Zum 29. März 2017 wurde DVB-T1 abgeschaltet. Mehr als 3 Millionen Haushalte in Deutschland empfingen ihr Fernsehprogramm über das DVB-T1 Signal im TV via eingebauten oder einen externen Receiver. Alle, die sich nicht rechtzeitig neue Hardware gekauft hatten, haben Ende März sprichwörtlich in die Röhre geguckt. Das Hauptargument der Industrie war dabei stets, dass eine Reduktion der bisherigen Übertragungsfrequenzen notwendig gewesen sei und dass die Zuschauer vermehrt nach HD-Inhalten nachgefragt hätten. Das es primär nur um Geschäfts- und Profitinteressen geht, haben die hundertfachen Advertorials, getarnten PR-Artikelchen und industriehörigen, vorauseilenden Redaktionsbeiträge in dutzenden Online-Massenmedien wie immer verschwiegen. Ein paar persönliche Erfahrungen aus der DVB-T2 ‑Servicewüste und ‑Konsumhölle.
Da ich gar kein Fernsehen mehr schaue, hat mich die Umstellung zunächst völlig kalt gelassen. Darüber hinaus habe ich einen Kabelanschluss, den ich eigentlich gar nicht benötige. Dennoch gab es in meinem Umfeld Menschen, die mit der Umstellung völlig überfordert waren und mich um Rat gefragt hatten. Wie, wo, wann und was sie jetzt nun eigentlich kaufen müssten, damit ab April wieder alles wie früher sei. Da ich mich mit dem Thema überhaupt nicht auseinander gesetzt hatte, musste ich mich erst einmal einlesen. Hier begann schon der PR-. Marketing- und Werbebeitrags-Horror. Denn echte ‑also hilfreiche- Informationen zu dem ganzen Komplex findet man kaum. Stattdessen ist das Web zugekleistert mit Kaufempfehlungen und übertriebenen, euphemistischen Beschreibungen über die Umstellung.
Fall 1
Die Mutter meines Kumpels konnte auf einmal die privaten Sender nicht mehr empfangen und brauchte Hilfe. In ihrem Fernsehgerät war ein DVB-T2 — Receiver bereits eingebaut, da der Fernseher relativ neu war. Mein Freund und ich wunderten uns zunächst, da ja angekündigt wurde, dass die privaten Sender erst Ende Juni via DVB-T2 verschlüsselt werden. Eigentlich müssten sie zu finden sein. Ab Juli 2017 darf man sich die hochkulturellen Sendungen, wie »DSDS«, »Dschungelcamp« oder die diversen Pseudo-doku-sozial-soaps für 70 Euro pro Jahr und Empfangsgerät via smartcard dann freischalten lassen. Die Werbung bleibt selbstverständlich erhalten. Nach einiger Fummelei in den Einstellungen sowie einer mühsamen Internetrecherche fanden wir schließlich heraus, das ein sogenanntes CI-Modul fehlte.
Als sie den Fernseher 2016 völlig überteuert gekauft hatte, versprach ihr der Verkäufer nach eigener Aussage, dass sie bei der kommenden DVB-T2 — Umstellung bestens vorbereitet sei und sie nichts zusätzlich kaufen müsse. Welche Verkäufer und Vertriebsmitarbeiter lügen eigentlich nicht, um ihren Kram los zu werden? Wir sind also los in das nächste Elektronik-Fachgeschäft, um dieses ominöse CI-Modul zu besorgen. Dort erlebten wir das totale Chaos. Leergefegte Regale, überforderte Verkäufer und hilflose Kunden. Nachdem wir einige Zeit warten mussten, wollte uns der entsprechende Verkäufer alles mögliche andrehen, nur kein CI-Modul. :wtf:
Als wir darauf beharrten, dass wir nur das bräuchten, gab er zu, dass diese bereits völlig ausverkauft seien. »Danke für Nichts und fürs lange Anstehen!« dachten wir und gingen in einen anderen Laden, wo das CI-Modul (was nichts weiter als eine dünne, billig verarbeitete Plastikkarte ist) mit stolzen 70 Euro zu Buche schlug. Einbauen und freischalten waren dann zumindest kein Problem und wir blickten in die Augen einer zufriedenen Mutter, die ihre Lieblings-Sendungen wieder schauen konnte.
