Ich muss zugeben, ich bin ein Einkaufsneurotiker. Ich bin ein unfreundlicher Konsument. Mir fällt es verdammt schwer, jemand fremdes anzulächeln, der automatisiert lächelt und den Kunden am Tag über hundert mal einen inhaltsleeren-Plastik-»Schönen Tag noch« wünscht. Den Kassierern ist auch kein Vorwurf zu machen, es ist schließlich ihre Lohnarbeit und sie werden dazu gezwungen angehalten. Warum aber, soll ich als Konsument, diese ganze scheinheilige, verlogene »Bitte Lächeln«-Heuchelei mitmachen?
Während das »schönen Tag noch« vom Lohnsupermarktfacharbeiter unpersönlich ist, da standardisiert, muss man mein nicht vorhandenes Lächeln doch auch nicht persönlich nehmen, oder? Ich möchte gerne lächeln, wenn mir danach ist, wenn ich mich gut fühle und nicht, wenn es von mir erwartet wird! Soll das nach jedem Brot‑, Belag- und Getränkekauf so sein? Damit ich nicht falsch verstanden werde: ich habe nichts gegen freundliche Menschen. Ganz im Gegenteil. Aber diese scheinheilige, gekünstelte, unaufrichtige, geheuchelte Schein- und Schleimfreundlichkeit im Dienste des Geldherren widert mich an. Authentische Unfreundlichkeit ist verlogener Freundlichkeit vorzuziehen.
Supermarktverkäufer dieser Welt, ihr müsst mich nicht anlächeln, auch wenn euer Chef euch dazu zwingt. Wenn euer Job euch ankotzt, dann lasst es raus. Ich fühle mich nicht beleidigt, wenn Ihr nicht lächelt. Ich kann euch sogar verstehen. Wir sind Menschen und keine Kapitalismus-Roboter.
Geht mir genauso. ;) Leider sehen es nur wenige so (erst letztens genau dazu ein frustrierendes Gespräch miterlebt), denn wenn der unkritische Konsument wenigstens etwas haben will, dann gerade genau dieses künstliche Lächeln und fröhlichsein. Ich verstehe eh schon mein ganzes Leben nicht, warum sich überhaupt jemand auf Höflichkeitsfloskeln was einbildet — sind sie doch nichts anderes als Alltagslügen. Aber wehe, die Fleischereifachverkäuferin hat mal einen schlechten Tag und hat ihr Dauergrinsen einmal daheim gelassen und legt die Wurst nicht liebevoll auf die Waage, sondern klatscht sie nur drauf. »Achgott, wie unfreundlich die doch ist, also Nein... ich kaufe was, also möchte ich wengistens freundlich bedient werden«. Also: Mir doch egal, dass die für 6,32 Euro die Stunde da hinterm Tresen steht und von Ihrem Chef dauernd angepflaumt wird, das Leben sei schließlich kein Ponyhof.
Eigentlich ist auch dieses ständige, allgegenwärtige gute Miene zum bösen Spiel machen ein Grund dafür, warum der Kapitalismus nicht als das begriffen wird, was er ist. Würden wir alle offen zeigen, was für eine Scheißlaune wir eigentlich haben... dann würden wir merken, dass wir nicht alleine sind. So aber ist ja alles in Butter: Wenn alle immer so schön lächeln.
Aber ich bitte Euch, glaubt einem alten erfahrenen Mann! Selber freundlich zu sein besonders gegenüber Verkäuferinnen/Verkäufern, Kassiererinnen und Kassierern, Bedienungen beiderlei Geschlechts und sonstigen ausgebeuteten Menschen kostet nichts.
Schlechte Laune geradezu einzufordern als Ausdruck von Authentizität und Kapitalismuskritik scheint mir kindisch.
Die miese Laune ist doch genug verbreitet. Seht Euch doch um in den Innenstädten. Auch wenn mir professionelles Gegrinse auf den Senkel geht, Unfreundlichkeit tut es noch mehr. Höflichkeitsfloskeln mögen Lüge sein, machen den Umgang zwischen uns abhängig Beschäftigten (und auch Nichtbeschäftigten) aber angenehmer und sind selbstverständlich keine Verbeugung vor dem Kapital! Den Filialleiter könnt Ihr ja immer noch anknurren...
Enthusiastische Zusimmung für Frans B.!
Lächelstreik als ultimative Kapitalismuskritik?
