Im aktuellen Böckler Impuls (Ausgabe 18–2018) von der gewerkschaftsnahen Hans-Böckler-Stiftung (DGB), gibt es eine interessante Untersuchung zum Thema »Nachts in der Kita«. Kinderbetreuung, die 24 Stunden am Tag und auch an Wochenenden möglich ist. Deutschlandweit gebe es bereits zehn Einrichtungen die eine 24-Stunden-Betreuung anbieten. Die Nachfrage steigt. Zwar betonen die Forscher, dass sie »kein Ersatz für familienfreundliche Arbeitszeiten« seien, behaupten aber, dass sie grundsätzlich geeignet sind, um »Eltern die Vereinbarkeit von Beruf und Familie zu erleichtern, ohne dass die Kinder Schaden nehmen.« Sagen zumindest die Leiterinnen der besagten 24-Stunden-Kitas sowie die Forscher der Studie.
»Alles in allem gehen die Befragten davon aus, dass erweiterte Betreuungszeiten nicht schädlicher sind für das Kindeswohl als die regulären Zeiten.«
Interessant, dass hier kein Pädagoge oder Psychologe zu dem Thema befragt wurde. Statdessen erweisen die Forscher den Kindern hier einen Bärendienst. Gerade für Kleinkinder ist eine übermäßige Fremdbetreuung nicht immer ohne Folgen. Die zahlreichen Untersuchungen hierzu, erwähnt die Studie mit keiner Silbe. Unternehmen und Industrie wird es freuen. Schließlich sollen so gut wie alle Lohnarbeiter (und eben nicht nur Feuerwehr-Leute, Polizisten, Altenpfleger etc.) am besten immer verfügbar sein. 24-Stunden-Kitas eignen sich hierfür bestens, um die Kinder jederzeit abschieben liebevoll betreuen zu können.
Früher hat man dazu noch Heim gesagt.
Das garantiert dann auch, dass der Nachwuchs durch die Daueranstalten schablonengerecht heranwächst. Vielfalt durch Entwicklung des Eigensinns schadet schließlich der reibungslosen Austauschbarkeit im späteren Aaabeitsleben. Rabota, Rabota.
Die von mir sehr geschätzte Künstlerin Katrin Weber (Plauen) sagt, dass die 5‑Tage-Krippe das Geschenk der DDR an die Psychotherapeuten war.
Mich stört an dieser Nummer schon ausgangs, dass es immer »betreuen« und »Kindertagesstätte« heißt. Ersteres trifft sogar auch auf den Sprech rund um die Ganztagsschule zu.
Was bedeutet das nämlich inhaltlich?
»Parken«, »bespaßen« — das bedeutet es nämlich!
Es ist, als wenn jemand auf einen Hund aufpassen soll.
Und daraus sollen intelligente Kinder entstehen, die man guten Gewissens einschulen kann!? Geschweige denn glückliche Kinder, die später als Erwachsene mit ihrem Leben zurecht kommen?
Entwicklungspsychologie weiß, dass das absoluter Unsinn ist.
Kleiner Einwurf am Rande mal, für diejenigen die nur das aktuelle Konzept kennen: In West Germany waren Kitas schon immer nur kostenpflichtige Aufbewahrungsanstalten. Eben — Parkplätze für Kinder, für Leute, die es sich leisten können.
In der DDR ging man da pädagogischer heran — es war nicht nur, dass die Erwachsenen arbeiten konnten, sondern der Kindergarten hatte auch die Aufgabe, für das leibliche als auch für das geistige Wohl der Kinder zu sorgen. Dass sie z. B. täglich unter Aufsicht eine warme Mahlzeit erhalten haben. Geistig gefördert wurden und sich die basischen kognitiven Fähigkeiten richtig entwickeln (z. B. Feinmotorik, Sprechen — kleine selbstverständliche Dinge, die aber später zum Problem werden, wenn sie unzureichend im Gehirn verankert sind).
Dass das ganze auch ungesunde Auswüchse haben kann, die vom Konzept nicht mit Absicht darin vorgesehen sind, ist leider eine traurige Selbstverständlichkeit... (Die’s aber sehr wohl verdient, wahrgenommen zu werden!)
Diesen kleinen, aber feinen Unterschied muss man bei diesem Thema immer im Hinterkopf behalten. West German Kindergarten und DDR Kindergarten waren schon immer grundverschiedene Dinge.
