Propaganda (9)

Ursula von der Leyen (Audiovisual Service website of the European Commission and is licensed under the Creative Commons Attribution 4.0 International license)

Es ist ja ständig die Rede davon, dass der ÖRR sehr staatstragend berichten würde. Manche reden sogar von »Regierungspropaganda«. Warum Kritiker auf solch demokratiefeindliche und krude Ideen kommen, weiß wohl nur der »Herr Putin« (der sie alle bezahlt). Aber gehen wir das doch einmal exemplarisch bei einem Artikel durch. Sabrina Fritz hat am 6. Juni 2024 einen Beitrag auf tagesschau.de mit dem Titel »Die Wandelbare« veröffentlicht. Es geht um EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen.


Ausgewogenheit
Es beginnt mit einer wertfreien Einleitung, wie es sich für den medienpluralistischen ÖRR gehört:

»Als Kommissionspräsidentin hat Ursula von der Leyen die EU durch gravierende Krisen führen müssen. Die CDU-Politikerin hat sich dabei als machtbewusst und als flexibel erwiesen

Dann beschreibt Frau Fritz (Nein, sie ist keine Praktikantin, sondern seit über 30 Jahren »Journalistin«) eine bildhafte Szene, wie Frau von der Leyen einen Raum voller Männer betritt:

»Aber für die schmale Frau im roten Blazer machen sie alle den Weg frei. EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen betritt den Saal, lächelnd, aufrecht

Es ist ja nicht so, dass sich hier Machteliten oder einflussreiche Menschen treffen würden, um ihre Interessen zu wahren, wo das Geschlecht eine eher untergeordnete Rolle spielt. Nein, es geht hier natürlich nur um irgendeine Mann-Frau-Feminismus-Thematik. Weiter gehts:

»Hier strömt jemand Standfestigkeit und Disziplin bis in die Haarspitzen aus — und eine Aura von Macht.«

Eine Europäische Union der Konzerne zu etablieren sowie das Bedienen von neoliberalen Partikularinteressen, werden indessen nicht als ein politisches Versagen, sondern als Erfolg verkauft. Sie sei eben »kompromissbereit für die Spitzenkandidatur.« Mit rund 6 Zeilen wird ganz schnell der Pfizer-Deal abgehandelt, der dann verharmlosend so beschrieben wird:

»Diese hinterließ einen Spritzer auf dem stets korrekt sitzenden Blazer der Kommissionspräsidentin.«

Damit auch ja Niemand daran zweifelt, dass wir hier eine übermenschliche Super-Powerfrau vor uns haben, wird am Ende nochmal mit Superlativen geschossen:

  • »Die CDU-Politikerin zeigte sich damit ein weiteres Mal politisch flexibel«
  • »Ein enormes Arbeitspensum wird ihr nachgesagt«
  • »weiß niemand besser als sie«

Objektivität
Für mich stellt sich abschließend die Frage: Wie devot und unterwürfig kann man eigentlich sein? Ist es Frau Fritz, so als »Journalistin« nicht wenigstens ein bisschen unangenehm, wenn sie uns hier einen PR-Marketing-und-Werbe-Artikel als »Journalismus« verkaufen will? Soll das etwa eine Bewerbung als Medienberaterin für Frau von der Leyen sein?

Denn der gesamte Beitrag ist eine einzige Lobnudelei auf eine skrupellose Machtpolitikerin, die nicht nur beim »Pfizer-Deal« gezeigt hat, dass sie vor allem für ein Europa der Konzerne steht, sondern auch beim Digital Service Act (DSA) bewiesen hat, dass sie jede Form von Regierungskritik kriminalisieren will. Die »Berater-Affäre« wird im Tagesschau-Beitrag genauso wenig erwähnt, wie ihr verfassungswidriger Versuch »Netzsperren« (Zensursula) zu installieren. Oder die offensichtlichen Plagiate in ihrer Doktorarbeit. Alles kein Thema. So geht »Lückenpresse«.

Die EU-Kommission könnte auch jederzeit zu Friedensverhandlungen in der Ukraine aufrufen, Gespräche forcieren oder sich für die Diplomatie stark machen. Nichts dergleichen geschieht. Stattdessen wird der Frieden überall diffamiert und sabotiert sowie die Rüstungsindustrie hofiert.


