»Die Schere zwischen arm und reich klafft immer weiter auseinander«, ist ein beliebter Satz, auch und gerade von linken und progressiven Vertretern. Ich frage mich, gibt es auch nur eine Gemeinsamkeit zwischen Hedgefonds-Managern und Hartz4-Empfängern? Ist die Schere hier nicht die völlig falsche Metapher? Muss der Versuch, an die Solidarität und den politischen Willen von Reichen und Vermögenden zu appellieren, nicht zwangsläufig scheitern?
Der scheitert auch trotz Appell und Versuch, auf die Tränendrüse zu drücken.
Vorschlag für eine Gemeinsamkeit: Alle müssen einmal sterben.
Daran ändert auch Vermögen und Grundbesitz nichts bzw. deren Nichtbesitz.
In Kurzform: das letzte Hemd hat keine Taschen. Das hat die, die sich Taschen gerne füllen, aber auch noch nie gestört. Im Zweifelsfalle denken sie ›dynastisch‹.
Zur Eingangsfrage — was soll der Appell an Solidarität in einer Gesellschaft, die, widersinnig genug, Konkurrenz zu ihrem Vergesellschaftungsprinzip erkoren hat?
Wieso »im Zweifelsfalle«? Bestimmte Kreise denken quasi nur »dynastisch«. Die besonderen Freunde der FDP und CDU halten erben doch für eine »Leistung« — und unglaublich dreiste Form der »Mehrfachbesteuerung«, Erbschaften überhaupt anzutasten. Weshalb nach der VSt auch die ErbSt inzwischen zur hohlen sozialstaatlichen Fassade verkommen ist, die durch tausende Ausnahmeregelungen quasi gar nicht mehr erhoben wird. Früher ließen sich die Reichen in ihren Pyramiden mit ihren Schätzen einbuddeln. Heute wird er an die Brut weitergegeben. Der Reichtum in den Händen einiger Weniger kann sich ja überhaupt nur auf diese Weise derart konzentrieren...
Was die Solidarität betrifft — die ist tot. Hat spätestens doch der GDL-Streik ganz offen gezeigt. Es bräuchte eigentlich auch keine zwischen unten und oben, kann es eigenlich keine geben (da die Interessen zu gegensätzlich sind). Es bräuchte eigentlich nur eine zwischen unten und unten... Ein Klassenbewusstsein — doch alle belügen sich selbst, in dem sie sich in der »Mitte« einordnen und sich mantraartig selbst vorbeten, es »geht uns doch gut«! Genau da wird flankierend regelm. noch der Spaltkeil angesetzt. Siehe aktuell — da schreibt man vor »Rechten« auf TTIP-Demos (wie schon bei denen gegen den Ukraineputsch...) — und schon kommen alt-bewährte Mechanismen in Gang und es zerstreut sich.
Die da oben sind: tabu. Unantastbar. Siehe z. B. auch den aktuellen Beitrag auf ad sinistram.
@matrixmann
»Vorschlag für eine Gemeinsamkeit: Alle müssen einmal sterben.
Daran ändert auch Vermögen und Grundbesitz nichts bzw. deren Nichtbesitz.«
Gute Idee! Viele glauben immer noch, sie würden im Tod etwas »mitnehmen«. Selbst auf Friedhöfen wird das Klassenbewußtsein kultiviert: namenloses Sozialgrab vs. Mausoleum.
@Dennis82
»Die da oben sind: tabu. Unantastbar.«
Nicht nur unantastbar, sie sind auch unsere heimlichen Vorbilder. Auch endlich mal steinreich (und asozial) sein. Das wünschen sich nicht wenige und schauen schmachtend Filme, in dem der Geldadel vorkommt oder jemand durch Zufall »reich« wird.
Das Bild der Schere vermittelt, daß sich da auch wieder etwas schließen kann. Darin wäre die Hoffnung enthalten, daß die Unterschiede zwischen arm und reich auszugleichen wären oder gar eine reale Chance für das gemeine Volk bestünde, auf die andere Seite zu gelangen.
....wenn sich die Schere schliesst, muss dazwischen jedesmal der Hals eines dieser »Reichen« sein...
»Muss der Versuch, an die Solidarität und den politischen Willen von Reichen und Vermögenden zu appellieren, nicht zwangsläufig scheitern?«
Aber ja! – anders wird man doch nicht reich!
Reichtum Weniger ist die vorenthaltene Lebensqualität Vieler.
Selbst dann, wenn eine innovative, epochemachende Erfindung oder Geschäftsidee als das Fundament eines Reichtums qua Narrativ und Gründungsmythos kolportiert wird: als gäbe es nicht auch viele geniale Innovatoren, die bettelarm verstarben, weil ihnen
der Instinkt zur Ausbeutung ihrer Geistesblitze abging (der IMMER
die Bereitschaft zur gnadenlosen Ausbeutung der Mitwelt beinhaltet!).
@Epikur: Namenloses Sozialgrab? Ist auch eine Sprechblase. Hier im Osten wird ein namenloses Grab z.B. auf der Wiese nicht mit Sozialgrab übersetzt. Es ist vielfach üblich, auch für diejenigen, die etwas anderes bezahlen könnten. Aber das nur am Rande. Alles Andere kann ich sehr unterstreichen.
Jeder Appell an Moral und Ethik scheitert. Immer. Grundsätzlich. Mit dem Gegenteil käme man zumindest in Dosen weit schneller voran. Das entgegengesetzte Prinzip wird immer vergessen. Sag zu Dir selbst doch mal: »Habe gute Laune« und danach »habe schlechte Laune«. Was passiert? Welcher Spur folgst Du? Welche Emotion obsiegt wann?