Das, was jetzt gefördert wird, ist ausschließlich das westdeutsche System. »Parken« eben, damit die Alten schuften und nicht sich nicht mit den Kindern rausreden können, warum sie nicht den bedingungslosen Diener machen.
Eigentlich kann man sogar jetzt schon »bestaunen«, was das für Kinder hervorbringt... Kinder, die als Teenager und Erwachsene im Verhalten so leben, als wenn sie dauernd einer Schuld unterliegen, überhaupt da zu sein. Sie beschäftigen sich allein ( = spielen mit dem Smartphone die ganze Zeit), unternehmen wenige Schritte in Richtung »was zu stande zu bringen« (was auch immer das sein kann für sie), lassen sich gern finanziell von den Eltern aushalten (lang bei den Eltern wohnen) und werfen bei der kleinsten Schwierigkeit gleich die Flinte ins Korn, bleiben an nichts dran.
Was ist das für ein Verhalten? Das Verhalten von jemandem, der an eine bestimmte Rolle gewöhnt ist, die scheinbar daraus besteht, möglichst nichts selbst zu wollen. Man soll das Liebesobjekt der Eltern bleiben. Sie nicht verlassen. Andererseits ihnen auch nicht zur Last fallen in Form von geistiger Arbeit oder Zeit. Aber — man soll eben da sein, weil diese sich den Traum von Familie nebenbei erfüllen wollten.
...Ja, ist das noch ein Wunder, dass die sich so benehmen, wenn man sich die Entwicklungsbedingungen um sie herum anschaut?
Da steht nämlich dauerhaft das Signal, dass sie mit ihren Bedürfnissen zu viel sind. Darum werden sie ja schließlich auch geparkt und dauernd hin und her geschoben. Ein Leben im Wartezimmer... Für nichts ist Raum und Zeit da.
Wer daraus noch mit irgendeiner Motivation, etwas zu wollen, herausgeht, das sind dann wirklich nur noch die Hochbegabten, die sich mit ihrer Intelligenz selbst antreiben...
Kleine Anmerkung noch zum Schluss: Keinesfalls will ich das DDR System hier verherrlichen, auch wenn es eher positiv erwähnt wird im Gegensatz zum westdeutschen.
Entwicklungspsychologie gibt genügend Anregungen, warum Kinder unter 3 Jahren nicht von ihrem primären Bezugspersonen für längere Zeit entfernt werden sollten... Die schwesten psychischen Störungen haben dort ihren Ursprung, wenn in dem Lebensabschnitt irgendwas schief läuft. Frühes Von-der-Mutter-entfernen (ohne ernsthaften Grund) gehört da als fester Bestandteil dazu — darum gibt es da auch nichts zu verherrlichen.
Wer mal in einigermaßen laiengerechter Sprache wissen möchte, was die ganze Show neurobiologisch für die Kleinen bedeutet, dem empfehle ich den Vortrag von der Humanbiologin Frau Professor Dr. Teuchert-Noodt bei den 30. Pleisweiler Gesprächen. Gibt es auf YouTube. Die Frau erinnert mich insofern an Rainer Mausfeld, als hier sich hier eben eine Professorin aus dem gesicherten Ruhestand aufmacht, den Menschen mal ein wenig »Wahrheit« nahe zu bringen.
@Matrixmann:
»Wer daraus noch mit irgendeiner Motivation, etwas zu wollen, herausgeht, das sind dann wirklich nur noch die Hochbegabten, die sich mit ihrer Intelligenz selbst antreiben...«
Das gilt aber nur wenn deine Eltern Teil der Funktionselite sind, ab Mittelschicht abwärts und insbesondere in den »bildungsfernen« Schichten heißt Hochbegabung AHDS, und dann gibts Ritalin.
@BerndH60
Würde ich mir nicht so sehr die Sorgen drum machen, denn dann würden sie ja nur noch mehr aktiv werden, weil Ritalin kein Beruhigungsmittel ist, sondern ein Stimulanzium. Nur Leute, die echt AD(H)S haben, reagieren mit Beruhigung darauf, weil bei solchen das Gehirn die Abnormität zeigt, auf Koks mit Ruhe statt Aufgedrehtsein zu reagieren...
AD(H)S hat vielmehr das Problem, in den unteren Schichten weiter verbreitet zu sein als unter den Gutsituierten. Prekäre Lebensumstände und nicht zu ertragende Eltern in zu lauten Haushalten sind dort einfach wesentlich häufiger zu finden...