Der rosarote Duckblick (2)

Vor bald zehn Jahren verfasste ich ein Gedankenpamphlet über die kognitive Dissonanz und den Zwangsoptimismus von Eltern:

»Wir rasen mit Volldampf auf den Abgrund zu (Krieg mit Russland, Umweltzerstörung, Weltwirtschaftskrise, Rohstoffmangel, weltweite Enteignung der Bevölkerung, Lebensmittel-Gifte etc.) und wir benehmen uns weiterhin so, als wäre das alles gar nicht existent

Obwohl wir heute, im Jahr 2024, mitten in multiplen Krisen, Lügen und Skandalen leben (C‑Maßnahmen, RKI-Leak, Ukraine, Gaza, Inflation, Migration, Cum-Ex, NS‑2, drohender Weltkrieg, Zensur, Cancel-Culture, Repressionen etc.) — wird sich weiterhin mit aller Macht die Augen und Ohren zugehalten. Ob auf der Lohnarbeit oder bei Familienfeiern: Niemand will mehr über das Offensichtliche reden.


Realitätsverweigerung
Da bin ich beispielsweise auf einer Familienfeier und dann erzählt Jemand etwas über das Schreckgespenst der DDR und der Stasi. Weil da mal wieder was im ZDF lief: »War echt schlimm das alles damals. Wie die Leute da behandelt wurden. Und überwacht. Und kontrolliert. Oder keine Jobs und Ämter bekommen haben, weil sie eine falsche Gesinnung hatten.« So der Tenor. Jeder Vergleich oder aktuelle Bezug, wird natürlich sofort als DDR-Stasi-und-SED-Verharmlosung gewertet.

Es wird nicht mit einem Wort über Ballweg, Assange, NS2, den NSA-Skandal, Cum-Ex, die menschenverachtenden C‑Maßnahmen, die digitale Zensur, die Kriminalisierung von Andersdenkenden oder die täglichen NATO-Lügen in den ÖRR gesprochen. Nein, nein, damals war alles viel schlimmer als heute. Und in anderen Ländern ist ja sowieso alles total krass. China. Iran. Russland. Nordkorea. »Wir können schon echt froh sein, in Deutschland zu leben!« Ja gut, ich möchte auch nicht in Nordkorea oder in der DDR leben — aber soll das jetzt heißen, dass ich jede Schweinerei in Deutschland ignorieren und tolerieren muss?

Es herrscht zwar kein Zwangsoptimismus mehr, wie vor zehn Jahren, weil alle spüren und wissen, dass es wirtschaftlich bergab gehen wird — aber Realitätsverdrängung und Realitätsverweigerung haben besonders bei der radikalen Mitte weiterhin Hochkonjunktur. Es scheint oftmals viel wichtiger zu sein, ein gutes Gefühl im Bauchi zu haben, als der Realität ins Auge zu blicken. Insofern werden reale Ereignisse und Zustände auch gerne mal ignoriert, verdreht und/oder umgedeutet.

»Wir sind umzingelt von Wirklichkeit.«

- Robert Habeck (Grüne), Wirtschaftsminister und Vizekanzler


»Wenn ich Dissidentin bin, dann nur, weil Du (Bundesrepublik) zuvor Häretikerin geworden bist und alles verraten hast, was uns einmal lieb und teuer war: Die Meinungsfreiheit, die Wissenschaftsfreiheit, das Recht auf den eigenen Körper, die Wohnung und die Privatsphäre, das Versammlungsrecht, die Friedenspflicht und vieles andere mehr.«

- Dr. Ulrike Guérot


Realitätsverdrängung
Wenn ich Freunden, Arbeitskollegen oder Familienmitgliedern, Auszüge und Beispiele der seit rund 4 Jahren andauernden Repressionen in Deutschland gegen Andersdenkende und Regierungskritikern aufzähle (Bankkonto-Kündigungen, Jobverlust, Denunzierung, Hausdurchsuchungen, Polizeigewalt, Zensur, Demonstrationsverbote etc.) — dann rollen sie alle nur mit den Augen. Sie können und wollen das nicht glauben. So etwas gibt es nicht in Deutschland! Es kann nicht sein, was nicht sein soll und nicht sein darf!

Es sind nicht mehr die Kritiker und Andersdenkenden, die in einer vermeintlichen Filterbubble leben, es ist die radikale Mitte, die an ein Deutschland-Bild der 80er Jahre festhält. Alles was dort nicht hineinpasst, wird weggeschoben, verleugnet und als nicht existent etikettiert. Um sich mit den offensichtlichen Skandalen nicht beschäftigen zu müssen, werden zudem etliche Nebenkriegsschauplätze aufgemacht und neue/alte Feinde markiert: Putin. Trump. AfD. Querdenker. Migranten. Impfgegner. Friedensaktivisten. Und so weiter.


Fazit
Ich habe immer öfter den Eindruck, dass selbst, wenn bei manchen Menschen eine Bombe in das eigene Haus einschlagen würde, sie sich selbst das kritische Denken verbieten würden. Dann wird ein Schuldiger gesucht und fertig. Kontext, Hintergrund und Zusammenhänge werden auch dann komplett negiert und ausgeblendet werden.

