Presseblick (90)

t‑online.de vom 27. Januar 2023

Putinversteher. Verschwörungstheoretiker. Holocaustrelativierer. Verbindungen zu rechten Medien. Covidiot. Verschwörungsunternehmer. Umstritten. Kruder Verschwörungserzähler. Antisemit. Verschwörungsideologe. Schwurbler. Brauner Esoteriker. Rechtsoffene Querfront. Wirrkopf. Verschwörungsfanatiker. Corona-Leugner. Und so weiter und so fort.

Wird das nicht langsam langweilig? Wie lange wollt Ihr diese ausgelutschte Ad-Hominem-Methode noch anwenden? Am Ende lautet die Botschaft immer: »Achtung! Hört nicht auf die Schmuddelkinder! Was Wahrheit ist, bestimmen wir!« Was ist das für ein »Journalismus«, der ständig Andersdenkende beschimpfen will? Dürfen sich erwachsene Menschen vielleicht auch selbst eine Meinung bilden?

Diversität
Die Gamestar titelt: »Diese 14 starken Spiele zeigen: beim Gaming sind alle willkommen.« Gemeint ist natürlich Vielfalt und LGBT+. Gleichzeitig sperren sie die Kommentarfunktion mit der Begründung:

»Aufgrund des erwartbaren hohen Moderationsaufwandes haben wir die Kommentare für diesen Artikel komplett geschlossen. Die Erfahrung zeigt leider, dass obwohl das Thema Vielfalt und Gaming schon lange in den Spielen selbst angekommen ist, die Kommentarspalten immer wieder von Community-fremden Menschen genutzt werden, um Intoleranz zu verbreiten

Wir sind für Diversität bei den Geschlechtern, lassen aber keine Verschiedenheit bei den Meinungen und Weltansichten zu. Wir sind zwar für Toleranz, sind aber intolerant gegenüber Kritik und anderen Ansichten. Alles, was nicht unserer Haltung entspricht, wollen wir nicht hören und framen wir als »Hass«. Sie predigen ständig Pluralismus, leben aber Einheitsfront.

Gesundheit
Während der sog. »Corona-Pandemie« hat die Ernährung keinerlei Rolle gespielt. Viele Kritiker haben damals schon oft darauf hingewiesen, dass sie eine entscheidende Bedeutung für die Gesundheit hat. Auch bei COVID-19. Gleichzeitig wurde der neoliberale Habitus nie abgelegt. Auch das hat man die letzten drei Jahre fein ausgeblendet. Wie ist denn so das Essen in Krankenhäusern und Pflegeheimen?

Reicht das für die »Gesundung«?

Israel
In Israel haben wir jetzt eine ultrarechte Regierung, die sich nicht nur weiter selbst via Justizreform dauerhaft ermächtigen will, sondern auch deutlich härter gegen Kritiker und die Opposition vorgehen wird. Von den Palästinensern ganz zu schweigen. Es gibt große Proteste im Land. Der Nah-Ost-Konflikt wird weiter eskalieren. 1987 schrieb die TAZ noch: »Gaza ist ein einziges großes Gefängnis.« Heute würde das sofort als rechts-rechts-nazi-nazi geframt werden. Derweil greifen israelische Flugzeuge Ziele in Syrien an. Verstößt das nicht gegen das Gewaltverbot und das Völkerrecht? In unserer Presse ist das alles kein großes Thema. Der Antisemitismus-Vorwurf verhindert jede sachliche Auseinandersetzung. Einzig Telepolis fragt: »Wer hat Angst vor Israel-Kritik?«

Migration
Für jeden unideologischen, sachlich-denkenden Menschen ist klar, dass man nicht unendlich viele Flüchtlinge aufnehmen kann. Hierbei geht es nicht nur um den Platz, sondern auch um die erfolgreiche Integration. Wo und wie sollen die Menschen Lohnarbeit finden? Haben wir genügend Fortbildungs‑, Weiterbildungs- und Umschulungs-Plätze sowie Dozenten? Gibt es genügend Sprachkurse und Lehrer? Haben wir ausreichend Kapazitäten in den Grundschulen? Können wir den Kriegs-Traumatisierten ausreichend Therapieplätze anbieten? Wer diese und viele weitere Fragen stellt, ist in Deutschland bereits ein Nazi und gehört aus dem Diskurs ausgeschlossen. Es ist nicht mal mehr möglich, bekannte Probleme sachlich anzusprechen, ohne dass nicht sofort mit Repressionen geschossen wird. Wie man so ernsthaft an Lösungen arbeiten will, ist mir schleierhaft.