Fall 2
Obwohl meine Freundin im Ballungsgebiet wohnt, hat sie weder einen Kabel‑, noch einen Breitbandanschluss. Die finanziell-sorgsame Hauseigentümerin will beides nicht zulassen. Also gab es auch hier das DVB-T2 — Problem. Hier lag ein etwas älterer Fernseher vor. Der Versuch, mich im World Wide Web zu erkundigen, ob dieses TV-Gerät überhaupt DVB-T2 fähig ist, also das sogenannte Irdeto-Signal empfangen kann, dass die privaten Sender entschlüsselt bzw. ob ich nun hier auch oder nur ein CI-Modul bräuchte, ob ein externer DVB-T2 — Receiver genügen und ob man nun zusätzlich eine neue Antenne benötigen würde, war reinste Zeitverschwendung. Seriöse Informationen, die einen wirklich weiterhelfen waren einfach nicht zu finden.
Am Ende musste dann doch eine neue Antenne her, obwohl es immer wieder hieß, dass die Antenne für den DVB-T1 Empfang in aller Regel auch für den DVB-T2 — Receiver genutzt werden könne. Natürlich: Pustekuchen. Ging nicht. Nada. »Kein Eingangssignal gefunden.« Auch ein neuer DVB-T2 — Receiver musste gekauft werden. Wie befürchtet, waren dennoch die privaten Sender nicht zu finden. Vermutlich brauchte der Fernseher dann doch ein CI-Modul, dass man ab Juli 2017 dann mit stolzen 70 Euro pro Jahr füttern darf. Hier ist ihr dann endgültig der Kragen geplatzt. Und sie hat den privaten Sendern dann (endlich!) den Stinkefinger gezeigt. :D
Fazit
In Zeiten von Netflix, Amazon Prime, Google Chromecast, Kabelanschluss, Web-Mediatheken, Youtube, Sky und Satelliten-Schüsseln, die Menschen derart zu gängeln, grenzt schon fast an Körperverletzung. Man hätte die Umstellung auch optional machen können, wenn es denn tatsächlich so eine große Nachfrage an HD-Inhalten geben würde. Stattdessen verwendet man die Holzhammer-Methode, hinterlässt millionenfache schwarze Bildschirme, müllt das Internet mit Werbetexten (statt mit hilfreichen Informationen) zu und treibt hilflose Menschen bewusst in die Arme von Verkäufern, die einem einen Bären aufbinden wollen. Beispielweise günstige DVB-T2 — Receiver, die kein Irdeto-Signal empfangen und damit eben keine privaten Sender entschlüsseln können.
Ich bezeichne mich zwar nicht als den großen Technik-Nerd, aber als durchaus technikaffin. Ich möchte nicht wissen, wie viele Senioren und technisch wenig versierte Menschen, nicht nur völlig überfordert, sondern auch komplett hilflos bei der Umstellung waren. Hinzu kommt der dreiste Abzock-Versuch der privaten Sender 70 Euro im Jahr für werbefinanzierte HD-Verblödung zu verlangen. Was soll das? Ich hoffe inständig, dass viele zu Streaming-Anbietern wechseln und/oder ihren TV-Konsum generell überdenken. So könnte das am Ende auch ein Eigentor für die Pro7-Sat1-Media-AG und die RTL-Gruppe gewesen sein.
Ergänzung: Bisher genutzte DVB-T1-Reciver füllen nun tonnenweise die Elektroschrottcontainer der Kommunen. Werden ja niemals mehr benötigt.
Sicher sind 70 Euro für die Privaten Werbekanäle eine Abzocke. Die der ÖR mit 215,-Euro p.a. Zwangsabgabe aber erheblich übler. Gut. Die 70 Euro kommen noch oben drauf.
@altautonomer
Richtig. Über den tonnenweisen Elektroschrott berichtet natürlich niemand. Davon wird sowieso schon viel zu viel produziert und landet nicht selten auf irgendwelchen illegalen hochgiftigen Mülldeponien in Afrika oder wird gleich in das Meer gekippt.
@altautonomer
»Sicher sind 70 Euro für die Privaten Werbekanäle eine Abzocke. Die der ÖR mit 215,-Euro p.a. Zwangsabgabe aber erheblich übler. Gut. Die 70 Euro kommen noch oben drauf.«
Und nochmals 70€ für dieses tolle CI-Modul, wenn es dumm läuft. Dann sind es bereits 140€ für Werbung und Müll in HD plus Rundfunkgebühr. Wobei die 140€ für den Zimt der Privaten gar nicht nötig wäre, wenn sie einfach ebenfalls unverschlüsselt sendeten.
Weitere Kosten entstehen durch den Kauf der Hardware, wenn die alte DVB-T2 ebenfalls nicht packt, entweder um die 60–100€ für einen Receiver oder nach oben offen für einen neues Fernsehgerät.
Was ich damit sagen will: Ausgerechnet in diesem Fall ist Kritik an den ÖR und deren Gebühren eindeutig falsch angebracht.