Ich kann es mittlerweile kaum noch ertragen, wenn auf Familienfeiern und beim Smalltalk mit Bekannten, immer noch die heile Welt inszeniert oder mit dem moralischen Zeigefinger auf andere Länder oder Zeiten gezeigt wird. Natürlich will man auch Lebensfreude haben und nicht ständig über die schrecklichen Entwicklungen in der Politik reden. Verständlich. Aber mein Eindruck ist, dass sehr viele überhaupt nicht mehr darüber sprechen wollen. Egal in welcher Situation oder in welchem Umfeld sie sich befinden.

Schlechtigkeiten in der Welt verschwinden aber nicht, wenn man sich permanent beide Augen und Ohren zuhält. »Aber die da oben machen eh was sie wollen!« Nein, der Einzelne ist nicht machtlos! Das erzählen sie uns ständig, damit sich Ohnmacht, Fatalismus und Resignation verfestigen. Damit man gelähmt wird und Selbstzensur betreibt. Jeder Einzelne kann etwas bewirken! Jeden Tag. In seinem Mikrokosmos.


Der rosarote Duckblick (1)

27 Gedanken zu “Der rosarote Duckblick (2)

  1. Na endlich, da ist sie ja, die Realitätsverweigerung, die man schon im Straßenverkehr ständig beobachten kann, wenn etwa Linksabbieger sich nicht nach der tatsächlichen zeitlichen Länge der Lücke richten, sondern nur danach, ob sich in einem bestimmten Bereich noch was bewegt. Das erklärt zum Beispiel, weshalb Autofahrer mit Straßenbahnen kollidieren oder beim Linksabbiegen entgegenkommende Radfahrer ummangeln.
    Ursache dafür ist natürlich Denkverweigerung, die Evolution. Denken kostet Energie und Zeit. Energie war stets knapp, weshalb man ständig Mammuts jagen mußte und deshalb keine Zeit hatte. Gedacht wird nur bei Notwendigkeit, wenn also irgendwas gerade nicht rund läuft.
    Solange keine Bomben in den Vorgarten fallen, solange nur die Nachbarn, aber nicht man selbst abgeholt wird, solange man nicht selbst ein Messer in den Hals bekommt oder nur anderen die Konten gekündigt werden, solange braucht man nicht zu denken oder auch nur wahrzunehmen.
    Nun, da Energie reichlich zur Verfügung steht und da der Mensch sich seines Verstandes bedienen kann, ist die übliche Denkverweigerung zumindest in Teilen ein bewußter Akt. Daher gibt es für mich kein „Das haben wir nicht gewußt“ mehr und daher auch keine Unschuldsvermutung.

  2. Tja. Und falls es Dir passieren würde, lieber epikur, also bspw. eine Kontenkündigung – und Deine Freunde und Verwandten es also nicht mehr leugnen könnten, daß so etwas passiert –, dann, ja dann würden sie sicherlich sagen: »Na, dann muß ja etwas dran sein an den Vorwürfen. Denn ohne Grund passiert so etwas in unserem Land nicht!«.

    Das, genau das, ist das Problem: nicht nur eine fast komplette Realitätsverweigerung, sondern der absolute Unwille, hinter die Fassade zu blicken. Nicht, daß letztere nicht schon länger böse vor sich hinbröckeln würde... Nein, lieber verrät man auch seine besten Freunde, als sich einzugestehen, daß es böse aussieht mit der deutschen Mentalität.

    Mein Fazit ist schon länger (deutlich länger als Corona bspw.), daß man sich auf keinen Fall positionieren möchte, es sei denn natürlich, daß dies dem Mainstream entspricht bzw. dem, was die Tagesschau und bspw. die Kommunen verkünden. Und bei der eigentlich verboten gehörenden Impfkampagne vieler, vieler deutscher Firmen hat sich ja gezeigt, daß dieser Mainstream mittlerweile auch auf sehr viele – erschreckenderweise auch und gerade dem früher mal alternativen Bereich zugehörige – deutsche Arbeitgeber zutrifft, die ihn in irgendein vordergründig angeblich positives unternehmerisches Leitbild integrieren. Und jeder, der da was anderes denkt, ist heutzutage schon der Feind. Von laut seine entsprechende Meinung kundzutun, gar nicht zu reden.

    Wer also den Durchblick hat, hält sein Maul oder kriegt eins drauf. So isses heutzutage, hier im duckmäuserischsten Deutschland seit vielen Jahrzehnten.

    *geht mal wieder kotzen, wie so häufig in letzter Zeit.*

  3. Tja, wo Realitätsverweigerung und Realitätsverleugnung hinführt, davon kann ich aus ganz persönlichen Gründen ein bitteres Lied singen, was inhaltlich so tönt, dass mir wahrscheinlich nun wirklich mein Sohn weggenommen wird.

    Und am Schluss sind es im Grossen wie im Kleinen dieselben Mechanismen, die diese Entwicklung offenbar unaufhaltsam machen. Die Leute bevorzugen es, sich lieber beständig in die Tasche zu lügen als das Unübersehbare und Unausweichliche sehen zu wollen, bloss weil man dabei plötzlich über die eigenen Lebenslügen stolpern würde und unbequeme Entscheidungen treffen müsste.

