Meine Wenigkeit steckt mitten in der Diplomarbeitsphase. Wenig überraschen wird es den einen oder anderen, dass sich mein Thema um den Bereich »Politik und Sprache« dreht. Da ich dadurch zwar etwas weniger Zeit zum bloggen habe, mich in den Themenbereich jedoch noch intensiver als ohenhin schon einlese, finde ich auch die eine oder andere Perle, die ich euch nicht vorenthalten will. Eine gute Einführung und Übersicht über gängige Sprachmanipulationen bieten: Wolfgang Beutin in »Sprachkritik-Stilkritik« und Wolfgang Bergsdorf in »Politik und Sprache«.
Ausgewählte Methoden der Sprachmanipulation sind zum Beispiel:
1.) Die Verbergung, Kaschierung und Beseitigung des handelnden Menschen in der Sprache. Dadurch treten Dinge, Handlungsergebnisse und Abstrakta als Satzsubjekte auf (z.B. »die Wirtschaft fordert«, »die Globalisierung erwartet von uns«). Politische oder wirtschaftliche Subjekte, der Urheber und die damit verbundene Verantwortung verschwinden und werden versteckt.
2.) Die Herabsetzung eines Sachverhaltes oder Begriffes, indem man ihm seine Menschlichkeit abspricht. Alle Metaphern, Wörter oder Satzkonstruktionen, die Menschen zu Dingen, Tieren oder Sachen reduzieren, fallen in diese Kategorie der »enthumanisierten Sprache« (z.B. »Sozialschmarotzer« oder »Parasiten«). Auch die Objektreduzierung des Menschen bzw. die Funktionalisierung des Menschen fällt in diese Kategorie. Menschen werden so nur noch als Teil eines größeren Apparates definiert und nicht mehr als Individuum mit Persönlichkeit und Charakter (z.B. »Verkehrsteilnehmer« oder »Arbeitnehmer«).
3.) Gesellschaftliche, politische oder ökonomische Vorgänge, welche nicht selten ideologisch belastet sind, werden mit Metaphern von Naturphänomenen beschrieben (z.B. »unsere Wirtschaft blüht«).
4.) Umdeutung und Schaffung von Begriffen zur Rechtfertigung und Legitimierung der herrschenden Zustände. Die immer noch auffälligste Umdeutung ist »Arbeitgeber« und »Arbeitnehmer«, welche ihrem Sinn nach umgedreht, d.h. den herrschenden Zuständen angepasst sind. Denn wer die Arbeitskraft eines anderen kauft, müsste richtigerweise »Arbeitnehmer« heißen und wer seine Arbeitskraft gibt »Arbeitgeber«.
5.) Die Reduzierung auf einfache, überschaubare Gegensätze und somit eine oft unzulässige Vereinfachung der wirklichen Situation (z.B. »Westen« — »Osten«). Auch die Vereinfachung, Schematisierung und Polarisierung als Mittel politischer Auseinandersetzung gehören dazu (z.B. »Freiheit statt Sozialismus«).
Natürlich gibt es hier unzählige weitere Techniken und Methoden, sich die Sprache im Sinne der eigenen Interessen gefügig zu machen, insbesondere in Politik und Wirtschaft.
;-)
Was ich immer schon sagen wollte — Du hast es soeben ausge
sprochenschrieben ...Besten Dank dafuer.
Arbeitnehmer / Arbeitgeber ... dieses Beispiel finde ich bemerkenswert. Es demonstriert in besonderer Weise wie eingeschliffen die umgedeutete Sprache schon ist.
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Alle Beispiele sind sehr gut. Sie zeigen sehr einfach wie unsere Sprache bereits manipuliert ist.
wow, das wird sicher interessant!
das über Arbeitgeber und Arbeitnehmer, habe ich mir noch nie Gedanken gemacht.
einer, der mit der Sprache in der Politik viel herumjonglierte war Jörg Haider. Er hat viele Worte in der österreichischen Politik geprägt oder war Ausgang von Wortschöpfungen.
siehe hier: http://www.nlp.at/hl/
Hey Willkommen im ZG-Blog »weltbeobachterin« :)
Ich kenn mich in der österreichischen Politik zwar sehr wenig aus, aber der Demagoge Haider ist selbst mir ein Begriff. Und Demagogen verdrehen die Sprache ja gern mal zu ihren Zwecken.
