Der rosarote Duckblick (2)

Vor bald zehn Jahren verfasste ich ein Gedankenpamphlet über die kognitive Dissonanz und den Zwangsoptimismus von Eltern:

»Wir rasen mit Volldampf auf den Abgrund zu (Krieg mit Russland, Umweltzerstörung, Weltwirtschaftskrise, Rohstoffmangel, weltweite Enteignung der Bevölkerung, Lebensmittel-Gifte etc.) und wir benehmen uns weiterhin so, als wäre das alles gar nicht existent

Obwohl wir heute, im Jahr 2024, mitten in multiplen Krisen, Lügen und Skandalen leben (C‑Maßnahmen, RKI-Leak, Ukraine, Gaza, Inflation, Migration, Cum-Ex, NS‑2, drohender Weltkrieg, Zensur, Cancel-Culture, Repressionen etc.) — wird sich weiterhin mit aller Macht die Augen und Ohren zugehalten. Ob auf der Lohnarbeit oder bei Familienfeiern: Niemand will mehr über das Offensichtliche reden.


Realitätsverweigerung
Da bin ich beispielsweise auf einer Familienfeier und dann erzählt Jemand etwas über das Schreckgespenst der DDR und der Stasi. Weil da mal wieder was im ZDF lief: »War echt schlimm das alles damals. Wie die Leute da behandelt wurden. Und überwacht. Und kontrolliert. Oder keine Jobs und Ämter bekommen haben, weil sie eine falsche Gesinnung hatten.« So der Tenor. Jeder Vergleich oder aktuelle Bezug, wird natürlich sofort als DDR-Stasi-und-SED-Verharmlosung gewertet.

Es wird nicht mit einem Wort über Ballweg, Assange, NS2, den NSA-Skandal, Cum-Ex, die menschenverachtenden C‑Maßnahmen, die digitale Zensur, die Kriminalisierung von Andersdenkenden oder die täglichen NATO-Lügen in den ÖRR gesprochen. Nein, nein, damals war alles viel schlimmer als heute. Und in anderen Ländern ist ja sowieso alles total krass. China. Iran. Russland. Nordkorea. »Wir können schon echt froh sein, in Deutschland zu leben!« Ja gut, ich möchte auch nicht in Nordkorea oder in der DDR leben — aber soll das jetzt heißen, dass ich jede Schweinerei in Deutschland ignorieren und tolerieren muss?

Es herrscht zwar kein Zwangsoptimismus mehr, wie vor zehn Jahren, weil alle spüren und wissen, dass es wirtschaftlich bergab gehen wird — aber Realitätsverdrängung und Realitätsverweigerung haben besonders bei der radikalen Mitte weiterhin Hochkonjunktur. Es scheint oftmals viel wichtiger zu sein, ein gutes Gefühl im Bauchi zu haben, als der Realität ins Auge zu blicken. Insofern werden reale Ereignisse und Zustände auch gerne mal ignoriert, verdreht und/oder umgedeutet.

»Wir sind umzingelt von Wirklichkeit.«

- Robert Habeck (Grüne), Wirtschaftsminister und Vizekanzler


»Wenn ich Dissidentin bin, dann nur, weil Du (Bundesrepublik) zuvor Häretikerin geworden bist und alles verraten hast, was uns einmal lieb und teuer war: Die Meinungsfreiheit, die Wissenschaftsfreiheit, das Recht auf den eigenen Körper, die Wohnung und die Privatsphäre, das Versammlungsrecht, die Friedenspflicht und vieles andere mehr.«

- Dr. Ulrike Guérot


Realitätsverdrängung
Wenn ich Freunden, Arbeitskollegen oder Familienmitgliedern, Auszüge und Beispiele der seit rund 4 Jahren andauernden Repressionen in Deutschland gegen Andersdenkende und Regierungskritikern aufzähle (Bankkonto-Kündigungen, Jobverlust, Denunzierung, Hausdurchsuchungen, Polizeigewalt, Zensur, Demonstrationsverbote etc.) — dann rollen sie alle nur mit den Augen. Sie können und wollen das nicht glauben. So etwas gibt es nicht in Deutschland! Es kann nicht sein, was nicht sein soll und nicht sein darf!

