Der pädagogische Happen (60)

- Wertschätzung -

Während ich in der letzten Folge, eine Schattenseite der pädagogischen Arbeit thematisiert habe, will ich heute über positive Aspekte in der pädagogischen (Grundschul-)Arbeit berichten. Denn bei aller Kritik und bei allen bildungspolitischen Mißständen: die pädagogische Arbeit mit Kindern kann sehr erfüllend und sinnstiftend sein.

Ganz vorn dabei ist: »die Wertschätzung«. Wer Kinder altersentsprechend begleitet und unterstützt, für sie da ist, wenn sie Hilfe brauchen, gute Bindungsarbeit leistet, sie selbstbestimmt agieren lässt und sie bei vermeintlichen »Fehlern« und »Schwächen« nicht sofort verurteilt, sondern sie so akzeptiert, wie sie sind — der wird von Kindern auch respektiert und geschätzt werden. Kinder haben hier ein sehr feines Gespür und ihre Wertschätzung ist weniger berechnend als die von vielen Erwachsenen. Sie ist ehrlich und authentisch.

Bei den (Schul-)Eltern ist es ähnlich. Neben vielen dankbaren Eltern, die einem (zu besonderen Anlässen) kleine Geschenke zukommen lassen — gibt es auch solche, die nach Jahren von konfliktreichen und schwierigen Gesprächen, leise zugeben, dass man seine pädagogische Arbeit richtig gemacht hat. Ich hatte auch schon Eltern, die im Gespräch vor Freude geweint haben, weil wir ihre Kinder nicht aufgegeben haben, obwohl sie das womöglich selbst schon getan hatten.

Es ist eben etwas völlig anderes, wenn ein Bürochef behauptet, man habe »gute Arbeit« geleistet und man evtl. sogar eine finanzielle Prämie erhält, als wenn Dir ein Kind in der 6. Klasse zu verstehen gibt, dass es Dir sehr dankbar ist, dass Du es auf den »richtigen Weg« gebracht hast. Das ist echte Dankbarkeit und Wertschätzung, die motiviert und Kraft gibt. Man weiß, dass man eine sinnvolle Arbeit verrichtet hat und kann zufrieden einschlafen.


Kinder in Deutschland
Der pädagogische Happen

Ein Gedanke zu “Der pädagogische Happen (60)

  1. Gerade für frühkindlich traumatisierte Kinder können sekundäre Bezugspersonen als »warmer Ofen« das Schlimmste verhindern. Das Leben wird nicht einfach für sie (die Kinder) bleiben, aber wenn man nur in eine einzige Person das Vertrauen nicht verloren hat, verliert man nicht das Vertrauen in die Welt. Solche »warmen Öfen« können einerseits psychisch sehr »normale«, neurotypische, aber sehr empathische Menschen sein, andererseits selbst frühkindlich traumatisierte, die auch die Erfahrung eines »warmen Ofens« machen durften und so ihr Leben zumindest einigermaßen in den Griff bekamen.

    Hab gerade die Autobiographie von Elmar Hörig gelesen, der höchstwahrscheinlich auch frühkindlich traumatisiert ist (verlor seine Mutter im »sitting duck«-Alter), aber auch von einem sozialen Netz aufgefangen wurde, das das Schlimmste verhinderte, aber seine psychischen und sozialen Probleme natürlich nicht vollkommen beseitigen konnte. Er wurde dann selbst Lehrer und als erstes auf eine Stelle mit schwersterziehbaren Schülern geschickt mit denen er als ebenfalls, wenn auch nicht ganz so verkrachte Existenz sich solidarisierte statt zu konfrontisieren. Am Schluß als Hörig nach einer durchgemachten Nacht und drei Stunden Schule völlig übermüdet zu seinen Schülern sinngemäß sagte: »Macht was ihr wollt, aber ich muss jetzt mal eine Stunde schlafen«, da saßen da 15 Schwersterziehbare, die sich am Anfang in der Stunde prügelten oder selbst auf dem Boden schliefen, mucksmäuschenstill auf ihren Plätzen und weckten den schlafenden Lehrer sanft nach einer Stunde: »Herr Hörig, die Stunde ist um und mir müsset jetzt zum Essen«. Einen dieser Schüler traf Hörig im hohen Alter später zufällig wieder, der Krankenpfleger und so schon pensioniert geworden war.

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