Die Umdeutung von Arbeitgeber/Arbeitnehmer scheint viele überrascht zu haben. Ich persönlich finde den Vortrag »Wirtschaft neu denken« von Prof. Dr. Götz E. Rehn, Gründer von alnatura, mit seinen Gedanken zu den beiden Wertbildeprozessen in der Wirtschaft interessant. Einerseits Geist auf Arbeit, andererseits Arbeit auf Natur.
»Wirtschaft neu denken« von Prof. Dr. Götz E. Rehn
Ein Auszug:
»Die Uridee ist das Gegenstrom-Prinzip, wie es Rudolf Steiner im National-ökonomischen Kurs beschrieben hat. Dort zeigt er auf, wie Sie alles, was Sie an wirtschaftlichen Phänomenen beobachten können, letztlich zurückführen können auf die Wirksamkeit von zwei unterschiedlichen Wertbildeprozessen. Einerseits wenden Sie Arbeit auf die Naturgrundlage an, verwandeln die Natur. Das machen Sie ja in der Wirtschaft, Sie wenden Ihre Arbeit darauf an, um die Äpfel vom Baum zu holen, sie in Kisten zu bringen und dann auf den Markt zu fahren. Oder sie in einer Maschine zu Apfelmus zu verarbeiten, ins Glas zu verbringen und in einen Laden zu verfrachten über den Großhandel. Aber während dieses Prozesses gibt es einen zweiten Prozess, der ganz anders beschaffen ist. Mit Ihrem menschlichen Geist leiten, steuern, gestalten Sie die Arbeit. Zum Beispiel, indem Sie den Arbeitsprozess teilen, organisieren und koordinieren. Indem Sie das, was Sie früher allein gemacht haben — jeder hat seinen Apfelbaum gepflückt — jetzt aufteilen auf mehrere. Der eine stellt die Leiter an, klettert hoch, sitzt auf dem Baum und pflückt die Äpfel und tut sie in die angereichten Behältnisse. Der zweite transportiert sie ab, der dritte sortiert sie aus und bringt sie in Kisten. Und das Ergebnis ist, dass in der gleichen Zeit 40, 50, 60, 100 % mehr Äpfel geerntet werden können. Das besondere — und darauf will ich hinweisen — ist, dass diese beiden Wertbildeprozesse, also Arbeit auf Natur und Geist auf Arbeit anzuwenden, sich gegenseitig entwerten. Je mehr Geist Sie anwenden, umso mehr Arbeit an der Naturgrundlage sparen Sie.«
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Vielleicht führt dich die Diplomarbeit ja auch zum Euphemismus. Ich halte das für ein sehr häufiges Mittel heutzutage. Das erklärt auch die häufige Reaktionsweise des Zynismus.
@romano:
Jap. Der Euphemismus (beschönigen, verschleiern) als Sprachmethode wird oft verwendet und ich erwähne ihn auch in der Arbeit.
Der oft verwendete Slogan vom »Umbau des Sozialstaates«, welcher eigentlich den »Abbau des Sozialstaates« meint, ist ein typischer Euphemismus.
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Umdrehung Arbeitgeber Arbeitnehmer. Sehe es zwar auch so, nur leider stimmt diese Ausage nicht ganz.
»«»Denn wer die Arbeitskraft eines anderen kauft, müsste richtigerweise »Arbeitnehmer« heißen und wer seine Arbeitskraft gibt »Arbeitgeber««««
nein der müsste Nicht fälschlicherweise Arbeitnehmer heißen sonder Arbeitskrftnehmer. Ein kleiner aber feiner Unterschied.