Reichtumsgerechtigkeit

»Die in Leistungsgesellschaften durch die unterschiedlichen Talente und Fähigkeiten der Menschen erzeugte soziale Ungleichheit lässt sich langfristig nur durch eine hinreichende Fairness des Wettbewerbs rechtfertigen, vor allem durch die Gleichheit der Ausgangschancen

Berthold Franke. »Aus Angst wird Wut wird Hass«. Blätter. Ausgabe Juni 2017. S. 97

Anmerkung: Bei solchen Sätzen frage ich mich ernsthaft, auf welchem Planeten, in wechem Elfenbeinturm und in welcher Filter-Bubble die Herren Akademiker eigentlich leben!? Ist es (leistungs-)gerecht, dass 62 Supereiche soviel besitzen, wie die Hälfte der Weltbevölkerung? Wo, außer in der Theorie, gibt es denn überhaupt einen »fairen Wettbewerb«? Wie kann es jemals »gleiche Ausgangschancen« geben, wenn weltweit Millionen Kinder in bitterer Armut aufwachsen, während sich die Reichen in ihren »Gated Communities« verschanzen? Wie kann Bildung überhaupt die Lösung für alles sein, wenn neofeudale Strukturen vorherrschen? Wo ist die Eigentums- und Verteilungsfrage? :nene:

13 Gedanken zu “Reichtumsgerechtigkeit

  1. Berger von den NDS hält hohe Gehälter für gerechtfertigt, wenn der Steuersatz stimmt.

    »Die Müllers im Gehaltsolymp
    Deutschland diskutiert jedoch nur sehr selten über Mini‑, dafür umso häufiger und emotionaler über Maxilöhne. Darf VW-Chef Matthias Müller trotz Dieselaffäre 9,6 Millionen Euro im Jahr verdienen? Ja, warum denn auch nicht? Während das untere Ende der Lohnspirale aus gutem Grund gesetzlich reglementiert werden muss, ist das obere Ende eine Frage des Verhandlungsgeschicks. Wenn die Aktionäre, also die Besitzer eines Unternehmens, der Meinung sind, Matthias Müllers Dienste seien fast 10 Millionen wert, so ist es ihr gutes Recht, dieses Geld zu bezahlen. Genauso wie es das gute Recht des FC Bayern München ist, mehr als 20.000 Euro pro Tag für den jungen Ballathleten Thomas Müller auszugeben. Hohe Gehälter sind kein Problem einer mangelnden Gerechtigkeit, sondern ein Problem eines dysfunktionalen Steuersystems. Gäbe es in Deutschland einen Spitzensteuersatz in Höhe von 80% für Einkommen über eine Million Euro pro Jahr, könnten sich nicht nur die beiden Müllers, sondern wir alle über diese Top-Gehälter freuen.«

    Damit macht er Propaganda für die LINKE. Es wird nicht gefragt bzw. erklärt, woher denn das hohe Gehalt der Müllers überhaupt kommt, bzw. wem es vorher aus der Tasche gezogen wird. Die 80 % Einkommensteuer zahlt nämlich letzten Endes wer?

    http://www.nachdenkseiten.de/?p=39576

  2. Die in Leistungsgesellschaften.......
    Seltsam, nicht wahr? Es braucht keine 15 Jahre um über einen abstrakten Oberbegriff (inklusive seiner ganz schön frech hegemonialen Plurailisierung) ein ideologisch mentales Grundkorsett so zu etablieren, dass es sich generationsübergreifend normalisiert, — und sich dann in den Details davon verliert.

  3. @eb

    Das Problem geht meines Erachtens noch viel tiefer. Zunächst ziehen Neoliberale Linke auf ihren Diskursrahmen. Dann fangen Linke irgendwann an, die Sprache, Begriffe und Wörter der Neoliberalen zu benutzen. Am Ende wird dann irgendwann genauso gedacht: Leistung, Wettbewerb, Ökonomie, Bildung, Freiheit, Management, Effizienz...Blablabla. 68er, SPD und Grüne sind dafür die besten Beispiele. Auch in den »Blättern« gibt es hin und wieder solche Beiträge, die auch auf Spiegel Online hätten stehen können. Traurig.