    Das Verharren in der Scheinsicherheit der eigenen Komfortzone ist DAS Übel des heutigen Zeitgeistes schlechthin, woran unsere Gesellschaften kranken, und es ist dabei nicht mehr abzusehen, dass sich daran noch etwas ändern wird. Selbst intelligente Leute wollen das Offensichtliche, etwa den wirtschaftlichen Verfall und die Kriegsgefahr für Europa nicht wahrhaben. Sie verbarrikadieren sich hinter ihren Mantren und Glaubenssätzen, die meist darauf hinauslaufen, dass man hier in X (wahlweise D, CH, A oder jedes beliebige andere Land) ja immer noch viel besser dran sei als in Y, sich folglich nicht beschweren solle und sonst am besten doch gleich einen nach rüber macht — was, ganz den alten Zeiten gemäss, immer den Vorwurf einer Konspiration mit dem politischen oder gesinnungsmässigen Gegenspieler der herrschenden Ordnung insinuiert — in unseren Gefilden war und ist das ja bekanntlich immer der Russe.

    Das ganze DDR bzw Sozialismus- und Kommunismus-Bashing der heutigen Rechten geht mir auch so etwas von tierisch auf den Zeiger. Von wegen ›Hitler war ein Linker‹ oder ›Hitler war Sozialist‹.
    Ich habe dies lange für eine wohlgepflegte Lebenslüge der Rechten gehalten, aber da steckt definitiv boshafte Absicht dahinter, obwohl die heutige bürgerliche Rechte ebenso wie viele Altlinke realisieren müssten, dass es nur zu einer Neuordnung der herrschenden Verhältnisse kommen kann, wenn sie beide an einem Strick zögen. Damit meine ich übrigens nicht die neoliberalen oder libertären Wirrköpfe, sondern klassisch bürgerliche Wertkonservative, bei denen ich selbst mittlerweilen viel mehr Gemeinsamkeiten mit der Sphäre der Altlinken sehe als zwischen den Altlinken und der neuen superwoken juste-milieu Sippschaft, die sich links schimpft.

  4. Ich muss ja nur selten epikur widersprechen, nur wenn »die da oben machen eh was sie wollen« nicht stimmen würde, dann wäre das Gegenteil, dass man sie irgendwie daran hindern könne oder es eine effektive, demokratische Kontrolle durch das Volk gäbe. Und das ist definitiv nicht der Fall.

    Ja, in deinem Mikrokosmos kannst du selbstwirksam sein und das tut psychisch auch gut, aber sobald du versuchst über das Gitter deines dir gnädig zugestandenen politischen Laufställchen zu klettern, kriegst du die Macht des Staates zu spüren, zuerst institutionell und wenn du dann immer noch keine Ruhe gibst mit purer Gewalt.

    Man kann es drehen und wenden wie man will: dieser Staat hat alle »Drückebergergassen« dicht gemacht — institutionell und gewaltsam.

    Mir hat gerade jemand geschrieben man müsse sich durch »Entzug« »unregierbar« machen. Was dann passiert kann man u.a. anhand der Reichsbürger-Bewegung sehen. Dann wird man wieder »regierbar« gemacht, zuerst durch institutionellen Druck (Verwaltung, Gerichte) und schlußendlich mit Gewalt. Mollath, Ballweg, Füllmich u.v.m. lassen grüßen.

  5. @ Udo
    Ja, die Radfahrer hatte ich schon als Problem ausgemacht, als ich mit meinem ersten Sportwagen auf der Landstraße ständig abbremsen musste, weil irgend solche Trottel von Radfahrer, meinten, zu zweit nebeneinander herfahren zu müssen.
    Heute gibt es Radfahrautobahnen mit Superstau und ganze Armaden von Lastenrädern, die einen auch in engen Einbahnstraßen mit Fullspeed, elektrisch angetrieben, um die Ecke kommen.
    Erst, wenn die Radfahrer restlos von der Straße beseitigt sind, kann es überhaupt erst Frieden geben. ;-)

  6. Jep, da muss ich Orinoco leider Recht geben.

    Nichts kann ich gerade mehr bestätigen als die Tatsache, dass wenn man erst einmal in den Fängen der Justiz ist, die faktische Wahrheit auf magische Art und Weise ausgesetzt ist und man nur noch gegen reinste Willkürkonstruktionen ankämpfen muss.

    Ist die ›Schuld‹ erst einmal erwiesen, und sei diese auf völlig widersinnige, faktenwidrige Art und Weise herbeikonstruiert worden, dann gilt das als Faktum und was bleibt, ist ein juristisches Kleinklein durch die Instanzen, wo sich die Haarspalterei und die Rabulistik mit jeder weiteren Instanz weiter differenziert, so dass am Schluss jeder Nicht-Jurist vor unverständlichen Urteilen steht und die eigenen Anwälte sagen, das sei zwar Willkür und Unrecht, aber leider könne man dagegen nichts mehr machen.

