»Berlin hat durch die Nichtverbeamtung seiner Lehrer viele Pädagogen an andere Bundesländer verloren. Die Regierende Bürgermeisterin wirbt für ihre Rückkehr.«
tagesspiegel.de vom 28.11.2022
Ich möchte an dieser Stelle nicht über die Verbeamtung reden, sondern darüber, wie in unseren Massenmedien Lehrer immer wieder mit Pädagogen gleichgesetzt werden. Lehrer sind in aller Regel keine Pädagogen! Konzepte wie Selbstreflexion, Partizipation, Ganzheitlichkeit, aktives Zuhören, Resilienz oder Selbstwirksamkeit, sind für viele Lehrer Fremdwörter. Sie müssen den föderal vorgegebenen Rahmenlehrplan in die Köpfe der Kinder stopfen, werden für diese absolut undankbare Arbeit überdurchschnittlich bezahlt und nutzen dafür allerlei didaktische Methoden, Belohnungs- und Bestrafungssysteme. Am Ende steht dann eine Note auf dem Zeugnis, die beweisen soll, wie gut oder wie schlecht das geklappt hat.
Pädagogen richten ihren Fokus vielmehr auf das ganzheitliche Kindeswohl und die Kindesentwicklung. Natürlich spielt die Schule bei dieser Betrachtung eine Rolle, aber sie steht eben nicht immer an erster Stelle. Und für viele Kinder schon gar nicht. Da spielen Freunde, die Familie, Hobbys, Leidenschaften, Haustiere, Medien und viele andere Interessen und Bedürfnisse weit höher im Kurs. Auch wenn das viele Erwachsene weder verstehen können, noch verstehen wollen. Aber genau darum geht es bei Pädagogen: die Kinder in ihrem So-Sein verstehen lernen und sie bestmöglich zu begleiten.
Lehrer können das schon deshalb nicht, weil ihre beruflichen Vorgaben das kaum zu lassen. Also bitte, liebe Journalisten: Lehrer sind keine Pädagogen!
Lehrer sollten aber Pädagogen sein. Wissensvermittlung und Fähigkeitenbildung funktioniert am besten, wenn so vorgegangen wird, wie hier beschrieben:
Dass Lehrer nicht als Pädagogen auftreten (können), bedeutet, Schulen dienen nicht der Wissensvermittlung und Fähigkeitenbildung.
Schulen haben vielmehr die Aufgabe, Klassenunterschiede in persönliche Unterschiede umzuwandeln und damit die Herrschaft der oberen Klassen zu festigen.
@Kakapo3
»Lehrer sollten aber Pädagogen sein.«
Vollkommen richtig! Nur Pädagogik und/oder die kindliche Entwicklung ist beim Lehramt kaum Thema. Deshalb ist die Lüge umso dreister, wenn Journalisten »Lehrer« ständig als »Pädagogen« bezeichnen.
Mir geht es hier nicht um semantische Klugscheißerei, sondern darum, dass endlich begriffen wird, dass Lehrer keine Pädagogen sind. Das rückt dann das kindliche Wohl auch mehr in den Mittelpunkt.
Lehrer müssen heute wohl mehr Pädagogen sein, wenn es zuhause mit der Erziehung nicht klappt. Natürlich hat das ganz nüchtern nicht mit Lehrerschaft zu tun. Ich glaube, Jounalisten offenbaren hier wieder ihre eigenen Erfahrungen, weniger schulisch denn pädagogisch geprägt zu sein. Oder es klingt einfach wissenschaftlicher bei falscher Kontextierung.
Dazu eine Anekdote von meinem Berufsalltag (Gymnasium Prüftermin):
Lehrerin sieht mich beim Arbeiten, da verdunkelt sich ihr Blick und sie sagt: »Hoffentlich lösen Sie keinen Amok-Alarm aus! Letztes Mal hat Ihr Kollege das getan, das hat die Schüler in Angst versetzt. Das hat noch lange nachgewirkt.«
Ich denke mir: »Jo, einen Schrecken darf man haben. Aber wenn sich etwas schnell als Fehlalarm herausstellt, dann kann man das gedanklich auch ad acta legen. Wenn es so nachgewirkt hat wie behauptet, dann haben Eltern und/oder Lehrer mal gewaltig was versemmelt.«
@Sascha
Gerade ein Buch gelesen (Baldwin »Fighting the First Wave« nicht lesenswert), in dem umschrieben wird, dass in vielen Ländern (einschließlich Deutschland) es die Lehrer bzw. die Lehrerverbände waren, die am lautesten nach scharfen Beschränkungen in der Coronakrise geschrien haben. Auch hatte die Berufsgruppe der Lehrer (einschließlich der Dozenten an den Universitäten) die meisten Menschen, die auch nach Aufhebung der Schließungen, nicht wieder an ihren Arbeitsplatz zurückgekehrt sind. Auch wenn dies natürlich nicht jeden einzelnen Lehrer betrifft, frage ich mich doch wie diese Leute für selbstbewusste denkende Erwachsene sorgen sollen.