Narrative Legenden

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BILD-Schlagzeile vom 2. August 2016

Nebelkerzen, Alibi-Diskussionen, Trash-TV, Symbol-Politik, Boulevard-Meldungen, Teile-und-Herrsche-Diskurse sowie Nebenkriegsschauplätze, sollen uns regelmäßig von dem ablenken, was wirklich wichtig ist. Also von den Interessen der Eliten, von Reichtums-Verteilungsfragen und den wahren Hintergründen von Kriegen. Zwar weiß eigentlich jeder (mindestens gefühlt), dass es immer und überall primär nur ums Geld geht, dennoch lässt man sich immer und immer wieder auf Halb-Wahrheiten, Legenden und Mythen ein, die unsere Hirne vernebeln und unseren Verstand ausschalten sollen.

Bildung schaffe Chancengerechtigkeit. Ob konservative, linke, neoliberale oder rechte Medien: immer wieder wird der Mythos verbreitet, dass mangelhafte Bildung verantwortlich dafür sei, dass wir protzenden Reichtum neben bitterer Armut erleben müssen (ergo: selbst schuld sind). Gleichzeitig wird Bildung ständig als Wunderwaffe gegen Armut angepriesen, obwohl mittlerweile zahlreiche Studien und Untersuchungen nachgewiesen haben, dass vor allem die soziale Herkunft entscheidet, wer reich und wer arm bleibt. Die Bildungs-Legende fungiert hier häufig als Ablenkungsdiskurs, um nicht über eine gerechte Verteilung von Besitz, Vermögen und Eigentum sprechen zu müssen.

Der Mythos, dass man auf Facebook keine Party- und Saufbilder veröffentlichen sollte, weil es der Chef als unanständig empfinden könnte. Dabei ist es Personalern und Chefs doch viel wichtiger, ob ihre Mitarbeiter auf Linie getrimmt sind. Sie vorauseilend gehorchen und reibungslos funktionieren. Die Entscheidungen der Führungsebene nicht hinterfragen. Und natürlich: ob sie in Betriebsräten organisiert, arbeitsrechtlich engagiert, kommunistisch oder Mitglied von Gewerkschaften sind. Ein paar Saufbilder auf Facebook dürfte den meisten Chefs völlig wuppe sein, solange die Lohndrohnen zuverlässig und loyal weiter schuften sowie nichts hinterfragen.

Der digitale Wandel, die Automatisierung und Industrie 4.0 seien primär für Massenentlassungen verantwortlich. Nicht unwahrscheinlich, dass Automaten und Roboter zunehmend die Arbeiten von Menschen ersetzen und auch Lohnarbeiter deswegen entlassen werden. Dennoch ist vor allem der neoliberal-kapitalistische-endlos-Wachstums-Fetisch mit seinem Profitinteresse, seinen Sparzwängen und Kostensenkungen, dafür verantwortlich, wenn massenweise Menschen ihre finanzielle Existenz verlieren. Denn Maschinen und Roboter tun letztlich nur das, was man ihnen sagt. Es ist das alte rhetorische Spiel: »Ich wars nicht, die Technik ist schuld!«

Der demographische Wandel war vor weniger als 10 Jahren die Begründung (zusammen mit der Globalisierung) um Sozialabbau, Rentenkürzungen, den Niedriglohnsektor und die Agenda 2010 durchzudrücken. Deutschland werde nicht genügend Einzahler in die Rentenkassen haben, wird ergrauen und aussterben, so skandalisierte man jahrelang in Medien, Stiftungen, Politik und Wissenschaft. Und nun wurde die deutsche Bevölkerung um rund eine Millionen Flüchtlinge ‑die eben auch Konsumenten, Rentenkasse-Einzahler und Lohnarbeiter sind (Ja! Es sind nicht alle nur Hartz4-Empfänger!)- quasi »aufgestockt«. Vom demographischen Wandel spricht indessen heute niemand mehr. Die Sozial-Kürzungen sind jedoch geblieben. Komisch.legenden

Ältere  Arbeitnehmer seien nicht flexibel und belastbar. Es mag schon sein, dass wer Kinder, eine Familie, Hobbys und womöglich Krankheiten –also ein Leben neben der Lohnarbeit hat- sich eben nicht nur für diese kaputt schuften möchte. Aber davon abgesehen, dürfte es auch hier wieder mehr darum gehen, dass ältere Arbeitnehmer sich weniger leicht ausbeuten lassen als Jüngere. Sie haben womöglich schon ihre Erfahrungen mit unbezahlten Überstunden, Praktikas, mobbenden Chefs, dem Arbeitsgericht und/oder Streik-Aktionen gemacht. Erfahrungen, auf die Chefs gerne verzichten. Also nehmen sie lieber stattdessen die jungen Unerfahrenen.