Sachlichkeit
Zum Schluss noch ein paar Auszüge aus dem Rundfunkstaatsvertrag, falls das Frau Fritz und die Tagesschau schon wieder vergessen haben sollten:

»Berichterstattung und Informationssendungen haben den anerkannten journalistischen Grundsätzen, auch beim Einsatz virtueller Elemente, zu entsprechen. Sie müssen unabhängig und sachlich sein

- § 10 Berichterstattung, Informationssendungen,
Meinungsumfragen (S. 10)


»Die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten haben bei der Erfüllung ihres Auftrags die Grundsätze der Objektivität und Unparteilichkeit der Berichterstattung, die Meinungsvielfalt sowie die Ausgewogenheit ihrer Angebote zu berücksichtigen.«

- § 11 Auftrag (S. 11)


»Ein einzelnes Programm darf die Bildung der öffentlichen Meinung nicht in hohem Maße ungleichgewichtig beeinflussen

- § 25 Meinungsvielfalt, regionale Fenster (S. 20)


Propaganda

6 Gedanken zu “Propaganda (9)

  1. »Standfestigkeit und Disziplin bis in die Haarspitzen«
    Wie der Fachmann klar erkennen kann, ist UvdL von Haarspray auf Löwensenf¹ umgestiegen.

    »Frau Fritz (Nein, sie ist keine Praktikantin, sondern seit über 30 Jahren »Journalistin«)«
    Die könnte man per Zeitmaschine ins Jahr 1912 versetzen und sie würde² auch die damalige ›Leitfigur‹ Wilhelm II. sowas von erbarmungslos als Knallcharge entlarven, dass die Monarchie schon 1913 geendet hätte — Großen Dank dem Deutschen Journalismus² für knallharte und schonungslose Kritik an der Obrigkeit und deren Systemlügen!

    ¹Haben sich früher nur Punks ins Haar geschmiert, aber die gehören jetzt eben auch zum Mainstream
    ²Seltene Ausnahmen (oft aus dem sicheren Ausland) bestätigen die Regel

  2. Ich hole jetzt mal ein wenig weit aus und behaupte, dass diese Feminismusaussaat dieser Tage sich allzu gerne selbst beweihräuchert. Da vergisst man auch mal gerne das Rechts-Framing, das man bei den Herren der CDU-Zunft schon mal auspackt. Diese weibliche Empathiefähigkeit treibt schon seltsame Blüten. Oder fällt nur mir auf, dass die größten Lobnudeleien (hast du dich da verschrieben oder war das Absicht?) und das lauteste Gezeter gerne mal aus der »feministischen« Ecke kommt — also von sich selbst als selbstbewusst aufspielenden Frauenfiguren, Weichmeiertypen und LGBTQ-Personen, die extrem herumwettern und dann im vertrauensvollen Kreis ihre Psychomedikamente aufzählen. Da hängt man sich an einer Ursula auf, die so viel Mist gebaut und Dreck am Stecken hat, wahrscheinlich, weil man nichts Besseres mehr aufzubieten hat.

  3. @Sascha
    Das mögen in irgendeiner Form weibliche Personen sein. Von Feministinnen kann ich hier nix erkennen. Und auch falls die sich das Label anstecken sollten wie eine gewisse Dame, die sich nach Außen in Szene setzt und das dann »Feministische nach-Außen-In-Szene-Setzung« nennt (oder so ähnlich war es doch, nicht wahr...? *g*), ist es das noch lange nicht. Bloß weil sie es draufkritzeln, ist da noch kein Feminismus drin.

  4. @Tiffany

    Natürlich hast du recht, ähnlich ist es ja auch bei der Links-Etikettierung. Sich mit einer Eigenschaft schmücken und das Gegenteil machen, hat eben auch den echten Feminismus aufgefressen. Noch schlimmer, wenn man das in Propagandaartikeln mitschwingen lässt. Die läppischen sechs Zeilen über Pfizergate sind dann noch das i‑Tüpfelchen auf der Weißen-Westen-Zeichnung. Mal wieder so ein Spagat, es in den Artikel einfließen lassen zu müssen, aber es eher murmelnd als Nebensatz aussehen zu lassen, bevor die Leute auf die Idee kämen, sie deswegen als korrupt und unfähig wahrzunehmen.

    Die Selbstbeschreibung der Autorin dazu:

    »Mein Wegweiser bei allen diesen Stationen zeigte dabei immer in Richtung der Menschen, die uns nutzen und vertrauen. Was sind die Themen, die sie jeden Tag beschäftigen. Komplizierte Dinge einfach darzustellen, das ist mein journalistisches Ziel. Das will ich jetzt auch im Brüssel-Dschungel erreichen.«

    Kann man sich boshaft so interpretieren wie einen schmierigen Haustürvertreter als Quereinsteiger. »Hach, ist das aufregend hier.«, sagt sie wohl geplättet über ihre neue Station Brüssel und will ja kein schlechtes Licht drauf scheinen lassen.

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