    Da nützt keine irgendwie geartete andere Einstellung zur Sache selbst etwas. Nicht von ungefähr sagt man, auf Hoher See und vor Gericht sei man in Gottes Hand. Nur meint es der im Zweifel allzu oft nicht gut mit einem — und Glauben bleibt nun mal Glauben, egal, mit welchem Selbstverständnis man anderweitig durchs Leben schreitet.

    Boehme-Nessler hat es ja letzthin in Bezug aufs Covid‑U¨^nrecht ganz genau gesagt: in unseren Rechtsstaaten geht Rechtssicherheit vor Gerechtigkeit.

    Das sollte man sich öfter mal vergegenwärtigen, was dies konkret bedeutet.

  7. Selbst intelligente Leute wollen das Offensichtliche nicht wahrhaben.“
    Das ist nicht ganz richtig. Eine Entscheidung, auch Ablehnung, erfordert stets eine Befassung mit dem Gegenstand. Das aber passiert gerade nicht. Wer nicht denkt, füllt neue Wissenslücken mit dem ersten oder lautesten Gebrüll. Mangels Denktätigkeit können Lückenfüller weder korrigiert noch entfernt werden. Andere Positionen werden nichtmal wahrgenommen, fertig ist das Weltbild.
    In einem Film wurde das mal verdeutlicht. Ich glaube, Danny DeVito erklärt dem Protagonisten, wie er vorgehen muß: Sei jede Sekunde des Tages telefonisch erreichbar, im Schlaf, auf dem Scheißhaus. Dann erzählst du dem Zeitungsfritzen deine Version, welche dank deiner ständigen Erreichbarkeit seine erste sein wird. Weil er damit schon alles weiß, wird er sich auch danach nichts anderes mehr anhören. Er wird nur deine Geschichte schreiben, andere gibt es nicht. Zudem wird er den noch nach Infos suchenden dich empfehlen, denn du hast jederzeit ein offenes Ohr.

    Sie verbarrikadieren sich hinter ihren Mantren und Glaubenssätzen“
    Das sieht nur so aus. Sie kennen nur das eine, das andere gibt es gar nicht bzw. ist unmöglich.
    Da ist mancher Radfahrer doch tatsächlich der Meinung, ohne Radwege ginge es gar nicht. Dabei benutzt er ja immer wieder Fahrbahnen, meist Zone 30. So er denn eine Antwort überhaupt für nötig hält, ists nachträgliche Rationalisierung aus der Grabbelkiste, notfalls das verbale Äquivalent zum Fußaufstampfen.

    Hausaufgabe: Wofür gibt PVs erster Satz ein gutes Beispiel ab? Ist es meine Erklärung, die vom Wahrhabenwollen, oder Kalkül?

  8. Ja, da magst du durchaus recht haben, lieber Udo

    Es ist letztlich eine Frage, wieviel Bereitschaft zur Selbstkritik besteht. Wobei ich doch eigentlich schon einen kausalen Zusammenhang zwischen intellektuellen Fähigkeiten und der Fähigkeit zu Selbstkritik sehe. Aus einem lahmen Arsch fährt nun mal kein flotter Furz.

    Ich denke aber schon, dass das entscheidende und gesellschaftlich tragende Element dies ist, dass nicht sein kann, was nicht sein darf, selbst wenn man es eigentlich besser wüsste.

    Ich sehe darin immer wieder das, was Arno Gruen in seinem Wert ›Der Verrat am Selbst‹ aufschlüsselt.

    Es ist die reinste Angst vor der eigenen Autonomie, dem selbstbestimmten Leben, weil selbstbestimmt nur derjenige ist, der auch die Bereitschaft hat, dorthin zu sehen, wo all die wunden Punkte liegen, dorthin, wo es schmerzt, während unsere Gesellschaftsstruktur alles dafür tut, genau dies zu unterbinden, indem in unermesslichem Ausmass immer neue Ersatzbefriedigungen erschaffen werden, die vom Schmerz ablenken und das Verweilen in diesem Zustand der Indifferenz vereinfacht.

    Deswegen würde ich schon bei meiner Wortwahl des Verbarrikadierens als auch expressis verbis erkennbaren Abwehrakt bleiben. Denn eigentlich sind die Wirren, die wir täglich sehen, derart offensichtlich, dass sie nicht einmal mehr enorme intellektuelle Fähigkeiten voraussetzen.

    Eher sogar ist das heute Offensichtliche so ausgeprägt, dass es einer Addition von 2 + 2 gleichkommt, wobei wir spätestens seit Covid nun in das Stadium eingetreten sind, wo mit allen Mitteln seitens der herrschenden Strukturen daran gearbeitet wird, dass 2 + 2 = 5 wird. Das sind die Orwellschen Elemente, die wir immer häufiger und ausgeprägter erkennen können.

    Tja, und zu PV würd ich mal noch ganz harmlos sagen, dass es sich um einen weiteren Fall von kognitiver Dissonanz handelt.