  4. Berthold Franke hat im Grunde Recht. Das Problem ist, dass
    »Gleichheit der Ausgangschancen« nicht existiert. Franke macht eine Aussage, dass zwar stimmt, aber vollkommen nutzlos ist. Das passiert deshalb, weil Ungleichheit nur monetär betrachtet wird. Das reicht aber nicht. Soziales und kulturelles Kapital spielen eben auch eine Rolle.
    Will man das auflösen, müsste man den Eltern die Kinder wegnehmen und gleich aufziehen. Nur um die Leistungsgesellschaft zu erhalten ist das ein wenig drastisch.

    Die Argumentation von Jens Berger kann ich teilweise nachvollziehen. Ich teile es nur bedingt. Denn der Reiche erwirtschaftet seinen Reichtum nicht. D.h.
    1. er beutet irgendjemanden aus
    2. durch seinen Reichtum erhält er zu viel Macht (unabhängig von der Steuerhöhe)
    3. es ist eine massive Ressourcenverschwendung (Spekulation auf Wohnraum, etc.)

    D.h. extremer Reichtum ist nicht nur unfair, sondern eben auch ökonomisch und ökologisch fragwürdig.

    Will man das Ganze ändern, muss man Eigentum in meinen Augen neu denken. Wie das gehen soll, weiß ich allerdings nicht.

  5. Konformität und Unterwerfung
    Zum autoritären Charater in der Lehre Hayeks
    Björn Oellers in Kritiknetz, 26.Januar 2017

    Zitat aus dem Text:
    »Zwar legt Hayek ein Bekenntnis ab zu, wie er sagt, „individualistischer Tradition“ und zur „Freiheit“ des Individuums, doch gemeint ist nur die Freiheit des Individuums in den Zwängen des aufhebbaren „Naturgesetzes« der kapitalistischen Vergesellschaftung und Produktionsweise. Diese werden als gegeben vorausgesetzt und als unauflösliches Menschheitsschicksal zur ewigen Norm des Daseins erhoben. Wer gegen sie verstößt oder ihre Aufhebung anvisiert, geht demnach an seiner ordnungswidrigen Lebensführung zu Recht zugrunde und/oder muss um der Volkswirtschaft willen vom autoritären Staat zur „Vernunft“ angeblich naturgesetzlicher, ewiger (autopoietischer, Luhmann) Markordnung gebracht werden. Dementsprechend fordert Hayek Zwang gegen das abweichende Individuum etwa in Form von „Arbeitsdienst nach militärischen Richtlinien“. Sprachlich kommt der autoritäre Gehalt von Hayeks Lehre zum Ausdruck in Formulierungen wie, dass sich das Individuum den Gegebenheiten „anzupassen“ und „freiwillig“ „Konformität“ zu üben, und „sich zu fügen“ habe. „Gleichförmigkeit durch Zwang“ zu sichern, sei bisweilen eine Bedingung der Freiheit.«

    Wer Interesse hat, sich intensiver mit der Ideologie des Neoliberalismus zu beschäftigen, der findet in dem Text von Björn Oellers eine gute Basis. Ebenso bei Prof. Gerhard Stapelfeld und auch dort zu finden.

    http://www.kritiknetz.de/kritikderpolitischenoekonomie/1367-konformitaet-und-unterwerfung

  6. JBs Ansatz ist rein pragmatisch, d.h. einfach und schnell innerhalb des amtierenden Systems umsetzbar.
    Tatsächlich kann man sich aber im Sinne von Gerechtigkeit schon fragen, was ein einzelner Mensch leisten kann, um solch einen Lohn zu rechtfertigen. Die Frage ist natürlich nur rhetorisch. Denn wie verhält sich das eigentlich zu
    — den anderen Mitarbeitern
    — den verschiedenen Käufern
    — der Umwelt
    — dem Staat/Politik
    — der Konkurrenz
    — den Zulieferern
    — den Aktionären...
    Kann man milliardenschwere Unternehmungen überhaupt irgendwie gerecht agieren lassen?

