Zwei Welten (2)

Es ist bezeichnend, wie stark das Lager- und Haltungsdenken die Menschen mittlerweile infiziert hat. Als ich das »Kerngesund«-T-Shirt vor Jahren gekauft hatte, war klar, wie das »gemeint« ist. Es sollte ein sarkastisches Statement in Bezug auf die Atomkraft-Befürworter sein. Spätestens seit Tschernobyl und Fukushima sollten alle wissen, wie gefährlich radioaktive Strahlung und Kernkraftwerke sind. Es war also ein durch und durch »grünes T‑Shirt«, wenn man so will. Im Jahr 2024 jedoch, erzeuge ich damit immer wieder Verunsicherung.

Als ich vor einiger Zeit unterwegs war, sprach mich ein junger Bio-Öko-Typ auf das Shirt an: »Wie ist das denn genau gemeint?« Ich antwortete nur, dass ich »kerngesund« sei. Vermutlich dachte er, ich wäre ein Atomkraft-Befürworter und würde zynisch ausdrücken wollen, dass mir Radioaktivität nichts anhaben könne. Es gab noch mehr solcher und ähnlicher Situationen. Jedesmal ging es darum, abzuchecken zu welchem »Lager« ich denn eigentlich gehören würde. Überhaupt scheint »Einordnung« heute wichtiger zu sein, als jedes Argument.

Es gibt ganz offensichtlich nur noch wenig Gelassenheit und Humor in der deutschen Gesellschaft. Man sieht nur noch Freunde oder eben Feinde um sich herum. Ungesunde Spannungen sowie emotionale Befindlichkeiten beherrschen den Alltag. Feine Nuancen, bittere Ironie sowie das Ertragen-Können von Grautönen, konnte der gemeine Deutsche noch nie besonders gut. Heute noch viel weniger als vor einigen Jahren. Auch an dieser Front haben Politik und Medien, durch die C‑Maßnahmen, sehr viel kaputt gemacht.


Zwei Welten (1)

7 Gedanken zu “Zwei Welten (2)

  1. Vielleicht ist ja das weniger missverständlich, ohne den Galgenhumorfaktor zu vernachlässigen ;-)
    Hab leider noch nirgends solche leeren Fässer zu kaufen gefunden. Fahrradanhänger ist schon vorhanden (selbstgebaut als Student, als ich gerade mal kein Studierender war };->), Sollte an einem Tag wie heute, mittags auf dem Wochen- oder beim Supermarkt beim Einkauf der Hingucker sein. Und dann nonchalant den Deckel öffnen und den Einkauf darin verstauen.

    ALF: Halt das mal Willie
    Willie: Was ist das?
    ALF: Ach, das ist nur ein bisschen Atommüll aus meinem Raumschiff ... He, keine Sorge. Das Leben auf diesem Planeten wird weitergehen solange der kleine Deckel nicht aufgeht ... Ah, Glück gehabt. Es sind nur meine Buntstifte
    (youtube-Link)

  2. »nur noch wenig Gelassenheit und Humor in der deutschen Gesellschaft«
    Gebt dem Cetzer das Kommando und ihr werdet in Grund und Boden gelacht — Und wenn ich mit der Stahlrute nachhelfen müsste...
    Im Ernst haben eben langsam aber sicher die Großen Verteilungskämpfe begonnen; Die locker-flockigen Regeln der ablaufenden Schönwetterperiode gelten nicht mehr und damit schrumpft auch das Humor-Arsenal des »Gemeinen Deutschen« auf
    (Böhmermann + Scholz) — (Scholz + Böhmermann ) = 0.

    Zum T‑Shirt: Demnächst Biohazard¹ (Pfaffenpocken ?) und drunter: Kernseife

    @orinoco:
    If I had a steeldrum
    I’d paint it in the morning
    I’d paint it in the evening
    All over Deutschland
    I’d paint it black
    I’d paint it yellow
    All over Deutschland
    I’d fill it in Ahaus
    I’d fill it in Biblis ...

