Mittlerweile gibt es eine regelrechte Schwemme und Flut an Serien. Viele sind ganz okay, viele ziemlich durchschnittlich, einige totaler Schrott. Aber nur selten hinterlassen sie einen bleibenden Eindruck. »Breaking Bad«, »Narcos«, »Better Call Saul«, »Game of Thrones« (Staffel 1–5), »The Wire« und natürlich »Babylon 5«, um nur einige zu nennen, sind Serien die mich nachhaltig berührt, beschäftigt und teilweise sogar geprägt haben. »Pachinko« aus dem Jahr 2022 hat mich nach drei Folgen schon ziemlich geflasht. Allein das Intro ist sehr gelungen und versprüht pure Lebensfreude.
Worum gehts?
Es wird das Leben einer koreanischen Familie in vier Generationen in 8 Folgen erzählt. Unter der japanischen Besatzung Anfang des 20. Jahrhunderts bis zum Jahre 1989, wo ein Enkel der Familie für eine US-Bank ein Millionengeschäft abschließen soll. Die Serie basiert auf dem New Yorker-Bestseller »Pachinko« von der Autorin Min Jin Lee, das 2017 erschienen ist. Ein »Pachinko« ist übrigens eine Mischung aus Geldspielautomat und senkrechtem Arcade-Spiel, das in Japan sehr populär ist.
Das (Dreiecks-)Verhältnis zwischen Korea, Japan und den USA ‑aber insbesondere zwischen Korea und Japan- wird intensiv beleuchtet. Jenseits von Slapstick, Overacting und übertriebenen Humor (wofür südkoreanische Produktionen auch bekannt sind), taucht der Zuschauer tief in die kulturellen Traditionen und Lebensverhältnisse der Menschen ein. Ohne moralischen Zeigefinger werden Unterdrückung, Repressionen, aber auch alltägliche Mitmenschlichkeit dargestellt.
Warum so gut?
Die Charaktere sind glaubwürdig inszeniert, das Drehbuch hervorragend und die Schauspieler machen ihre Sache sehr gut. Kulturelle Unterschiede, historische Gemeinsamkeiten sowie gewachsene Vorurteile, die bis in die Gegenwart reichen, werden intensiv beleuchtet. Die Identität der Figuren sind kein selbstgerechter Selbstzweck, sondern geschichtlich gewachsen. Das hier ist echte »Diversity«, wo man neue Einblicke in die Geschichte und die Kultur eines anderen Landes erhält. Genau das kann dann auch Vorurteile abbauen und eine Sensibilität dafür herstellen. Nicht mit Sprachregulierung, Cancel-Culture, Vorwürfen, Verbotsorgien oder der woken Zurschaustellung von Hautfarben und Sexualitäten — sondern mit echtem Interesse an Kultur, Geschichte und Tradition. Auch die eigentlich (ur-)linken Themen, Armut und Reichtum, werden ausführlich behandelt.
Fazit
Starke (Frauen-)Figuren macht nicht aus, dass sie stark sind bzw. sich ihrer Stärke bewusst werden (»Mary Sue«), sondern dass sie Fehler machen und Schwächen haben, die Konsequenzen ihrer Entscheidungen mit Würde akzeptieren, sich ihren Ängsten stellen, Herausforderungen annehmen — und aus all dem lernen, wachsen und reifen. Deshalb wird Luke Skywalker immer tiefer in den Herzen der Zuschauer sein, als es eine (Ich-muss-nichts-lernen-)Rey jemals vermag.
IMDB vergibt für »Pachinko« 8,4 Punkte. Die Serie ist jetzt schon für zahlreiche Auszeichnungen nominiert. Für mich bisher die Überraschung des Jahres, wenn manchmal auch ein bisschen sehr melancholisch angehaucht. »Pachinko« ist leider nur bei apple TV zu sehen. Aber vielleicht kennt Ihr ja Jemanden, bei dem Ihr die 8 Folgen sehen könnt? Es lohnt sich!
Update 23.10.2024: Auch die zweite Staffel ist hervorragend gemacht (gerade durch). Zwar deutlich düsterer und melancholischer, aber nicht weniger authentisch und einfühlsam. Das ist eine Serie, wo man mit den Figuren mitfiebert. Die gezeigten Emotionen sind kein Selbstzweck, weil es das Drehbuch gerade erfordert, sondern sie fügen sich sehr gut in die Geschichte ein.
Was ein »Ringe der Macht« mit Milliarden-Budget oder etliche Star-Wars-Serien mit einem Riesen-Konzern als Backup nicht mehr hinbekommen, schafft »Pachinko«: glaubwürdige Figuren, ein nachvollziehbares Drehbuch, erwachsene Dialoge und eine stringente Handlung. Echt schade, dass diese Serie in Kleinbloggersdorf so untergeht. Denn sie ist weiterhin sehr empfehlenswert!