  7. Kann sein, daß Franke seine Aussagen sogar sozial meint, aber dann stellt sich in der Tat die Frage nach Naivität, aber auch nach der Qualität seiner akademischen Ausbildung.
    Ist es mittlerweilen schon exklusives Wissen, daß es alle möglichen Einflußfaktoren gibt, sowohl für das Individuum als auch für die Volkswirtschaft?
    Gleiche Ausgangschancen, sowas hat es nie gegeben und wird es nie.
    Fairness des Wettbewerbs, kann und muß man anstreben, inklusive der Frage, an welchen Stellen Wettbewerb nichts verloren hat, aber auch dieses wird man nicht perfekt erzielen können.
    Ein typisches Vorgehen heutiger Zeiten, man stellt Leitbilder auf, die jeder im Vorbeigehen als kindisch entlarven kann, der für fünf Cent politisches Verständnis hat, dennoch haben viele Vertreter des Establishments keinerlei Hemmungen, offenen Schwachsinn als gesellschaftliches Leitbild anzupreisen, siehe auch die »schwäbische Hausfrau«.
    Leyendecker, Süddeutsche Zeitung, hat vor Jahren mal einen klugen Artikel zum Sozialstaat geschrieben. Dessen Aufgabe sei es nicht, Lebenschancen gleichzumachen,weil das nicht geht, wohl aber schlechten Chancen entgegenzuwirken, sie abzufedern.

    Heute passiert genau das Gegenteil- wer schon Nachteile hat, kriegt immer weitere aufgebürdet, wer schon Vorteile hat, wird zusätzlich gefördert- eine Dynamik, die vorhandene Zentrifugalkräfte zusätzlich befeuert anstatt ihnen entgegenzuwirken. Mit absehbaren Folgen.

  8. Der Fehler und das falsche Narrativ liegt schon im ersten Teil des zitierten Satzes. „Die in Leistungsgesellschaften durch die unterschiedlichen Talente und Fähigkeiten der Menschen erzeugte soziale Ungleichheit.« Wohl doch eher u.a. durch Eigentum. Er impliziert ja genau das Mantra, das die »Leistungsträger« durch ihre Fähigkeiten und Talente sozial oben sind. Nicht etwa durch die Aneignung des Mehrwerts.
    Ein Christian Lindner, selbsternannter Leistungsträger, würde ihm sofort beipflichten! Er selbst allerdings hat die zwei »Unternehmungen« an denen er beteiligt war, in die Insolvenz begleitet. So gesellschaftlich wichtige und nützliche Unternehmung wie »Unternehmensberatung« (die wegen Inaktivität aufgelöst wurde) und »im Stromhandel«. Letztere hat mit ihrer Insolvenz dem Steuerzahler 1,4 Millionen EUR gekostet (durch Insolvenz nicht rückzahlbare Dahrlehen der KfW). Stromhandel. So sind diese Typen. Nichts herstellen was irgendjemand braucht, sondern nur damit Handeln. Aber sich selbstverständlich zur Elite und zu den Leistungsträgern zählen.

    Seb

  9. @epikur sagte am Montag, 21. August 2017 um 10:22 :

    »Das Problem geht meines Erachtens noch viel tiefer. Zunächst ziehen Neoliberale Linke auf ihren Diskursrahmen. Dann fangen Linke irgendwann an, die Sprache, Begriffe und Wörter der Neoliberalen zu benutzen. Am Ende wird dann irgendwann genauso gedacht: Leistung, Wettbewerb, Ökonomie, Bildung, Freiheit, Management, Effizienz…Blablabla. 68er, SPD und Grüne sind dafür die besten Beispiele.«

    Das geht halt auch deshalb so leicht, weil diese selbst ernannten Links- oder Sozialliberalen in Wirklichkeit Bürgerlich-(Neo)Liberal sind und immer schon waren. Wer sich aber für Flüchtlinge, Frauenrechte u.ä. einsetzt, lässt sich allzu gern als »Linker« abfeiern. Die Arbeitslosen, Sozialhilfeempfänger oder Obdachlosen sind und waren denen doch immer schon sch...egal. Die ökonmisch Benachteiligten sind doch selber schuld.