  9. Ich hatte heute und vor einigen Tagen jeweils ein Gespräch über Corona und über Gaza. Die Leute sind mittlerweile so dermaßen schlecht informiert, das ist schon gruselig. Akademiker und studierte Menschen, die hauptsächlich ZDF- und Tagesschau-Argumente nachplappern und nun glauben, sie hätten sich »informiert«. Da kommen dann die typischen Platitüden, die man schon hundertfach überall gehört und gelesen hat und deshalb noch lange nicht wahr sind:

    Bei Corona:

    »Aber die Bilder von Bergamo...«
    »Hätten wir nicht so harte Maßnahmen gehabt, wäre alles viel schlimmer gewesen.«
    »Hinterher ist man ja immer schlauer.«

    usw.

    Bei Gaza:

    »Soll Israel sich nicht verteidigen dürfen?«
    »Aber die Hamas hat angefangen!«
    »Aber der 7. Oktober...«
    »Das sind doch Hamas-Zahlen!«

    usw.

    Ich könnte jedesmal einen riesigen Vortrag halten, mit dutzenden Quellen kommen und argumentieren, aber dazu sind die Leute überhaupt nicht mehr in der Lage. Es geht ja auch nur noch um Haltung und nicht mehr um Inhalte. Ein intellektueller Supergau.

  10. @ Pascal
    Nein.
    Es ist ganz einfach, ich kann Radfahrer nicht leiden.
    Das sind seit 1974 die ignorantesten Verkehrsteilnehmer, die ich kenne.
    Wie oft habe ich mich mit denen angelegt.
    Ich werde die immer bekämpfen, solange ich lebe.
    Ich mache das ganz bewußt und sage das auch unverblümt.
    So lange, bis sie mich raus tragen.
    Und, seit dem12.4.2020 sowieso!

  11. Ich werfe hier mal meine Ansicht in den Raum:
    Die hier zu Recht beklagten Zustände sind genau so, wie die Mächte, die nicht herrschen sollten, sie haben wollen. Sie haben die perfekten Staatsbürger gezüchtet. Ihre Version der Proles des Jahrs 1984, oder der fordsgläubigen Beta-minus.
    »Jeder ist heutzutage glücklich.« Nur daß wir das nicht in der Schlafschule, sondern im Wachzustand eingehämmert bekommen.
    Kein Staat will wache, kritische Bürger. Die sind unregierbar.
    Kein Medienkonzern will wache, kritische Leser. Die widersprechen. (Und da nehme ich auch alternative Medien nicht aus.)
    Wir leben in einem Gefängnis, und die Mehrheit will nicht raus, weil die Tapete so hübsch bunt und die Gitterstäbe so schön golden glitzern.

  12. »Ja gut, ich möchte auch nicht in Nordkorea oder in der DDR leben — aber soll das jetzt heißen, dass ich jede Schweinerei in Deutschland ignorieren und tolerieren muss?«
    »Lächle und sei froh denn es hätte schlimmer kommen können. Und ich lächelte, und ich war froh, und es kam schlimmer.«
    (deutsches Sprichwort)
    Der von orinoco erwähnte Fall Mollath gibt eher epikurs Aussage von der Wirksamkeit Recht, hier hat sogar der Rechtsstaat funktioniert, wenn auch mit Verspätung und nach anfänglichem Versagen.
    Es geht nicht um die totale Vermeidung von Fehlentwicklungen, die gehören nunmal dazu, es geht um den Umgang damit.
    Daß ausgerechnet die Nürnberger einen einsperren der nur ein bißchen seltsam ist, ist unfreiwillig komisch, aber es waren auch die »Nordbayerischen Nachrichten«, die hier ausnahmsweise mal ihren Job gemacht haben, den Fall aufdeckten und Mollath zu seinem Recht verhalfen.

  13. @PV

    Ich bin sowohl Radfahrer als auch Autofahrer, hab immer mein Klapprad im Wagen. Somit wechsle ich oft zwischen beiden Fortbewegungsmitteln hin und her.

    Und ja, es gibt sehr viele Radfahrer, die extrem egoistisch unterwegs sind. In Basel erlebe ich die vorallem in den gemischten Fussgängerzonen, wo die Radfahrer angehalten wären, je nach Fussgängerdichte nur noch mit Schrittgeschwindigkeit zu fahren — was sie aber nicht tun und sich stattdessen im Zickzack zwischen alten Leuten und kleinen Kindern mit überrissener Geschwindigkeit und Dauerklingeln durchdrücken.

    Aber ebenso sehe ich Autofahrer, etwa auf den franz. Überlandstrassen, die wie die Bekloppten fahren und rücksichtslos andere Verkehrsteilnehmer gefährden. Im Winter, mit schwierigen Strassenverhältnissen wird weiter mit übersetzter Geschwindigkeit und lebensmüden Überholmanövern gefahren, bis man im besten Fall im Strassengraben, schlimmstenfalls im nächsten Pappelstamm landet — hab beide Szenarien letzten Winter bei der Vorbeifahrt gesehen.

    Generell offenbart sich im Strassenverkehr der eigene Charakter auf ganz profane Weise, wobei sich die meisten scheinbar gar nicht bewusst sind, wie sehr sie sich selbst enttarnen. Während dieselben Leute im Alltag wenigstens noch so tun als wären sie nicht diese rücksichtslosen Arschlöcher, offenbaren sie sich als als genau die im Strassenverkehr ohne irgendwelche Skrupel.

