- Outsourcing -
Seit einigen Jahren und Jahrzehnten erleben wir nicht nur in der Wirtschaft, sondern auch im Bildungsbereich einen Trend zum Auslagern von Verantwortung. Viele Bereiche der kindlichen Erziehung und der Entwicklung von Kompetenzen, Fähigkeiten und Fertigkeiten, werden an Kindertagesstätten, Schulen und Ausbildungsbetrieben delegiert — die aber eigentlich in Elternhände gehören. Eines der Grundpfeiler des Neoliberalismus, die Privatisierung, durchzieht mittlerweile sämtliche Lebensbereiche.
Ein Klassiker in der Schule sind beispielsweise die Hausaufgaben. Bei jedem ersten Elternabend in den ersten Klassen kommt die Frage nach der Hausaufgabenhilfe in der Schule. Wir antworten, dasss wir eine Betreuung, aber keine verbindliche Hilfe anbieten. Also einen Raum, wo die Kinder freiwillig ihre Hausaufgaben machen können und wir sie dabei unterstützen. Das ist natürlich nicht im Sinne der Eltern, die am liebsten ihre Kinder fix und foxy von der Schule abholen und sich nicht noch abends mit den Hausaufgaben rumschlagen wollen.
Ein weitereres Phänomen ist die analoge Uhr. Immer mehr Kinder können zwar die digitale, aber keine analoge Uhr mehr lesen. Im Rahmenlehrplan sind dafür nur wenige Wochen vorgesehen, die nicht ausreichen. Die Eltern sollten das Lernen der analogen Uhr (sowie vieles andere) Zuhause mit den Kindern vertiefen. Das geschieht aber kaum, wie man an vielen Kindern in den 5. und 6. Klassen beobachten kann, die uns Erwachsenen ständig nach der Uhrzeit fragen, während sie vor einer analogen Uhr an der Wand stehen.
Das »trocken werden«, also die Sauberkeitserziehung von Kleinkindern wird auch zunehmend an Kindertagesstätten verlagert. Diesen Stress und diese »Arbeit« wollen sich immer weniger Eltern antun. Es gibt immer mehr Kinder, die immer länger eine Windel tragen müssen. Dabei sollte das zu den elementaren Erziehungsaufgaben von Eltern gehören.
Die Vermittlung von zwischenmenschlichen Werten, wie Fairness, Respekt, Nähe und Distanz, Empathie und Selbständigkeit, wären weitere Bereiche die immer mehr an Kindertagesstätten, Horten, Sozialarbeiter und Schulen ausgelagert werden, weil viele Eltern dafür entweder keine Zeit und/oder keine Motivation mehr haben, dass ihren Kindern beizubringen.
Pädagogen, Lehrer und Erzieher werden insofern nicht erst seit der Flüchtlingskrise (2015) mit Erziehungsaufgaben und dem Delegieren von Eltern-Verantwortung überfrachtet und überfordert, sondern schon lange vorher. Nach wie vor sollen Schule und Pädagogen das »reparieren«, was Eltern und Gesellschaft vorher verkackt haben. Sie sind und bleiben aber keine Magier — insofern können sie den Ansprüchen und Wünschen niemals gerecht werden. Das erklärt auch die ständige Unzufriedenheit mit Schule, Kita und Pädagogen.
Fun Fact am Rande: Mit dem sogenannten Mini Mental Status Test stellt man bei einer Person fest, wie gut das Denken noch funktioniert.
Eine der Aufgaben: Zeichne eine Uhr, auf der es zehn Minuten vor zwei ist.
Mit Deiner Schilderung kommt da eine ganze Welle von »Dementen« auf uns zu, deren Versorgung man dann ebenfalls prima outsorcen kann. Im Zweifelsfall nach Ungarn... oder Thailand...
Ich weiß nicht, ob es noch so ist. Aber vor 15–20 Jahren hat eine Freundin von mir ihre Kinder in Bayern in den Kindergarten gegeben, und dort nimmt man sie eben nur, wenn sie trocken sind. Falls nicht, wird (oder wurde zumindest damals) nichts unternommen, und das Kind mit nasser Hose nach Hause geschickt. Einfache Methode, oder?
Haha, aber in Berlin ist das bestimmt »böse« und darf nicht gemacht werden...