Es sind nicht mehr die Kritiker und Andersdenkenden, die in einer vermeintlichen Filterbubble leben, es ist die radikale Mitte, die an ein Deutschland-Bild der 80er Jahre festhält. Alles was dort nicht hineinpasst, wird weggeschoben, verleugnet und als nicht existent etikettiert. Um sich mit den offensichtlichen Skandalen nicht beschäftigen zu müssen, werden zudem etliche Nebenkriegsschauplätze aufgemacht und neue/alte Feinde markiert: Putin. Trump. AfD. Querdenker. Migranten. Impfgegner. Friedensaktivisten. Und so weiter.


Fazit
Ich habe immer öfter den Eindruck, dass selbst, wenn bei manchen Menschen eine Bombe in das eigene Haus einschlagen würde, sie sich selbst das kritische Denken verbieten würden. Dann wird ein Schuldiger gesucht und fertig. Kontext, Hintergrund und Zusammenhänge werden auch dann komplett negiert und ausgeblendet werden.

Ich kann es mittlerweile kaum noch ertragen, wenn auf Familienfeiern und beim Smalltalk mit Bekannten, immer noch die heile Welt inszeniert oder mit dem moralischen Zeigefinger auf andere Länder oder Zeiten gezeigt wird. Natürlich will man auch Lebensfreude haben und nicht ständig über die schrecklichen Entwicklungen in der Politik reden. Verständlich. Aber mein Eindruck ist, dass sehr viele überhaupt nicht mehr darüber sprechen wollen. Egal in welcher Situation oder in welchem Umfeld sie sich befinden.

Schlechtigkeiten in der Welt verschwinden aber nicht, wenn man sich permanent beide Augen und Ohren zuhält. »Aber die da oben machen eh was sie wollen!« Nein, der Einzelne ist nicht machtlos! Das erzählen sie uns ständig, damit sich Ohnmacht, Fatalismus und Resignation verfestigen. Damit man gelähmt wird und Selbstzensur betreibt. Jeder Einzelne kann etwas bewirken! Jeden Tag. In seinem Mikrokosmos.


Der rosarote Duckblick (1)

6 Gedanken zu “Der rosarote Duckblick (2)

  1. Na endlich, da ist sie ja, die Realitätsverweigerung, die man schon im Straßenverkehr ständig beobachten kann, wenn etwa Linksabbieger sich nicht nach der tatsächlichen zeitlichen Länge der Lücke richten, sondern nur danach, ob sich in einem bestimmten Bereich noch was bewegt. Das erklärt zum Beispiel, weshalb Autofahrer mit Straßenbahnen kollidieren oder beim Linksabbiegen entgegenkommende Radfahrer ummangeln.
    Ursache dafür ist natürlich Denkverweigerung, die Evolution. Denken kostet Energie und Zeit. Energie war stets knapp, weshalb man ständig Mammuts jagen mußte und deshalb keine Zeit hatte. Gedacht wird nur bei Notwendigkeit, wenn also irgendwas gerade nicht rund läuft.
    Solange keine Bomben in den Vorgarten fallen, solange nur die Nachbarn, aber nicht man selbst abgeholt wird, solange man nicht selbst ein Messer in den Hals bekommt oder nur anderen die Konten gekündigt werden, solange braucht man nicht zu denken oder auch nur wahrzunehmen.
    Nun, da Energie reichlich zur Verfügung steht und da der Mensch sich seines Verstandes bedienen kann, ist die übliche Denkverweigerung zumindest in Teilen ein bewußter Akt. Daher gibt es für mich kein „Das haben wir nicht gewußt“ mehr und daher auch keine Unschuldsvermutung.

  2. Tja. Und falls es Dir passieren würde, lieber epikur, also bspw. eine Kontenkündigung – und Deine Freunde und Verwandten es also nicht mehr leugnen könnten, daß so etwas passiert –, dann, ja dann würden sie sicherlich sagen: »Na, dann muß ja etwas dran sein an den Vorwürfen. Denn ohne Grund passiert so etwas in unserem Land nicht!«.