    Fussgänger sind übrigens auch nicht besser. Die schauen in ihre smarten Geräte und latschen einfach auf die Strasse.
    ›Nach mir die Sinnflut, sollen doch die anderen schauen, dass mir nichts passiert‹
    Man schaut nicht links, man schaut nicht rechts, man geht einfach über die Strasse, ob da nun ein Übergang ist oder nicht, piepscheissegal, zuerst kommt man selbst, dann ganz lange niemand.

  14. @PV, Pascal
    Radfahrer sind Menschen wie alle anderen auch. Sowie Sportwagenfahrer. Wenn Radfahrer nerven (mich hauptsächlich als Fussgänger), so liegt das an den Bedingungen, deshalb nerven Radfahrer in Berlin deutlich mehr als in Paris oder Los Angeles.

    @all
    Wenn sich oben was ändern soll, muss man unten dran rütteln. Das war schon immer so und es war immer schwierig. Allerdings macht mir in diesem Zusammenhang die Abhängigkeit und die Kontrolle durch die Elektronik Sorge.

    @epikur
    zum Thema: Judith Butler (ja die) hat zur Corona Krise ein Buch geschrieben. Da beschreibt sie im Vorwort, wie die Menschen durch den Corona Virus lernen mussten mit dem Tod von nahen Angehörigen umzugehen. Selbst wenn eine der größten Denkerinnen unserer Zeit nur die erzeugte Panik wahrnimmt, aber nicht die Realität, was soll ich als blöder Mann da ausrichten.
    PS Ich war 2020 im Großraum Mailand (Bergamo) keine Leichenberge und ich habe nicht mal einen Armeelaster gesehen.
    2021 habe ich dies direkt in Bergamo überprüft. Not a sausage!

  15. @Art Vanderley
    Also für mich sind Fälle wie Mollath oder auch Assange kein Zeichen eines funktionierenden Rechtsstaates. Die Jahre im Knast bzw. Geschlossenen, die zerstörte Existenz, das gibt einem keiner zurück. Die Bestrafung hat stattgefunden, auch wenn später rehablilitiert oder freigelassen. »Bestrafe einen, erziehe hundert«. In Österreich hat man 2008 10 Tierschützer eingeknastet und deren Existenzen ruiniert. Von dem Freispruch am Ende konnten sie sich nix kaufen, ja sie waren sogar finanziell bankrott, von den psychischen Folgen ganz zu schweigen. In Japan haben sie einen Todesstrafekandidaten nach 54(!) Jahren aus der Haft entlassen, mit über 80 Jahren. Ja, super. Toller »Rechtsstaat«.
    Und die die eigentlich in den Knast gehören laufen noch frei herum.
    Aber daran sieht man welch perfides Spiel der flexible response in dieser institutionellen Diktatur gespielt wird. Selbst hier kommen sie mit »aber der Rechtsstaat hat doch funktioniert« durch. Und statt sich gemeinsam gegen diesen Staatsterror zu solidarisieren hauen sich die Bürger wieder mal virtuell gegenseitig in die Fresse. Teile und herrsche. Mission doppelt erfüllt.

  16. My Senf is, dass nicht jeder so grausam schlecht informiert ist. Oder zumindest ordentliche Zweifel entwickelt haben, was das alles hier soll. Nur muss man das erstens alles einzeln auseinanderklamüsern und dann immer in Hab-Acht-Stellung sensibelst austarieren, wer denn noch einigermaßen differenziert gepolt ist. Wenn jemand mit solchen Satzfetzen á la Bergamo ankommt, dann braucht man ja kaum noch zur Debatte ansetzen, wenn es schon absehbar ist, dass da jemand die üblichen Parolen wiederkäut. Das einzige, was dann zählt, ist, ob die Person dann überzeugt davon ist oder ob sie tatsächlich mal zuhört, wenn du bzgl. Bergamo mal ein paar Fakten aufzählst, von denen sie vorher nichts wussten (bis heute nicht). Und wenn es nur darum ginge, dass die hohe Sterblichkeit in Bergamo nach 2–3 Wochen vorbei war. Ist mir persönlich beides schon untergekommen — Ignoranz wie auch ein etwas erstaunter Blick. Zweites ist gut, dann hast du zumindest im Klein(st)en etwas erreicht.

    Da ich jetzt weniger mit Bildungsbürgern in Kontakt komme, ist es wohl eher eine Klassenspaltung, wenn die Prof. Dr. Statusmuggels zur Wahrung ihrer Reputation den Opportunisten machen und in meinem Wirkkreis der erweiterten Arbeiterklasse völlig unterschiedliche Auffassungen vom Weltgeschehen existieren. Soll heißen: Das Opportune ist wohl tatsächlich so etwas wie ein Elitenkodex geworden, völlig unabhängig von Wahrheitsgehalt oder Inhalten, und die paar Ausreißer landen dann im Abseits/den Alternativen/»Systemfeinden«. Das ist im Grundsatz reine Gruppendynamik, aber noch mit Nachtreten, fast alles auf psychologischer Ebene. Sie sind also nichts weiter als elitäre Raufbolde, die physische Gewalt vermeiden, damit man sich nicht mit dem »Pöbel« gemein machen muss. Da weiß man selbst nicht, ob eins in die Fresse so viel verkommener sein soll als diese perfide passive Aggressivität, wo der Schaden viel nachhaltiger ist als eine dicke Lippe.