Das ist nicht nur eine Überfrachtung und Überforderung der Pädagogen, Lehrer und Erzieher von Kitas, Kindergärten und Schulen, sondern stellt auch eine psychisch gefährliche Entwicklung für die Kinder und späteren Erwachsenen dar.
Ich habe mich mal mit einigen Herren im gesetzten Alter darüber unterhalten und die einhellige Meinung war, dass ein Kind selbständig auf’s Klo gehen können muss, bevor es in den Kindergarten o.ä. geht. Das mag willkürlich klingen, hat aber den ganz konkreten Hintergrund, dass dann die unmittelbare psychische (und in der evolutiven Vergangenheit auch physische) Abhängigkeit des Kleinkindes von seiner primären Bezugsperson i.d.R. die Mutter soweit aufgelöst ist, dass das Kind sich allein in der Welt orientieren kann und die »seelische Geburt« abgeschlossen ist.
Es ist ein Irrglaube man müsse sein Kind auf die Kita-Universität schicken, damit es was lernt, was genauso falsch ist wie der früher verbreitete und genauso verhängnisvolle Irrglaube, dass Babys und Kleinkinder noch nichts von der Welt mitbekommen würden. Der erste Lehrer im Leben eines Kindes ist die Mutter und von der lernt es mehr und Wichtigeres als im ganzen Rest seines Lebens. Jede (psychisch neurotypische) Mutter hat das auch im Gefühl, dass das so richtig ist. Leider ist das alles in einer kapitalistisch und ideologisch überprägten und zunehmend von Neurosen geprägten, arbeitsteiligen Gesellschaft nicht mehr selbstverständlich, ja, wer das anmahnt wird sogar als »rückständig« angefeindet.
In meinem Buch zu meinem Artikel //Japanische Erkenntnis: Die Seele eines Dreijährigen bleibt ihm 100 Jahre// gehe ich darauf ausführlich und die phylo- und ontogenetischen Hintergründe der menschlichen Hirnentwicklung ein. Demnächst unter CC-Lizenz oder als gedrucktes Buch (wahrscheinlich auf Amazon KDP) verfügbar.
P.S. es verschwinden schon wieder anlass- und spurlos Kommentare von mir hier.
»Outsourcing«
Bei reichen Menschen, insbesondere Fürsten, hat das lange Tradition, inklusive des im Artikel nicht erwähnten Säugens (NährAmmen¹). In diesen Kreisen war es normal, dass die Kinder erst ab einem ›vorzeigbaren²‹ Alter am Hof erschienen (»fix und foxy«, als kleine Erwachsene).
Nachdem wir jetzt aber (fast) alle Teil eines sagenhaft reichen Landes sind, werden diese Segnungen des Reichtums eben auch (fast) allen zuteil, nicht nur einer immer kleiner werdenden Minderheit³.
»Analoge Uhren lesen«
Ich kannte vor langer Zeit zwei Brüder, die beide glaubwürdig behaupteten, dass sie vorm Lesen der Uhr mehrere Typen von Spielautomaten (Merkur...) nicht nur lesen, sondern sogar bedienen konnten (mit Hilfe eines Kleinkind-Barhockers oder so); Leider waren beide vermutlich schon mit reichlich Spielschulden geboren worden und sind deshalb nie auf einen Grünen Zweig gekommen, obwohl sie sehr viel vom Kredit-Nehmen verstanden.
¹ http://www.mittelalter-lexikon.de/wiki/Amme
²Dadurch konnte natürlich auch leichter die Erbfolge ›aufrecht‹ erhalten bzw. ›Kuckuckskinder‹ legitimiert werden
³Wie es russische und andere DesInformanten als schleichendes Gift heimtückisch in die unschuldigen Ohren deutscher Muster-Untertanen träufeln
@Ratze
Im Moment wird doch eher daran gearbeitet, die Ungarn und die Thailänder ‑für einen Billiglohn- in deutsche Pflegeheime zu holen, oder?
@Tiffany
Und wie böse das ist! Das hieße ja auch, Kinder vor dem 3. Lebensjahr nicht in die Kindergärten zu schicken. Vorher sind eher die wenigsten Kinder »trocken«.
@orinoco
Hing im Spamfilter. Ist freigeschaltet. Zu viele Sonderzeichen und/oder Links wertet das Anti-Spam-Tool als gefährlich ein.