Pampig, patzig, unhöflich sein — weil wir schließlich ein Recht auf unsere schlechte Laune haben? Kommt mir extrem kindisch vor.
Das Leben ist doch schön — und viel zu kurz für meinen Geschmack. Warum soll ich meine knappe Zeit mit Unfreundlichkeit vergeuden? Würde ich mich denn wohler fühlen, wenn ich das »Schönen Tag noch« der Lidlkassiererin ins Leere laufen lasse und mich brüsk abwende, um stumm und unwirsch meine Einkäufe rauszukarren? Keineswegs. Würde es der Lidlkassierein besser gehen, wenn sie uns allen ihren Frust über schlechte Bezahlung, Schichtarbeit und Stress offen und ehrlich zeigen würde? Wohl kaum. Also, was soll’s?
Mein Lächeln ist authentisch, denn ich sehe in der Kassiererin eine nette Frau, die einen anstrengenden Beruf ausübt. Ich bewundere das, und mir bricht wahrhaftig nix ab, wenn ich ihr das offen zeige.
Ich mache mir einen Spaß daraus, z.B. eine Kassiererin im Supermarkt zu einem Lächeln zu bringen. Es bringt absolut nichts, unfreundlich zu sein. Genau genommen verderbe ich mir selbst den Tag, wenn ich gegenüber Verkäufern unfreundlich bin.
Außerdem sind Höflichkeit und Freundlichkeit wesentliche Schmiermittel der Zivilisation. Es geht zwar auch ohne, aber es kostet sehr viel mehr Mühe. Ich bewundere und respektiere jeden, der 8 und mehr Stunden am Tag gezwungen ist, freundlich zu sein. Da ist es das mindeste, wenn ich es auch bin.
Ich kann Frans B und Saby nur zustimmen.
Eigentlich wollte ich einen (ausführlicheren) Kommentar schreiben. Nach lesen der Kommentare jedoch nur dies:
Volle Zustimmung Frans B!
Selbst Verkäufern die miesepetrig daher kommen schenke ich ein Lächeln und einen »Schönen Tag!«. Denn jeder Mensch hat zunächst einmal Respekt verdient.
Sorry aber da kann ich der Saby und Frans B. nur Zustimmen. Die haben vollkommen Recht. Freundliche Menschen sind nun mal gern gesehener, als grimmige und schlecht gelaunte. Niemand hört sich gerne das Gejammer von anderen an. Das ist nun mal so. Oder liebst du Menschen, die den ganzen Tag nur am rummeckern sind? Glaub ich nicht.
Sorry aber da kann ich der Saby und Frans B. nur Zustimmen. Die haben vollkommen Recht. Freundliche Menschen sind nun mal gern gesehener, als grimmige und schlecht gelaunte. Niemand hört sich gerne das Gejammer von anderen an. Das ist nun mal so. Oder liebst du Menschen, die den ganzen Tag nur am rummeckern sind? Glaub ich nicht. :nene:
Es geht hier, soweit ich das verstanden habe, nicht darum, kategorisch unfreundlich zu sein, sondern um die Legitimität, schlechter Laune, unmotiviert oder lustlos zu sein und dieses nicht verstecken zu müssen, da auch dies zum Spektrum unserer Gefühle gehört. Epikur bringt m.E. sein Bedürfnis nach Authenzität zum Ausdruck, was ich durchaus nachvollziehen kann; allein wenn ich mich in die Rolle des angepissten Verkaufsmenschen hineinversetze, würde ich mich mit festgetackertem Plastikgrinsen nicht besser fühlen. Dehnte ich den Zeitraum aus, in dem ich mich zu gekünsteltem Gegrinse und Geschnacke zwingen muss, würde ich mir ernsthaft Sorgen um meine seelische Gesundheit machen.
Um nicht falsch verstanden zu werden: Es macht mir Spaß, freundlich, zuvorkommend und dabei locker zu sein und durch ein paar geschickt gewählte Worte VerkäuferInnen sowie alle anderen Menschen zum Lächeln zu bringen, aber ich habe auch Verständnis dafür, wenn sich jemand mir gegenüber Stress, Genervtheit oder schlechte Laune anmerken lässt, weil ich für mich selber auch das Recht haben will, schlechter Laune zu sein.
Wer noch nicht überzeugt ist, darf sich gern mal »Die Kunst des negativen Denkens« ansehen.