    ¹ https://de.wikipedia.org/wiki/Biogef%C3%A4hrdung

  3. »Überhaupt scheint »Einordnung« heute wichtiger zu sein, als jedes Argument.«
    Kann man wohl sagen. Jetzt waren Vertreter des grünen Milieus noch nie nobelpreisverdächtig wenn es um Humor und (Selbst-)Ironie geht, zum Glück gibt es auch andere, die aber nicht die Richtung der Ökobewegung bestimmen.
    Heute ist das überall schlechter geworden und wirkt sich besonders aus wenn es ohnehin von niedrigem Niveau kommt.
    Was würden heute viele Ökos sagen zum verstrahlten Opa aus dem Scheibenwischer der 80er-Jahre, der in der Sendung als Sondermüll entsorgt wurde- was übrigens den Bayerischen Rundfunk dazu brachte, mitten in der Sendung auszusteigen...
    Immerhin, die allgemeine geistige Verknöcherung bietet wieder neue Spielräume zur kreativen Provokation.

  4. Es waren ja nicht nur Politik und Medien, die das verursachen. Jede westlich geprägte Nation hat damit zu kämpfen, mit der Schwarz/Weiß-Denke. Letztlich bestimmt dann sicher noch die Mentalität darüber, wie schlimm es ausufern kann. Vielleicht sind wir ja wirklich schon immer so gewesen, dass von uns die stärkste Gefahr ausgeht, wenn eine Ideologie die Oberhand über Vernunft und Ironiefähigkeit gewinnt. Diese seltsame, aber auch gefährliche Mischung aus Duckmäusertum und vorauseilendem Gehorsam macht uns dann irgendwann zu moralischen Vorreitern, die andere schon wieder ablegen, weil sie es im Nachgang als nicht weiter unterstützenswert betrachten.

    Vielleicht kennt noch jemand den Film/das Theaterstück »Eine Frage der Ehre«. Wenn man die Figuren darin einer Nation in der Realität und Deutschland darin wiederfinden will, sehe ich uns immer in der Rolle des Angeklagten Downey. Er wirkt so bedauernswert naiv, bis zum Schluss eine Welt für ihn zusammenbricht. Aber er hat massiven Schaden angerichtet, weil er sein Handeln nicht hinterfragt hat.

    Dasselbe passiert gerade dem Links-Mitte-Komplex. Er hat bis heute nicht kapiert, für was er mal stand und wie er das heute mit Füßen tritt. Alles, was wir als progressiv empfanden und wofür wir gekämpft haben (Atomkraft, nein danke), ziehen sie zwar durch, aber vergessen, dass wir heute so viel Energiebedarf haben, dass die Idee erst mal verschoben werden sollte. Jetzt müssen wir um Flatterstrom und teure Zukäufe bangen.

    Wir schelten ja oft über die Grünen, das aber auch nur wirkkräftig durch unsere Anliegen von unten her. Die Grünen (auch die SPD) haben aber das System und wie man es profitabel benutzt, sehr gut verstanden. Sie haben nicht das getan, was man damals von ihnen erwartet hatte. Sie haben sich innerhalb der Blase das zu eigen gemacht, was im globalen Umfang sie selbst erhält — indem man Lobbyismus betreibt, um die Rahmung der Politikgestaltung zu verfestigen. Also dass man nur Schachfiguren an die richtigen Stellen setzen muss, »egal, was der Wähler sagt«. Und sie haben ja auch »fähige Köpfe in der Wirtschaft, in Gerichten« (etc.) gesetzt, die ihre Agenda unterstützen. Das ist keine naive Ideologie oder Verschwörung im klassischen Sinne, es ist schlicht Machtplan und wie man ihn ausführt. Das hat man wunderbar von der CDU gelernt, die lange federführend war, jetzt hat man es geschafft, sogar die Partei vor sich herzutreiben. Deswegen denke ich, wird man uns auch weiter nicht erhören, weil es unwichtig für ihren Weg ist. Die paar Messerstecher oder sonstige Störenfriede wischt man mit den Köpfen an entsprechenden Stellen irgendwie weg. Egal, ob mit warmen Worten oder aggressiven Mitteln.