Immerhin ist das ein geiles Geschäftsmodell, das völlig unnötig den Einzelnen belastet und unsere Umwelt dazu.
Aber was kostet schon die Welt?
Kapitalismus im Endstadium, wenn das Ende der Fahnenstange erreicht ist, muss halt der Sockel ausgegraben und ein Hügel aufgeschüttet werden, dass die Fahne wieder über allen Gipfeln weht. Die Konsumzombies sind auch noch so blöde, für ihre Verblödung zu zechen..
Hi Folks,
da ich die letzten Jahre TV über einen USB-Stick guckte (nur bestimmte werbefreie Spartensender), hätte es einen neuen DVB-T2-Stick gebraucht. Wenn ich die Infos im Netz richtig interpretiere, reicht das aber auch noch nicht, denn gleichzeitig müsste ich meine Grafikkarte ebenfalls austauschen, da sie den H.265-Codec für das neue, dolle HD-TV nicht kann. HD-Videos sind damit zwar kein grundsätzliches Problem, aber ob HD-TV läuft, weiß nicht mal das Internet so ganz genau. Bei einem großen Elektronik-Händler in meiner Stadt gab’s aber nur den USB-Stick von Freenet.tv. Und der funktioniert laut c’t nur mit der mitgelieferten, äußerst rudimentären Empfangs-Software von Freenet. Manchmal funktioniert er laut Kundenberichten auch gar nicht.
Für ein paar öffentliche HD-Sender soll ich also +/- 150–180 Euro investieren? Nö! Die Notlösung ist der »MediathekViewer« und der beliebte VLC-Player als Streaming-Lösung; beide kostenlos. Das ist auch ungefähr der Mehrwert, den ich zusätzlich zum GEZ-Zwang auszugeben bereit bin. Funktioniert natürlich nicht, wenn man unbedingt private Sender gucken will.
Soviel Dilettantismus bei der technischen Umsetzung wäre eigentlich ein glasklarer Kündigungsgrund für die Verantwortlichen. Das hat ja schon die Dimensionen à la Berliner Flughafen. Ist doch wahr.
ich habe vor ca. einem Jahr eine alte Glotze geschenkt bekommen, ( ich hatte vorher noch nie eine) samt den zu der Zeit zuständigen Receiver. Ok, nun geht nichts mehr, da die das ja abgestellt haben. Eine neue Glotze kann ich mir nicht leisten, bin selber Rentnerin und 80 €s für einen Receiver noch dazu, bloß um ständig alle 10 Minuten mit Werbeschrott zugetextet zu werden und die Nachrichtenpropaganda kann man sich ja wohl auch klemmen! Nee, dazu ist das Leben echt viel zu kurz , darauf hab ich keinen Bock! Ich hab mal mitgezählt, wie oft die Mon Cherie Tante ihren Schokoladenschnaps pro Nacht zu sich nimmt, am Morgen hatte die bestimmt eine halbe Flasche Schnaps intus! Ich lese wieder viel mehr Bücher und die blöde Glotze samt ihrem Receiver können die sich von mir aus an den Menskus nageln!
Hallo aus Österreich!
Es trifft sowieso nur den kleinen Konsumenten.
Grund: Er ist pleite(wer kann schon gro? Leben leben vom Gehalt?)
Er kann somit keinen Anwalt oder gar Gerichtskosten zahlen
Er ist WEHRLOS der »Geld oder Finanzmafia« ausgesetzt.
Ich glaube man würde ein Gerichtsverfahren möglicherweise
gewinnen.
Denn: Man hat irgendwann einen Vertrag beim Betreiber
unterschrieben.Zu diesem Zeitpunkt war der technische
Stand so oder so.Wenn also der Betreiber was daran ändert,
müsste auch er sämtliche Kosten dafür übernehmen, weil
er, meiner Meinung nach, sonst »Vertragsbruch« begeht.
Würde ICH das im umgekehrtem Fall machen,hätte ich
sicher sofort diverse Probleme.
Es kommt natürlich darauf an,was im Vertrag an möglicherweisen
»verdrehten»und»versteckten« Klauseln drinnen steht.
Bei uns in Österreich bin ich persönlich mit ORF und diversen
Satelitensendern konfrontiert. Wie der ORF vor ein paar Jahren
auf Digital umstellte,hatte ich das selbe Problem.
Da ich meinen alten Vertrag nicht mehr finde (ich glaube Jahr 1980
oder so) kann ich ihn mir auch nicht mehr genauestens durchlesen.
Wer macht das schon....
Ich bin jetzt 53 Jahre und Finanziell stehe ich so da wie eingangs
schon beschrieben..........eben ein »futzikleiner« Konsument....
Herzliche Grüsse