Bildung
Kindergärten sind am Limit. Schulen sind am Limit. Es fehlen rund 400.000 Betreuungsplätze sowie mehr als 100.000 Erzieherinnen. Mehr als 10.000 Lehrer-Stellen sind unbesetzt. Die Einrichtungen vegetieren mehr und mehr vor sich hin. Sanierungs- und Renovierungsarbeiten werden nur zögerlich oder gar nicht durchgeführt. Das alles ist seit Jahrzehnten bekannt. Was macht die Politik? Schiebt die Verantwortung hin und her und hat tolle Ideen:

»Die Vorschläge der Kommission sehen unter anderem vor, die Möglichkeiten für Teilzeitarbeit zu begrenzen. Denn fast die Hälfte der Lehrkräfte in Deutschland arbeitet in Teilzeit. [...] Klassen sollten dort vergrößert werden, wo festgelegte Maximal- oder Orientierungswerte unterschritten werden.«

- tagesschau.de vom 27. Januar 2023

Größere Klassen. Vorhandene Lehrkräfte weiter ausbrennen. Niemand, wirklich Niemand der Verantwortlichen ist an einer ernsthaften Verbesserung der Lage interessiert. Wie schnell das alles gehen kann ‑wenn man nur will- haben wir bei den »Corona-Maßnahmen«, der Bankenkrise sowie dem »Sondervermögen« (Schulden) für die Bundeswehr gesehen.

Krieg
Wenn Deutschland, die EU und die USA die Ukraine mit Waffen vollpumpen, dann ist das keine Kriegsbeteiligung oder ‑Unterstützung, sondern »Solidarität«. Wenn China Russland mit Waffen beliefern will, dann ist das ganz doll böse. Weil wir hier im Westen immer festlegen, was »gut« und was »böse« ist. Diese infantile und kleingeistige Beleidigung eines jeden kritischen Verstandes, ist kaum noch auszuhalten.

»Die USA warnen vor möglichen Waffenlieferungen Chinas an Russland. Nun reagiert auch die EU. Laut Chefdiplomat Borrell würde die Volksrepublik damit eine rote Linie überschreiten.«

- spiegel.de vom 20.02.2023

Was ist eigentlich mit den Menschen in der Ukraine, die sich nicht am Krieg beteiligen wollen? Die eben nicht für die Regierung der Ukraine oder für die geopolitischen Interessen der USA sterben wollen? Was passiert mit Kriegsflüchtlingen, Deserteuren und Wehrdienstverweigerern? In der Ukraine droht ihnen eine mehrjährige Haftstrafe. Und in Deutschland? Haben diese Menschen auch unsere »volle Solidarität«? Oder betrachten wir sie nicht doch als Feiglinge und Verräter, weil Putin ja unbedingt besiegt werden muss?

Da ist sie wieder: die Entmenschlichung und Abwertung (welt.de)