Ehrlich gesagt freue ich mich, wenn mir wenigstens irgendjemand noch einen schönen Tag wünscht... aber ich merke natürlich immer, wenn ich ehrlich zurückgrüße, dass die Verkäuferin eigentlich total angepisst ist ^^
Ich fühle mich dann auch immer ganz schlecht und frage mich, wie ich diese Menschen aufheitern könnte... geht wohl nicht... die haben einfach zuviel Stress...
Um Gottes Willen. Programmierte Freundlichkeit oder programmierte Miesepetrigkeit? Was denn nun? Mein Gott. Nichts davon ist authentisch. Es geht auch nur darum, dass auch eine Verkäuferin das Recht darauf hat authentisch zu sein. Und wenn sie nu mal miese Laune hat, soll sie das verdammt auch noch mal zeigen. Ich tu das auch. Alles andere ist nicht echt. Muss doch nicht gleich in Aversionen enden. Oder darin, jemanden an zu maulen. Einfach nur der sein, der man ist. Da gibts kein Rezept für. Aber jemanden dazu zwingen nicht authentisch zu sein, — ist einfach ein Verbrechen. Diese Übersenbilisierung, dass sich jeder fragt, was denn der andere von einem hält, kommt doch nur daher. Dahinter steckt nichts anderes als die Frage, — Komme ich gut an? Daraus auch noch Verkaufs-Management für alle zu machen, ist einfach nur noch perfide.
Wurde auch mal dumm angepflaumt als ich keine Happy digits, Kunden‑, Rabattmarken oder anderen Fickfuck haben wollte und meine PLZ wollte ich auch nicht nennen sondern einfach nur ein Produkt käuflich erwerben.
Ich bin halt schwierig.
Ein Text, der mir aus der Seele spricht — zumal ich, als genervter Kunde, diesen Satz sogar noch hörte als es mir, und meinen nahen Angehörigen, wegen des leidvollen Krebstodes unseres Vaters, dreckig ging — 2006.
»Schönen Tag noch....« ist ein zynischer Satz, wenn man wirklich keinen schönen Tag mehr — wie wir seit dieser Zeit- erlebt hat.
Ich hab echt schon überlegt, die so einem Verkäufer/einer Verkäuferin entgegenzuschleudern, aber es dann doch gelassen, da die, wie Du völlig richtig schreibst zur Freundlichkeit gezwungen werden — Die müssen immer freundlich sein, und zwar ohne auf die momentanen Befindlichkeiten der Kunden Rücksicht zu nehmen.....
Trauriger Gruß
Bernie
Ich weiß ja nicht wo ihr alle einkaufen geht. Ich kenne das nicht. Die sagen alle ganz normal Guten Tag/Hallo und Tschüss (auch nicht immer), und am WE noch ein schönes WE eben. Mir kommt das nicht aufgesetzt vor. Klar sollen die das sagen, aber grinsen tuen da die wenigsten. Meistens nur wenn sie wirklich gut gelaunt sind.
Naja, der Epikur verkehrt halt in gehobenen Kreisen, da haben die Angestellten das Grinsen schon eingebaut.
:mrgreen:
Schließe mich jtheripper an: Die Angestellten, mit denen ich beim Einkaufen normalerweise zu tun habe, kommen mir ziemlich normal/authentisch vor. Und weil ich in der Regel freundlich auf Menschen zugehe, werde ich in der Regel auch nicht unfreundlich behandelt. Ich finde allerdings auch, dass eine Einkaufs-/Restaurant-/Dienstleistungssituation der falsche Ort ist, um sein momentanes Innenleben zu Markte zu tragen.
Mir scheint diese programmierte Freundlichkeit mit runterzuspulenden Textbausteinen eine Modeerscheinung gewesen zu sein, die sich weitgehend erledigt hat — außer vielleicht noch bei Amiketten. Aber da weiß ich nicht, wann ich das letzte Mal so einen Laden betreten habe — nicht zuletzt, weil ich mich unter Grinserobotern eher unwohl fühle.
@epikur, alle anderen
Hier mal was zum Schmunzeln, dass genau zum Thema »Einkaufsneurose« paßt:
»[...]Helmut Schleich — Die Freundlichkeit heutzutage... [...]«
Quelle:
http://www.youtube.com/watch?v=0cPkUuRWadU
Freundlichkeitsterrorismus
nennt das der Kabarettist Helmut Schleich bei »Ottis Schlachthof« mit Ottfried Fischer..... *grins*
Ich hab mich gekugelt vor Lachen *grins*
Seht es euch aber selbst an.....