    Das, genau das, ist das Problem: nicht nur eine fast komplette Realitätsverweigerung, sondern der absolute Unwille, hinter die Fassade zu blicken. Nicht, daß letztere nicht schon länger böse vor sich hinbröckeln würde... Nein, lieber verrät man auch seine besten Freunde, als sich einzugestehen, daß es böse aussieht mit der deutschen Mentalität.

    Mein Fazit ist schon länger (deutlich länger als Corona bspw.), daß man sich auf keinen Fall positionieren möchte, es sei denn natürlich, daß dies dem Mainstream entspricht bzw. dem, was die Tagesschau und bspw. die Kommunen verkünden. Und bei der eigentlich verboten gehörenden Impfkampagne vieler, vieler deutscher Firmen hat sich ja gezeigt, daß dieser Mainstream mittlerweile auch auf sehr viele – erschreckenderweise auch und gerade dem früher mal alternativen Bereich zugehörige – deutsche Arbeitgeber zutrifft, die ihn in irgendein vordergründig angeblich positives unternehmerisches Leitbild integrieren. Und jeder, der da was anderes denkt, ist heutzutage schon der Feind. Von laut seine entsprechende Meinung kundzutun, gar nicht zu reden.

    Wer also den Durchblick hat, hält sein Maul oder kriegt eins drauf. So isses heutzutage, hier im duckmäuserischsten Deutschland seit vielen Jahrzehnten.

    *geht mal wieder kotzen, wie so häufig in letzter Zeit.*

  3. Tja, wo Realitätsverweigerung und Realitätsverleugnung hinführt, davon kann ich aus ganz persönlichen Gründen ein bitteres Lied singen, was inhaltlich so tönt, dass mir wahrscheinlich nun wirklich mein Sohn weggenommen wird.

    Und am Schluss sind es im Grossen wie im Kleinen dieselben Mechanismen, die diese Entwicklung offenbar unaufhaltsam machen. Die Leute bevorzugen es, sich lieber beständig in die Tasche zu lügen als das Unübersehbare und Unausweichliche sehen zu wollen, bloss weil man dabei plötzlich über die eigenen Lebenslügen stolpern würde und unbequeme Entscheidungen treffen müsste.

    Das Verharren in der Scheinsicherheit der eigenen Komfortzone ist DAS Übel des heutigen Zeitgeistes schlechthin, woran unsere Gesellschaften kranken, und es ist dabei nicht mehr abzusehen, dass sich daran noch etwas ändern wird. Selbst intelligente Leute wollen das Offensichtliche, etwa den wirtschaftlichen Verfall und die Kriegsgefahr für Europa nicht wahrhaben. Sie verbarrikadieren sich hinter ihren Mantren und Glaubenssätzen, die meist darauf hinauslaufen, dass man hier in X (wahlweise D, CH, A oder jedes beliebige andere Land) ja immer noch viel besser dran sei als in Y, sich folglich nicht beschweren solle und sonst am besten doch gleich einen nach rüber macht — was, ganz den alten Zeiten gemäss, immer den Vorwurf einer Konspiration mit dem politischen oder gesinnungsmässigen Gegenspieler der herrschenden Ordnung insinuiert — in unseren Gefilden war und ist das ja bekanntlich immer der Russe.

    Das ganze DDR bzw Sozialismus- und Kommunismus-Bashing der heutigen Rechten geht mir auch so etwas von tierisch auf den Zeiger. Von wegen ›Hitler war ein Linker‹ oder ›Hitler war Sozialist‹.
    Ich habe dies lange für eine wohlgepflegte Lebenslüge der Rechten gehalten, aber da steckt definitiv boshafte Absicht dahinter, obwohl die heutige bürgerliche Rechte ebenso wie viele Altlinke realisieren müssten, dass es nur zu einer Neuordnung der herrschenden Verhältnisse kommen kann, wenn sie beide an einem Strick zögen. Damit meine ich übrigens nicht die neoliberalen oder libertären Wirrköpfe, sondern klassisch bürgerliche Wertkonservative, bei denen ich selbst mittlerweilen viel mehr Gemeinsamkeiten mit der Sphäre der Altlinken sehe als zwischen den Altlinken und der neuen superwoken juste-milieu Sippschaft, die sich links schimpft.