Presseblick
Ziegenjournalismus

10 Gedanken zu “Presseblick (90)

  1. Zur Diversität:
    Ich sehe da einen Zusammenhang: Im Grunde genommen ist es allgemein bekannt, dass die Toleranz gegenüber abweichenden Meinungen und Verhalten immer mehr abnimmt. Längst muss jeder mit Sanktionen rechnen, der nicht das Narrativ der Herrschenden bedient. Wenn man sich nun eingestehen müsste, dass man aktiver Teil dieser Entwicklung ist, könnte dies am Selbstverständnis nagen. Also konzentriert man sich auf eine kleine, abartige aber harmlose Randgruppe (am besten was mit Sex) und sagt diese müssen gleichgestellt zu allen anderen werden. Dies ist zwar richtig im allgemeinen aber falsch im exklusiven. Aber es hat zwei Vorteile, ich kann mir selbst beweisen, wie weltoffen und tolerant ich bin (ich habe doch gestern ein dunkelhäutiges lesbisches Flüchtlingskind umarmt, Hurra gestern hat sich ein Mitschüler als schwule Transfrau geoutet) gleichzeitig kann ich jeden der meine Begeisterung für die Wichtigkeit der Teilgruppe nicht teilt als rechtes Arschloch brandmarken und über Intoleranz lamentieren ohne Herrschende angreifen zu müssen. Und einfacher durchzusetzen als: jeder muss gleich behandelt werden und gleiche Möglichkeiten haben.

  2. Die faule Begründung des angeblich zu hohen Moderationsaufwandes für die Abschaltung der Kommentarfunktion bzw. der Leserforen war schon damals bei den üblichen Verdächtigen der Lückenpresse sehr beliebt. Die Artikel dazu von Paul Schreyer
    //Paul Schreyer Telepolis Foren Zensur//
    kann man noch bei Telepolis nachlesen. Ironischerweise wird seit ca. 2019 auch im heise-Forum, dem Telepolis angegliedert ist, die Zensurkeule geschwungen, nur mit noch mehr Willkür als die Komplettschließung. Dass es mit letzterem und der vorgeschobenen Begründung des hohen Moderationsaufwandes nicht weit her ist, was die Glaubwürdigkeit betrifft bzw. alles nur faule Ausreden für Zensur sind, beweist, dass diejenigen die das propagieren überhaupt keine Veranlassung sehen durch technische und organisatorische Mittel den Moderationsaufwand gering zu halten. Ich bin jetzt schon seit über 20 Jahren in der Moderation und Administration von Mailing Listen und Webforen unterwegs und kenne die Möglichkeiten um Trolle und Spammer wirksam abzuschrecken. Da ist zum einen die Karenzzeit bei neuen User-Logins. Dann kann man für neue User ein Posting-Limit pro Zeiteinheit einführen, das auch erst mit der Zeit herauf gesetzt wird. Auch könnte man die Anzahl der Kommentare pro Artikel und User limitieren usw. usw.
    Kann man alles machen, muss man alles nicht gut finden, aber wer sich als verantwortlicher Foren-Admin mit solchen Überlegungen überhaupt nicht befasst und einfache alle Foren dicht bzw. die Kommentarfunktion abschaltet, der benutzt den angeblichen Moderationsaufwand nur als Ausrede für die Zensur unliebsamer Meinungen.
    Ja, er macht eigentlich keinen Sinn diesen Löschadmins (die mit all diesen Nazi-Titulierungen auch nur von sich auf andere schließen) mit Argumenten und Logik zu kommen. Aber man muss ja als erstes immer sich selbst überzeugen. Und dann gibt es ja vielleicht noch andere, die das auch machen.

  3. Mich haben ganz viele Foren schon lange vor Covid, zensiert und abgeschaltet.
    Und Peng seit Covid gab es dann in sehr vielen Portalen auch gleich gar keine Kommentarfunktion mehr.

  4. @orinoco

    « der benutzt den angeblichen Moderationsaufwand nur als Ausrede für die Zensur unliebsamer Meinungen«

    So ist es. Ich bin gespannt, wie lange es dauern wird, bis auch endlich bei dem letzten Mainstream-Gläubigen die Erkenntnis reift, dass Zensur, Diffamierung und Ausgrenzung, mit »Demokratie« nicht mehr viel am Hut haben.

  5. »Scholz betonte: Der Moment, der eine Friedensperspektive eröffnet, der muss erst entstehen. Das sei ein Grund, warum er irgendwann demnächst auch mal wieder mit dem russischen Präsidenten Wladimir Putin reden werde, um ihm vorzutragen, dass die Dinge anders sind, als sie von ihm gesehen werden. Damit gelte es auch zu hoffen, dass dann irgendwann ein Moment entsteht, wo dann tatsächlich faire Gespräche möglich sind, die für die Ukrainerinnen und Ukrainer zu akzeptablen, richtigen Ergebnissen führen.«

    - tagesschau.de vom 23.03.2023

    Habe ich das richtig verstanden? Scholz will Putin klar machen, wie er die Dinge zu sehen hat, damit dann »faire Gespräche« möglich sind? Ist das die neue Diplomatie?