Amüsierte Grüße
Bernie
PS: Der Kabarettist ist auch schon öfters in meiner Lieblingssendung mit Urban Priol aufgetreten, zu anderen Themen — »Neues aus der Anstalt«, und hat auch schon den Papst zum Kugeln nachgeäfft — Hier z.B. in »[...]Helmut Schleich als Papst Benedikt XVI[...]« — http://www.youtube.com/watch?v=YEpg7twla0M&feature=related *grins*
Je größer die Stadt und je größer die (Bäcker, Supermarkt, ...) Kette desto standardisierter die Freundlichkeit — das ist wohl so. Bei einem Bäcker meiner Wahl entstand kürzlich neben dem Verkaufswortwechsel noch ein kurzes Gespräch mit echtem Lächeln, dementsprechend freundlich war die Verabschiedung. Die Verkäuferin spulte dann aber zusätzlich die antrainierten Floskeln ab, ich begann zu antworten ... wir schauten uns an und brachen in lautes Lachen aus. Das passiert zu selten, die antrainierte Freundlichkeit überlagert die Möglichkeit an echter Freundlichkeit.
Mir geht es weder um eine Befürwortung bzw. Forderung von Freundlich‑, noch Unfreundlichkeit. El Squid und Antiferengi haben es gut zum Ausdruck gebracht, worum es mir in dem Text ging: um die Legitimität der Authentizität. Genau die ist aber mittlerweile selbst Verkaufsargument. Es gibt nicht wenige Bücher und Workshops: »So wirken Sie authentisch« — Authentizität als Verkaufsargument.
Wer ist wirklich noch er/sie selbst? Die Selbstentfremdung und Fremdbestimmung durch die Lohnarbeit geschieht langsam und schleichend.
hmmm. Nur damit ich jetzt nicht falsch verstanden werde: Natürlich hat es was mit Höflichkeit zu tun, anderen grundsätzlich freundlich entgegenzutreten. Es ging mir darum, dass auch Verkäufer und andere mit Kundenkontakt ein Recht haben sollten, mal eben nicht mit diesem festgetackerten Lächeln an der Kasse zu sitzen; mich auch mal richtig pampig bedienen zu dürfen. ;) Und wie auch angesprochen wurde — ein salopp dahergesagtes »schönen Tag noch« kann auch sehr verletzend wirken, wenn es in der falschen Situation ausgesprochen wird (Tod, Krankheit, Kündigung, Scheißtag etc.) — und ist streng genommen dann auch unhöflich. Deshalb verwende ich z. B. solche Floskeln gegenüber Fremden grundsätzlich nicht und verlange dies auch nicht von anderen; ein freundliches Tschö reicht mir!
Man verwechsle NIEMALS Höflichkeit mit Freundlichkeit.
Das ein kann man kniggen, das andere ist unbezahlbar!
Jeder, der Umgang mit Menschen hat, wird zur Freundlichkeit angehalten.
Wenn der Frust rausgelassen wird, sieht der Tag so aus:
Morgens zum Friseur, ein verkniffenes Gesicht fragt: was soll´s sein?
Danach zum Einkauf: An der Kasse ein Neutrum, das nur sagt: 11,80
Ab nach Hause, der Handwerker kommt: Mies drauf fragt er: wat denn, schon wieder kaputt?
Ach ja, einen Arzttermin habe ich ja auch noch: Eine Schwester, runter gezogene Lippen, fragt: Die Karte?
Abends gemütlich essen gehen: Ein Ober, sauer, weil er so spät noch arbeiten muß: Komme gleich.
Alles ohne Lächeln, ohne Guten Tag, ohne schöes WE!!
Wie mies muß ich mich nach so einem Tag fühlen? weil ich eigentlich gut drauf war.
Dann lieber sogenanntes »geheuchltes« Lächeln
»[...]Dann lieber sogenanntes »geheuchltes« Lächeln[...]«
Zur Therapie empfehle ich:
»[...]Helmut Schleich — Die Freundlichkeit heutzutage... [...]«
Quelle:
http://www.youtube.com/watch?v=0cPkUuRWadU
Amüsierte Grüße
Bernie