  17. @kakapo3

    Meine Schilderung war auch nicht als Pauschalisierung gemeint, es ist eine reine empirische Beobachtung. Man muss sich fragen, wie sinnhaft es ist, das Radfahren in eher engen Fussgängerzonen zu erlauben. Wenn es aber gemacht wird, was ich persönlich an sich gut finde, dann ist schlicht gegenseitige Rücksichtnahme geboten, und der stärkere Verkehrsteilnehmer steht dann halt einfach besonders in der Pflicht.

    Und genau das funktioniert leider nur beschränkt, was von mir aus gesehen die Ursache in der Verkehrspolitik hat, die gerade in Städten so aussieht, dass man den Automobilverkehr künstlich erschwert (was per se nicht schlecht sein muss), wodurch die Leute dann aufs Rad umsteigen und somit ihr berufliches Stressumfeld vom regulären Strassenverkehr eben in gemischte Fussgängerzonen verlagern.

    Der neoliberale Ellenbogenkampf ums eigene Glück wird einfach anderswo ausgetragen. Und ganz ehrlich: dieses Radfahrerverhalten ist mir in Basel als Massenphänomen aufgefallen. Die rechte Rheinpromenade auf der Höhe der Rochetürme ist zu Stosszeiten eine Kampfzone der Radfahrer mit den Fussgängern — mit ganz ungleichem Kräfteverhältnis.
    Wie gesagt: eine empirische Beobachtung.

  18. @Pascal
    »Der neoliberale Ellenbogenkampf ums eigene Glück wird einfach anderswo ausgetragen.«

    Dito. Ich mache die Erfahrung jeden Tag beim Pendeln zur Arbeit mit dem Auto. Je dicker die Karre, desto rücksichtsloser wird gefahren. Noch was, was CH und D gemeinsam haben...

  19. @Leselotte

    Wahnsinn! Schon über 200 Folgen. Den C‑Ausschuss könnte die Regierung als Grundlage einer Aufarbeitung nehmen (die ja jetzt nicht kommen wird). Da würden sie sich viel Zeit und Arbeit sparen. Aber nein. Sind ja alles Schwurbler.

    @PV, Pascal, Kakapo3

    Das Radfahrer-Thema ist ein typisches Spaltungsthema. PV hat sich damit abermals entlarvt. Teile und Herrsche.

    @Kakapo3

    Das Gefühl des »Sonderlings« verfestigt sich bei mir immer stärker. Allein deshalb weil ich kein smartphone besitzen will. Die Leute behandeln einen deshalb wie ein Alien. Die können sich ein Leben ohne das Ding nicht mehr vorstellen. Das nenne ich Abhängigkeit. Darauf können Regierungen aufbauen.

    @Sascha

    »Das Opportune ist wohl tatsächlich so etwas wie ein Elitenkodex geworden, völlig unabhängig von Wahrheitsgehalt oder Inhalten«

    Jupp. Die haben halt deutlich mehr zu verlieren. Deshalb machen sie wohl alles mit. Entlarvend wird es vor allem dann, wenn sich Feindbilder oder Narrative ins Gegenteil verkehren (weil es politisch gerade passt) — und das dann widerspruchslos mitgetragen wird.

  20. Weil das Radfahren in Fußgängerzonen, grundsätzlich sinnvoll aber Missbrauchsgefahr durch Rüpelradfahrer, angesprochen wurde: wenn das Fahrradfahren verboten und nur Fußgänger erlaubt sind, dann ist das Rad »rollern« immer noch erlaubt und sogar gerichtlich bestätigt, dass man damit rechtlich als Fußgänger gilt. Natürlich gilt weiterhin §1 der StVO. Aber in der Regel muss man ja nicht kilometerweise durch die Fuzo, sondern nimmt nur eine Abkürzung und kann davor und danach ganz normal fahren. Find ich einen annehmbaren Kompromiss, der die maximale Differenzgeschwindigkeit limitiert.

  21. @Spalter
    Es ist keine gute Idee Radfahrer und Fussgänger auf einer Spur oder in einer Fussgängerzone zusammen aufeinander loszulassen. Das führt zu den beschriebenen Problemen, nicht weil Fussgänger oder Radfahrer egozentrische Bastarde sind.
    Die Lösung sind autonome Radwege mit klaren Regeln für Fussgänger und Radfahrer so wie in Paris und Los Angeles.
    Wenn sich Radfahrer nicht mehr mit den Autos eine Spur teilen müssen, sinkt auch hier das Unfallrisiko erheblich.
    Es nützt nichts den moralischen Zeigefinger zu erheben, es müssen die Umstände geändert werden.