    Wir nehmen das von unserer Sparte aus als dümmlich wahr, nur sehe ich das als wohltemperiert und dass man auf unserem Niveau nicht mit uns umgehen muss. Diese Abgehobenheit schlägt alle unsere Befindlichkeiten, und es ist ein spielerischer Umgang mit unserer Unbedarftheit. Natürlich gibt es Faktoren, die stören. AfD, BSW nur als Beispiel. Die sind so etwas wie die unverbogenen Kräfte im System, die die Geheimniskrämerei noch offenlegen. Und deswegen werden sie auch so massiv angegangen.

    Zum Thema T‑Shirt noch ergänzend: Ich laufe momentan gerne mit einem »Volksfront von Judäa«-Shirt rum. Klar, wenn man den Film kennt, wird man es als Fankult sehen. Heute passt es aber wunderbar als Statement gegen Pseudolinks, und zwar in der maßgeblichen Aufstellung und der Widersprüchlichkeit. Samt Geschlechterdebatte und so. Ich weiß nicht, ob das jemand so wie ich versteht, aber wenn nicht, dann finden sie den Film auch nicht witzig. Wie so vieles heutzutage.

  5. @Sascha

    Ich kann das nicht oft genug sagen: was die Mitte-Links-Fraktion absolut nicht sehen will, ist, dass ihre Zeit bald abgelaufen ist. Spätestens im Herbst 2025.

    Dann wird der ganze autoritäre Repressionsapparat, den sie so genüßlich aufgebaut haben (Meldestellen, Online-Zensur, Cancel-Culture, Bankkonto-Kündigung, Klagen etc.), gegen sie aufgefahren werden. Ob CDU, FDP oder AfD — sie alle freuen sich über den roten Teppich, der für sie ausgelegt wurde.

    Die Mitte-Links-Fraktion wird dann aus der täglichen Empörung nicht mehr rauskommen und nur noch »Faschismus!« schreien. Das sie ihn selbst aufgebaut haben, will dann Niemand mehr wissen.

    EDIT: Hier bekommen sie einen kleinen Vorgeschmack auf ihre jahrelange Cancel-Culture-Medizin. Da ist die Empörung natürlich groß.

  6. @Sascha
    Stimme in vielem zu, der Krug geht aber auch solange zum Brunnen bis er bricht.
    In Frankreich hat das zum »Schreddern des Parteiensystems« geführt (phoenix), da war dann nicht mehr viel mit auch nur wenigen Posten die es zu erhaschen gab.
    Auch bei uns ist eine solche Entwicklung jetzt möglich, durch das Auftreten einer linken Möglichkeit zu schreddern, die Rechten können das nämlich nicht alleine. Womöglich ist das auch ein Grund für das bisherige Gefühl der Selbstsicherheit, das sich jetzt aber als trügerisch erweisen kann.
    Auch die Union sollte sich da nicht zu sicher fühlen, die AfD kann Teile ihrer Wähler nicht erreichen die gefestigt konservativ denken, das BSW hat aber auch konservative Inhalte im Angebot...
    Die »Volksfront von Judäa«, die erbittert kämpft gegen die »judäische Volksfront« wegen Lächerlichkeiten, ist meines Wissens eine Parodie auf die kommunistischen Kräfte der 70er, die sich in der Bedeutungslosigkeit gegenseitig an die Gurgel gingen, ebenfalls wegen Kleinigkeiten.
    Eine Tendenz die man zunehmend beobachten kann bei der Idenditätspolitik...

  7. soweit ich das überblicke, ist das hier schon wieder recht weit vom ursprünglichen Thema weg, also kann ich dabei auch weitermachen.

    D muss sich dran gewöhnen, dass es keine politischen Konstanten gibt. In den meisten europäischen Ländern herrscht eine wesentliche grössere Dynamik, Parteien kommen und gehen wieder, die Zersplitterung der politischen Landschaft gehört mit zum Spiel.

    Italien spielt dieses Spiel seit Jahrzehnten, es gibt schon lange keine PCI und keine DC mehr, die beiden grossen Antagonisten des Kalten Kriegen.
    In der Slowakei existieren nur noch einige wenige Parteien, die damals bei den ersten unabhängigen Wahlen 1994 angetreten sind; die beiden christkonservativen Parteien haben sich selbst demontiert, neoliberale Radikalos kommen und gehen seit 20 Jahren und sogar die Postfaschisten haben sich innerhalb einer Legislaturperiode im Nationalrat von selbst wieder auf nicht relevante Zahlengrössen reduziert.

