Neulich beim Arbeitsgericht...

Vor einiger Zeit war ich, im Rahmen meiner Betriebsrat-Schulung, beim Berliner Arbeitsgericht. Einen ganzen Tag lang haben wir uns verschiedene Verhandlungen angeschaut. Was ich dort gesehen habe, hat abermals meinen Glauben an den Rechtsstaat entzaubert. Auch wenn es insgesamt dennoch interessant und spannend war.

Die Richterinnen und Richter haben regelmäßig Sprüche vom Stapel gelassen wie beispielsweise: »da müssen wir über Bande spielen« oder »das macht mir irgendwie Bauchschmerzen!« oder »Haben oder Nicht Haben? Es ist Ihr Geld!« Meine Kollegen fanden das irgendwie lustig. Ich fand das deplatziert und unangemessen. Ist das ein Stammtisch oder ein Gerichtssaal? Es gab völlig unvorbereitete Anwälte, die entweder gar nichts sagten oder wenn sie gefragt wurden mit: »Dazu kann ich ihnen jetzt nichts sagen!« antworteten. Und das bei dem Stundensatz, den Anwälte verlangen?

Bezeichnend war auch, wie überraschend reflektiert, einsichtig und selbstkritisch die »Arbeitgeber-Seite« jedesmal war. Sie wollten das alles natürlich zu einem »guten Ende« führen. Sie hätten »gar kein Interesse an der Fortführung des Konfliktes«. Und so weiter und so fort. Klar. Weshalb haben denn die »Arbeitnehmer« überhaupt geklagt, wenn die »Arbeitgeber« schon immer so kompromissbereit waren? Heuchelei und Doppelmoral: das gehört eben zu den wichtigsten Softpower-Skills guter »Personalführung«!

Bei einem Fall ging es um »Antisemitismus« (außerordentliche Kündigung), dass alle Anwesenden schon als gegeben ansahen, ohne sich den Fall genauer anzuschauen. Auch meine Kollegen haben sich sofort ereifert, warum es hier kein Strafverfahren wegen Volksverhetzung gegeben hat? Dabei kannte Niemand den genauen Sachverhalt. Selbst die Richterin wollte es nicht so genau wissen. Der Vorwurf des »Antisemitismus« genügt heutzutage schon. Querdenker. Klimaleugner. AfD-nah. Putin-Versteher. Antisemit. Wir brauchen und lieben unsere Hexenjagden!

»Der Antrag von SPD, Grünen, FDP und Union hat das Ziel, Antisemitismus zu bekämpfen. Darin wird dazu aufgerufen, Gesetzeslücken zu schließen und repressive Möglichkeiten konsequent auszuschöpfen

- tagesschau.de vom 7. November 2024

Meine Wahrnehmung war zudem, dass »Vitamin S« mal wieder eine große Rolle spielt. Empfand die Richterin oder der Richter den Kläger, den Beklagten oder den Rechtswanwalt oder die Rechtsanwältin sympathisch, dann gab es auch schon mal besondere Blicke, kleinere Flirtereien und/oder Witzchen. Mir kann Niemand erzählen, dass das am Ende keinerlei Wirkung auf das Urteil hat. Insbesondere wenn hier keine Sympathie vorherrscht.

Wie gesagt, dass waren jetzt meine ganz persönlichen Eindrücke und sollte nicht verallgemeinert werden.


Neulich...

2 Gedanken zu “Neulich beim Arbeitsgericht...

  1. Die Werbung war wohl teurer, als das Gerichtsverfahren.

    Natürlich funktioniert Vitamin S bei Behörden und Institutionen. Das sollte man als Lehrer schon wissen. ?

    Es ist halt ein Arbeitsgericht, kein Strafgericht. Daher wird fort nut über das Arbeitsrecht entscheiden, z. B. ob die Kündigung rechtens ist oder Formfehler vorliegen.

    Hättest Du nicht zur Betriebsratsschulung gemusst?

  2. Es hat schon seinen Grund, dass weder Psychologie noch Jura Pflichtfach in der Schule ist. Ein Volk, das seine Rechte kennt, ist unregierbar. Die meisten kennen nicht mal den Unterschied zwischen Zivil- und Strafrecht. Ich kann nur raten sich selbst rechtskundig zu machen. Immer wenn mir eine Firma dumm kommt, schlage ich sofort einen Jura-Tonfall an. »Fristsetzung«, BGB-Paragraphen, »ohne Anerkennung einer Rechtspflicht« machen sich immer gut in einem Schreiben — natürlich rechtssicher ...per Fax!
    Für einen Verein war ich auch schon mal »Justiziar« — kann sich jeder so nennen.
    Natürlich alles immer schriftlich machen. Alles schriftlich dokumentieren und sei es nur ein Gedächtnisprotokoll. Und bloß nicht auf einen Anwalt verlassen. Die können nur eins richtig: Rechnungen schreiben! Ansonsten: Husch, husch ... Pfusch! Wie alle Handwerker egal ob mit Abi und Hochschulstudium oder ohne.
    Und wenn es um politische Streitsachen geht: gleich mal den Gang durch alle Instanzen bis zum EGMR durchplanen. Anwalt nur dort wo Anwaltspflicht besteht, möglichst einen mit »Biss« ansonsten dem ordentlich auf die Füße treten, auch wieder schriftlich. Bloss nix schleifen lassen und auf den »Rat« des Anwalts hören. Nur selber denken macht schlau!
    Dabei bin ich ganz und gar kein Streithansel und eigentlich sehr friedliebend. Mit mir kann man über alles reden solange man mir nicht dumm kommt. Ich versuche ohne Rechtsstreitereien durchs Leben zu kommen, denn daran verdienen nur die Anwälte und Gerichte. Aber wenn es nicht vermeidbar ist, dann gehe ich all-in: once you’re in it, then you have to win it. Das ist dann Krieg, unblutig, aber die gleichen Gesetzmäßigkeiten.

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