    @epikur
    Es macht mir Sorge, dass selbst der Verzicht auf ein Smartphone die Gefahr der elektronischen Abhängigkeit nicht beendet, siehe den Angriff auf die Hisbollah. (Es ist natürlich trotzdem sinnvoll.)

  22. @orinoco
    Ich denke nicht daß der Rechststaat immer funktioniert, es gibt gravierende Defizite die sogar seine Existenz gefährden. Lärmterror auf den Straßen, ca.100 Milliarden Steuern die einfach nicht eingetrieben werden (nach geltendem Recht), und so einiges mehr.
    Nur ist der Fall Mollath ein schlechtes BsP.
    Der war einige Jahre in der Psychiatrie, schlimm genug, aber das Leben ist nunmal kein Ponyhof, es können einem weit schlimmere Dinge passieren nach denen dann kein Hahn kräht und die lebenslang wirken.
    Übrigens ist es keineswegs im Sinne potenzieller Opfer, optimale Zustände zu erwarten weil das die Möglichkeit der Korrektur minimiert und nicht bessert.
    Optimale Zustände kannst du nur simulieren, u.a. indem jede Kritik unterbunden wird, siehe realer Sozialismus u.a.
    Die Beispiele die du über Mollath hinaus nennst, sind natürlich von einem anderen Kaliber, 54 Jahre unschuldig sitzen, oder wie dieser Deutsche ein Texas, der über 30 Jahre saß, das ist natürlich ein klares Versagen des Rechtsstaats.

  23. @Art Vanderley
    Also mit dem normalen, nicht unerheblichen Lebensrisiko kann man Unrechtsurteile nicht gleichsetzen. Für den Staat gelten gegenüber dem Einzelnen besondere Einschränkungen und Abwehrrechte, ganz besonders auch im Strafrecht, daher der Grundsatz in dubio pro reo, den es nur im Strafrecht gibt, eben weil der Staat der Ankläger ist und es um erhebliche, die Freiheitsrechte beeinträchtigende Strafen geht. Und genau da liegt der Hund begraben: dass Staatsanwälte durch die Exekutive weisungsgebunden sind, ist schlimm genug. Aber wenn Richter durch alle Instanzen hindurch Unrecht im Sinne der Staatsräson sprechen, dann ist was »faul im Staate Dänemark«. Und ich mache das nicht an der Dauer einer Inhaftierung o.ä. fest, sondern am prinzipiellen, systematischen Unrecht wie es im Fall Mollath, Assange, den 10 Tierschützern praktisch erwiesen, und in den Fällen Ballweg und Füllmich auch sehr wahrscheinlich ist.
    Ich habe selbst einen Prozess durch alle Instanzen vom AG bis zum BGH und BVerfG geführt und alle haben meine Klage bzw. Beschwerde abgewiesen, trotz anderslautender, laufender Rechtsprechung des EGMR und der Verpflichtung der Vertragsstaaten der EMRK, diese zu beachten. Erst beim EGMR habe ich Recht und zumindest Schadenersatz zu gesprochen bekommen. Das war kein einmaliger Unfall, sondern in anderen Fällen wurde gleichermaßen Unrecht gesprochen. Aber einer ist eben schon zu viel. Ich zitiere da gerne aus dem Film »Urteil von Nürnberg« (1961) über eine Zeit wo ganz offiziell die Staatsräson über der des Rechts stand:

    [letzte Worte]
    Ernst Janning: Richter Haywood ... Der Grund, warum ich Sie gebeten habe, zu kommen: Diese Menschen, diese Millionen von Menschen ... Ich wusste nie, dass es dazu kommen würde. Sie müssen mir glauben, * Sie müssen mir glauben!
    Richter Dan Haywood: Herr Janning, es »kam dazu« als Sie das erste mal einen Mann zu Tode verurteilten, von dem Sie wussten, dass er unschuldig ist.

  24. »orinoco
    »Aber einer ist eben schon zu viel.«
    Sowas klingt immer schön hat aber wenig mit der Realität zu tun.
    Klar, du musst 100 Prozent anstreben um 80 Prozent zu bekommen, aber es wird immer die Fehlleistungen geben und da kommt es dann darauf an, die Folgen zu minimieren.
    Bei Mollath hat das leidlich geklappt, bei anderen nicht, da gebe ich dir Recht.
    Ohnehin hat der deutsche Rechtsstaat ein Problem mit dem Zugeben von Fehlern, Insider beklagen auch daß sich ein Teil der Richter oft schon ein Urteil vor dem Prozeß gebildet hat, was auch mit Personalmangel zu tun hat, aber dennoch verantwortungslos ist.
    Ohnehin sind die Fälle die bekannt werden, eben die die bekannt werden und damit eine Chance haben- es gibt Schätzungen wonach jedes dritte Urteil in den USA fehlerhaft ist, teilweise bis zur kompletten Unschuld verurteilter Angeklagter, Todesstrafe inklusive.
    Für Deutschland soll es jedes vierte Urteil sein, das, ganz oder teilweise, fehlerhaft ist, Norbert Blüm ging sogar von jedem dritten Urteil aus.

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