    Warum klammert man sich in D so sehr daran, dass es Politik nur als absolute Mehrheit oder Zweierkoalitionen geben kann?

    In anderen Ländern wird seit Ewigkeiten mit wechselnden Mehrheiten und Minderheitsregierungen gearbeitet und das nicht mit wesentlich mehr oder weniger Inkompetenz als in D.

    Eigentlich ist das deutsche Problem kein Problem der Politik selbst, sondern es ist dem Umstand geschuldet, dass all die schönen Phrasen, die die deutsche Politik idealiter beschreiben, keine Gültigkeit haben.

    - Parlamentarierer wären lt. GG einzig ihrem Gewissen verpflichtet, aber es gilt der Fraktionszwang.
    — die Eidesformel der Regierung, dem deutschen Volk zu dienen, scheint geradezu als Aufforderung aufgefasst zu werden, dem Volk zu schaden, weil jemand wie Habeck schon das Präfix ›Volk-‹ als Begrifflichkeit den 12 dunklen Jahren deutscher Geschichte zuschreibt.
    — Postenbesetzung erfolgt überall alleine aufgrund ideologisierter Quoten, aber nicht auf Basis fachlicher Qualifikation und Kompetenzen. Hier kann man wirklich von einer Kakistokratie, einer Herrschaft der Schlechtesten und Unfähigsten sprechen.
    — die deutsche Politik hat sich in den letzten 20–25 Jahren nicht nur in bekloppte Ideologien verrannt, sie hat sich derart in diesen Ideologien verbarrikadiert, dass sie heute nicht mehr imstande ist, ohne Gesichtsverlust dort wieder rauszukommen.

    Anstatt endlich die Realitäten zu erkennen und damit zu arbeiten, werden diese Realitäten weiter verleugnet, man hat die Entwicklung auf allen Feldern derart weit getrieben, dass es keinen Weg zurück mehr gibt, man kommt aus der Ukraine- und Israelpolitik nicht mehr raus, man hat sich heillos in den Coronanarrativen verheddert, man hat die Energie- und damit die Wirtschaftspolitik total verkackt — wegen einer ideologisch vernagelten monothematischen Erzählung vom Klimawandel, die derart intelligenzbeleidigend ist, dass sie nur noch mit grösster Mühe und wildester Rabulistik irgendwie aufrechterhalten werden kann.

    Alles ist nur noch eine Fassade, von der eigentlich alle sehen wie überall der Putz runterkracht, aber solange die Gatekeeper so tun als wäre das nicht so, lassen sich weiterhin alle anderen zum Narren halten. Und die wenigen, die trotz allem die Tatsachen benennen, werden von einer auf Willkür getrimmten Justiz mundtot gemacht. Diese Liste wird auch immer länger, bekanntlich hat’s gerade als letztes Hoss & Hopf getroffen — wegen ›Deadnaming‹ — weil man im besten Deutschland aller Zeiten biologische Fakten nicht mehr benennen darf.

    Eigentlich bin ich von der CH aus nur Zuseher und könnte mich darüber köstlich amüsieren, aber leider schwappt all der Mist aus D einige Wochen später in die CH rüber. Auch hier bei uns werden mittlerweilen Eltern vom Staat ihre 13-jährigen Töchter weggenommen, weil diese sich weigern, ihrem Kind Pubertätsblocker verschreiben zu lassen.

    Und um vielleicht doch noch aufs Ursprungsthema zu kommen:

    Sicherlich ist es heute so, dass viele intellektuell nicht mehr imstande sind, zwischen den Zeilen zu lesen und eine Botschaft wie besagtes ›Kerngesund‹ zu verstehen. Allerdings kommt auf jeden Fall dazu, dass sich diese aufokroyierten überspitzten Befindlichkeiten schon extrem verstetigt haben, weswegen alle auf Zehenspitzen unterwegs sind um bloss niemanden vor den Kopf zu stossen, zu triggern oder vielleicht gleich mit einem Bein im Knast zu stehen, ist ja alles möglich mittlerweilen.

    Unsere Gesellschaften sind zu einem einzigen riesigen Narrenhaus verkommen.

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