  4. Ich muss ja nur selten epikur widersprechen, nur wenn »die da oben machen eh was sie wollen« nicht stimmen würde, dann wäre das Gegenteil, dass man sie irgendwie daran hindern könne oder es eine effektive, demokratische Kontrolle durch das Volk gäbe. Und das ist definitiv nicht der Fall.

    Ja, in deinem Mikrokosmos kannst du selbstwirksam sein und das tut psychisch auch gut, aber sobald du versuchst über das Gitter deines dir gnädig zugestandenen politischen Laufställchen zu klettern, kriegst du die Macht des Staates zu spüren, zuerst institutionell und wenn du dann immer noch keine Ruhe gibst mit purer Gewalt.

    Man kann es drehen und wenden wie man will: dieser Staat hat alle »Drückebergergassen« dicht gemacht — institutionell und gewaltsam.

    Mir hat gerade jemand geschrieben man müsse sich durch »Entzug« »unregierbar« machen. Was dann passiert kann man u.a. anhand der Reichsbürger-Bewegung sehen. Dann wird man wieder »regierbar« gemacht, zuerst durch institutionellen Druck (Verwaltung, Gerichte) und schlußendlich mit Gewalt. Mollath, Ballweg, Füllmich u.v.m. lassen grüßen.

  5. @ Udo
    Ja, die Radfahrer hatte ich schon als Problem ausgemacht, als ich mit meinem ersten Sportwagen auf der Landstraße ständig abbremsen musste, weil irgend solche Trottel von Radfahrer, meinten, zu zweit nebeneinander herfahren zu müssen.
    Heute gibt es Radfahrautobahnen mit Superstau und ganze Armaden von Lastenrädern, die einen auch in engen Einbahnstraßen mit Fullspeed, elektrisch angetrieben, um die Ecke kommen.
    Erst, wenn die Radfahrer restlos von der Straße beseitigt sind, kann es überhaupt erst Frieden geben. ;-)

  6. Jep, da muss ich Orinoco leider Recht geben.

    Nichts kann ich gerade mehr bestätigen als die Tatsache, dass wenn man erst einmal in den Fängen der Justiz ist, die faktische Wahrheit auf magische Art und Weise ausgesetzt ist und man nur noch gegen reinste Willkürkonstruktionen ankämpfen muss.

    Ist die ›Schuld‹ erst einmal erwiesen, und sei diese auf völlig widersinnige, faktenwidrige Art und Weise herbeikonstruiert worden, dann gilt das als Faktum und was bleibt, ist ein juristisches Kleinklein durch die Instanzen, wo sich die Haarspalterei und die Rabulistik mit jeder weiteren Instanz weiter differenziert, so dass am Schluss jeder Nicht-Jurist vor unverständlichen Urteilen steht und die eigenen Anwälte sagen, das sei zwar Willkür und Unrecht, aber leider könne man dagegen nichts mehr machen.

    Da nützt keine irgendwie geartete andere Einstellung zur Sache selbst etwas. Nicht von ungefähr sagt man, auf Hoher See und vor Gericht sei man in Gottes Hand. Nur meint es der im Zweifel allzu oft nicht gut mit einem — und Glauben bleibt nun mal Glauben, egal, mit welchem Selbstverständnis man anderweitig durchs Leben schreitet.

    Boehme-Nessler hat es ja letzthin in Bezug aufs Covid‑U¨^nrecht ganz genau gesagt: in unseren Rechtsstaaten geht Rechtssicherheit vor Gerechtigkeit.

    Das sollte man sich öfter mal vergegenwärtigen, was dies konkret bedeutet.

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