    Ich dachte immer, echte Kompromisse, Lösungen und eine faire Kommunikation entstehen nur dann, wenn man sein Gegenüber, seine Bedürfnisse und Interessen ernst nimmt, und dann gemeinsam an einem Kompromiss arbeitet?

    Lernt man das nicht in jeder Supervision, in jeder Mediation und in jedem Konfliktmanagement?

  6. @epikur
    Ich würde mich ja auch noch über die

    richtigen Ergebnisse

    echauffieren. Das sagt nämlich alles: Ergebnisse gelten nur dann, wenn sie – für die Ukraine[rInnen]! – richtig sind. Scholz weiß also schon, was hinten rauskommen soll. Klar, so kann man angeblich diplomatische Gespräche auch angehen. Dann sollte man sich aber nicht wundern, wenn das Gegenüber da so seine handfesten Zweifel hat bzw. sich solchen, äh, »Gesprächen« möglicherweise verweigert.

  7. @Tiffany

    Diese Aussagen offenbaren auch immer wieder, was sie unter »Diplomatie« und »Gespräche« verstehen.

    Ständig betonen sie überall, dass man mit Putin ja »nicht reden kann«. Und dass sie es ja alle versucht hätten. Klar, wenn man die Interessen und Bedürfnisse seines Gegenübers nicht sehen, und nur die eigene Sichtweise durchdrücken will — wird das auch nie was mit »Verhandlungen«.

    Das weiß, wie gesagt, jeder Kommunikations-Coach, Mediator, Psychologe oder Supervisor. So wird das nix. Aber dann überall frech behaupten: »Wir haben ja versucht, mit ihm zu reden. Aber er will nicht!«

  8. @Kakapo3

    Die Gamingszene zeigt schon lange, wie undifferenziert man mit dem Thema Diversität umgeht. Letztens hat Matthias Buchardt zum Gaming einen interessanten Ansatz formuliert, wo er sagt, dass es völlig egal ist, wenn da Menschen/Figuren getötet, verstümmelt und gefoltert werden, aber beim Thema Diversität keine Gefangenen gemacht werden (sinngemäß). Gamestar ist dabei mittlerweile von völlig verblendeten Idioten geführt, auch weil die »richtigen« im großen Getöse gegangen sind.

    zu den Grünen und Canceln:
    Ja, die sind ständig aktiv. Behaupten, Cancel Culture gäbe es nicht und machen es ständig selbst. Und richten noch Stellen ein, wo man anonym melden kann.

    Zum Krieg fällt mir nur noch ein, dass da eine dicke Nebelwand zwischen Verkündungen und Realität steht. Der Heroismus für die Ukraine von unserer Perspektive aus klingt ständig wie Siegessicherheit, die man mit Propaganda wie bei Corona aufrecht erhalten muss. Dieselbe Scheiße eben. Und natürlich muss man Kritik abwerten und Exempel statuieren. Weil man selbst nicht genügend Argumente hat, das in aller Ruhe zu rechtfertigen. Auf der Ebene würde ich noch in die Diskussion gehen wollen, aber das hat keinen Sinn mehr. Wir Friedensschwurbler und so. An Lobo merkt man am besten, wie dumpf man sich via Journalismus an den »Feinden« abarbeiten muss, wenn man schon nichts auf dem Kasten hat.

  9. Ein Traum: Auf jeder Seite der großen Zeitungen ein Forum mit Redefreiheit ohne Zensur. Beteiligung der Bevölkerung am politischen Diskurs in der Mediokratie, die vorgibt, wie die Politik handelt.

    Aber die Eliten sind nicht für Meinungsfreiheit, man erinnere sich, wie sie getobt haben, als Musk ein bisschen Meinungsfreiheit auf Twitter ermöglichte.

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