...rät uns die Personalberaterin Maren Lehky in Zeiten der Wirtschaftskrise. Anständiges sich-verwursten, sich wertvoll machen, sich einbringen, sich anstrengen, Leistung zeigen, schuften bis der Arzt kommt. Ach nein, das solle man natürlich schon vermeiden, sagt Lehky. Aber »sich einen Tick mehr engagieren als sonst«, das wäre schon ganz gut.
Natürlich solle der Mitarbeiter auch bescheiden sein, schließlich »leiden« Chefs und Unternehmer gerade enorm unter der Wirtschaftskrise. Ein Mitarbeiter sollte also zuerst an seinen Chef und an das Unternehmen denken und eben nicht an sich.
Wenn gerade gespart wird und Stellen gestrichen werden, fände ich es stillos, zum Chef zu gehen und zu sagen: Ich weiß, dass du mich jetzt mehr brauchst denn je — wenn du mich halten willst, gib mir mehr Geld!
Ein Lohnarbeiter soll sich gegenüber dem Unternehmen also solidarisch verhalten, aber gleichzeitig Verständnis haben, wenn das Unternehmen es ihm gegenüber gerade nicht sein kann: betriebsbedingte Kündigung, schlechte Auftragslage, Wirtschaftskrise — Sie verstehen? Nehmen Sie es nicht persönlich!
Und wo wir gerade dabei sind, die Wirtschaftskrise fordert natürlich besondere Flexibilität von den Lohnarbeitern. Diese wird natürlich nicht generell schon seit Jahrzehnten gefordert, um aus den Mitarbeitern mehr rauszupressen und sie sich so zurecht zu biegen, damit mehr Profit gemacht werden kann. Nein, nein — die Wirtschaftskrise »fordert« es! Deshalb:
Was gar nicht gerne gesehen wird: wenn jemand überhaupt nicht flexibel ist, nur von neun bis zwölf Uhr arbeiten möchte. Und auch hier sind es nicht nur die Chefs, die irritiert sind: Oft beklagen sich die kinderlosen Kolleginnen, dass sich die Mütter nur die Rosinen rauspicken.
Wie können es Frauen überhaupt wagen, Kinder in die Welt zu setzen und sich damit für die Unternehmen »unflexibel« zu machen?
Am Ende hat sie dann eine Erleuchtung und entlarvt ihre so wertvollen Tips und Ratschläge als Lach- und Luftnummer:
Obwohl es paradox klingt: Es ist auch beruhigend zu wissen, dass ich eine Kündigung letztlich nicht wirklich vermeiden kann.
Beruhigend zu wissen, dass alles tun, handeln und schuften letztlich völlig egal ist, wenn der Mitarbeiter unabhängig von allen Faktoren die er positiv beeinflussen könnte, um seine Entlassung zu vermeiden, trotzdem entlassen werden kann? Beruhigend zu wissen, dass alle Mitarbeiter eh nur Spielbälle und Werkzeuge der Profitmacher sind? Beruhigend zu wissen, dass Lohnarbeiter eh nichts zu sagen oder zu entscheiden haben? Was will uns Frau Lehky mit diesem Satz und ihrem ganzen Gerede eigentlich wirklich sagen?
Dieser Begriff »Selbstvermarktung« bringt mich jedesmal auf die Palme. Da steckt für mich irgendwie das ganze Dilemma des heutigen Wertehandlings drin. Nur wer fähig ist, sich selber mit dem größten Selbstbewusstsein, dem größten Verkaufsgeschick »darzubieten« hat Chancen. Ob Lehrlinge, Lagerarbeiter, Techniker, Schuhmacher...... Ich weiß, das klingt hässlich. Aber in meinem eigenen Berufsfeld ist so was wie Qualität gar nicht mehr möglich, weil die Anzahl derer überwiegt, die sich trotz fehlender berufsspezifischer Sachkenntnisse, einfach besser verkaufen können.
Der alte Sinn, — für gute Arbeit, — gutes Geld, ist vollkommen verschwunden. Das mit dem irrsinnigen zusätzlichen Leistungsbedarf verschlimmert alles nur noch zusätzlich, weil die besten Verkäufer den Weg dahin schaffen, wo sie die Arbeit an die verteilen können, die das nötige Know-How haben, aber trotzdem immer mit entscheiden wollen wie dies auszusehen hat. Irgendwas ist gänzlich schief gelaufen. Möglich das ich dies zu subjektiv sehe, aber ich sehe keine Lehrlinge, Lagerarbeiter oder Techniker mehr. Nur noch total überhitzte Verkäufer. Und Leute ohne Chancen, die die Arbeit machen.
Was mich an diesem ganzen Käse am meisten nervt ist neben dem bereits erwähnten Ergebnis, dass die Schwätzer dabei meistens oben landen, die Anspielung auf den Mythos des Tellerwäschers, wonach jeder, wenn er sich nur genug anstrengt, vielleicht Millonär werden kann. Bei uns fehlen 7–8 Millionen Jobs, mit der Folge, dass für etwa die gleiche Anzahl an Arbeitssuchenden das Spiel um die kapitalistische Glückseligkeit schon gar nicht mehr stattfindet. Ihr einziger Trost liegt vielleicht darin, dass die Gruppe der Looser fluktuiert und es früher oder später fast jeden trifft.
Mit dem von antiferengi erwähnten »altmodischen« gutes Geld für gute Arbeit hat das in der Tat nur noch wenig zu tun. Stattdessen heißt es: Seien sie ihr eigener Unternehmer! Die Konkurrenz schläft nicht und bitte: Kein Mitgefühl für ihrer Konkurrenz, die genau wie sie alles tun wird um besser zu sein.
Wichtig ist nicht was sie können, sondern was man ihnen zutraut.
Einer sagte mal: »Keiner ist unersetzlich — jeder ist ein Superstar« was den Widersinn des Ganzen schön auf den Punkt bringt.
Der Tag »Arbeitsfetischismus« ist übrigens gut gewählt.
Es heißt ja auch »Selbstvermarktung« und nicht »Arbeits- oder Produkterstellungsfähigkeits-Vermarktung«.
Man soll halt seine eigene Haut zu Markte tragen, aber nicht seine Fähigkeiten, sein Können oder die Dinge, die man erstellt.
Im Grunde genommen vollkommen hirnrissig. Und natürlich wird die Käuferseite dabei kräftigst verarscht, denn letzten Endes kriegen sie unreifen Schrott angeboten, dafür aber mit einem gewinnenden Lächeln.
Ich habe übrigens schon seit längerem den Verdacht, dass ausschließlich diejenigen, die bereit sind, über Leichen zu gehen, Freunde zu verraten, Leute abzuzocken, sich brutalstmöglichst durchzusetzen und schlicht das »Recht des Stärkeren« anwenden, während sie sich grundsätzlich den Herren über ihnen andienen, schleimen und darmtauchen, am meisten Karriere machen.
Jemand ähnliche Erfahrungen gemacht?
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Es ist immer wieder sehr witzig zu lesen, dass Arbeitnehmer flexibel sein müssen, Firmen und Arbeitgeber allerdings nicht. Aber naja was sollen Berater schon anderes Erzählen. Wer bezahlt sie denn und wem reden sie nach dem Mund?
Nach Volker Pispers: »(Unternehmens-) berater sind wie Eunuchen, sie wissen wie es geht«.
Da kann man natürlich mit Selbstvermarktung kommen. Nach Leistung wird ja nicht mehr gefragt.