    Geholfen wird jenen Bedürftigen, die »Potenzial« haben oder die ökonomisch nutzbar sind. Der Rest (siehe oben) bleibt sich selbst überlassen und darf sich um Jobs im Niedriglohnsektor prügeln.

  10. OT

    Hallo Epikur, ich habe Deinen Kommentar beim Flatter gelesen.
    Zunächst habe ich mich gefragt, warum das Thema Impfungen sich besonders gut dafür eignen soll, um das Bedürfnis von gesellschaftlichen Gruppen in unserer Gesellschaft nach Strafe für kollektives Fehlverhalten zu thematisieren.

    Aber es eignet sich vorzüglich und spiegelt für mich auch die besonderen Befindlichkeiten in der deutschen Gesellschaft wider, die sich durch Krankheit, Umwelt und Fremde besonders bedroht fühlt.

    Ich versuche es ziemlich kurz mit den französischen Befindlichkeiten in Verbindung zu bringen. In Frankreich gibt es die erste Dreier-Impfung bereits drei Tage nach der Geburt nach der Entbindung (Masern, Mumps, Röteln) ohne Rücksicht auf das fehlende Immunsystems.
    Mit dem Marktradikalen Macron sind jetzt in den ersten 18 Monaten nach der Geburt bereits elf Impfungen verpflichtend.
    Wer diese nicht nachweisen kann, kommt in keine »Kita« und auch in keine Schule.
    Impfskeptiker, die es auch in Frankreich gibt, werden verbal fertig gemacht und Ärzte, die das »Impfbuch« impfen (also falsche Angaben über eine Impfung machen, die nie durchgeführt wurde) oder Impfungen nicht selber durchführen wollen, wird der Ärztestatus entzogen und sie dürfen nicht mehr praktizieren.

    Unter diesen 11 Impfungen sind jetzt welche gegen Hepatitis und Gebärmutterkrebs. Inzwischen nimmt auch in Frankreich der Widerstand gegen den Impfzwang deutlich zu, weil er nicht als Fürsorgemassnahme gesehen wird, sondern als zusätzliches abgreifen von Profiten für die Pharmaindustrie.

    Das Problem in diesen Diskussionen ist halt wie so oft und dadurch so ermüdend, dass mir als Impfskeptiker immer wieder die Keule über den Kopf geschlagen wird, schlecht informiert zu sein oder nur zu dumm um zu begreifen.
    Ich behaupte einfach mal, dass ich wesentlich besser informiert bin, als meine Kritiker. Und auch das schwingen der Homöphatiekeule lässt mich inzwischen unbeeindruckt.

    Vor Kurzem gelesen: Der Diabethes I nimmt aus bisher noch nicht erkennbaren Gründen weiterhin zu. Eine Impfung dagegen könnte ihn eindämmen.
    Welch positive Perspektiven für das Impfen!

    Ich habe das bei Dir geschrieben und nicht beim Flatter, weil ich keine Lust darauf habe, mich von ihm als unverständiger Kommentator mit erheblicher Leseschwäche wieder abwatschen zu lassen.

  11. Der Franke scheint nicht von dieser Welt oder er ist mit einem der »62« in enger Verbindung.
    Schon allein mit dem Begriff Ungleichheit, wird das Problem von einer Seite angepackt, die nicht zu seiner Lösung führen kann. Menschliche Gleichheit gibt es in meinen Augen so oder so nicht. Und die Ungleichheit bringt natürlich unterschiedliche Talente, Begabungen und auch Interessen hervor. Wenn sich die Menschen als gleichwertig (nicht gleich!) sehen und verstehen, wird man die gesellschaftlichen Probleme der Gegenwart lösen können.

  12. Ich bin für eine allumfassende, universelle Gesamtgerechtigkeit, zumindest aber doppelt so viel Gerechtigkeit, wie die SPD.

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