.B. wenn man im fortgeschrittenen Alter den Einkaufswagen im Supermarkt mit dem Autoscooter verwechselt hatte ( https://de.wikipedia.org/wiki/Autoscooter )
    ²Typisch für Altersweisheit: »Wir haben in unserer Jugend doch auch viel Blödsinn gemacht«
    ³Sauertöpfische Miene und Weltklasse-Salbadern reichen da nicht, Herr Steinmeier (pars pro toto). Siehe auch einige der vorigen Artikel zu Corona

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