Westliche Werte: »Vom Tellerwäscher zum Millionär« und: »Wenn Du willst kannst du alles schaffen!« oder: »Wir sind die Guten!« Und natürlich: nur wer hart und fleißig arbeitet, wird mit Haus, Auto und Karriere belohnt (und nicht wer reich erbt oder in einer reichen Familie geboren wird). Soziale Gerechtigkeit, Demokratie, Menschenrechte, Humanismus — alle diese Phrasen sind blanker Zynismus, wenn man sich die globale Wirtschafts- und Militärpolitk von EU und USA sowie die jeweiligen, nationalen Sozialgesetzgebungen genauer anschaut (was natürlich auch wieder niemand macht, weil alles nur mit Marken, Branding, Etiketten, Bezeichnungen und Behauptungen versehen wird).

»Leistung Effizienz, Kontrolle: das sind die wertfreien Werte einer fortgeschrittenen Industriegesellschaft.«

Herbert Marcuse. »Spuren der Befreiung«. Hermann Luchterhand Verlag. 1981. S. 152

Die Mär von den Arbeitslosenzahlen. Ob Öffentlich-Rechtliche TV-Anstalten (hier sind selbstverständlich keine Kommentare erlaubt!), Gewerkschafts-Publikationen, wissenschaftliche Veröffentlichungen, bürgerliche Leitmedien oder das statistische Bundesamt: alle reproduzieren und verbreiten seit Jahrzehnten das Lügenmärchen von den offiziellen Arbeitslosenzahlen. Und das, obwohl mittlerweile selbst der letzte BILD-Leser weiß, dass die Zahlen extrem manipuliert werden.

Der Postillon vom 27. November 2016

Der Postillon vom 27. November 2016

Social-Media-Aktivisten würden in einer Filterblase und Echokammer leben, so lautet der aktuelle Vorwurf von Alpha-Journalisten und vermeintlichen »Medien-Intellektuellen«. Er reiht sich damit ein, in viele weitere zahllose Diffamierungen gegenüber der Online-Gegenöffentlichkeit, Bloggern und alternativen Medien. Dabei ist dieses Phänomen weder neu, noch auf die Online-Aktivisten beschränkt. Die Lücken‑, Kauf‑, Lügen‑, Konzern‑, System‑, Vertrieb- und Produktpresse (oder wie auch immer man die bürgerlichen Anzeigen-Kunden-Medien bezeichnen mag) bewegt sich seit jeher selbst, in eng definierten Reuters- und dpa-Filterblasen. Und welche Echokammer ist eigentlich größer als das systematische Putin-Bashing (quer durch alle Medien) oder das allumfassende Niederschreiben von Trump, Syriza, Weselsky und co?

Weitere Narrative Legenden sind unter anderem: Trump führt die Apokalypse herbei (mit Clinton wäre alles toller), islamistischer Terror bedrohe unsere Wertegemeinschaft: wir müssen die Überwachung ausbauen, Putin-Russland sei das neue NS-Reich und müsse vernichtet werden, in Deutschland gebe es einen Fachkräftemangel, wir hätten über unsere Verhältnisse gelebt und müssten den Gürtel enger schnallen, die Flüchtlinge seien für Sozialabbau verantwortlich (so als hätte es diesen vor dem Sommer 2015 nicht gegeben), die SPD sei s‑o-z-i-a-ldemokratisch (muhaha), Frauen stets Opfer und Männer Täter, der Deutsche unglaublich fleißig (und alle Südeuropäer verdammt faul), Geld, Auto, Haus, Ehe und Karriere machen glücklich, Hartz4-Empfänger seien asoziale Schmarotzer und so weiter und so fort.

20 Gedanken zu “Narrative Legenden

  1. Bildung schaffe Chancengerechtigkeit.

    Ich weiß wie diese Terminologie sonst verstanden und definitiert wird; wenn ich abseits davon wie immer aber meine eigene Perspektive einnehme, so finde ich doch etwas daran, was daran inhaltlich richtig ist.
    Das ist was, was die vielen Rechts-Mitläufer-Wähler nicht ganz kapieren: Wer intellektuell nicht zu mehr taugt als nur »Schaufel in die Hand nehmen«, der wird auch nur dementsprechend bezahlt und nicht wie ein Ingenieur.
    Willst du mehr in der Tasche haben, musst du mehr Resourcen mitbringen, sodass du den vertrauensvollen Eindruck erweckst, dass man dir guten Gewissens was kognitiv anspruchsvolleres anvertrauen kann. »Guten Gewissens« soll heißen, dass man sich darauf verlassen kann, dass die Ware nicht durch Herumspielen und Herumalbern physisch kaputt gemacht oder durch kriminelle Machenschaften noch vor dem eigentlichen Verkauf an ganz andere Parteien vertickt wird.
    Das ist nun mal leider wahrscheinlicher anzutreffen bei Leuten, die nur einen schlechten Hauptschulabschluss haben, als bei solchen, die Realschule gut gemeistert haben oder gar ein Abitur vorzeigen können und noch weitere verbriefte berufliche Qualifikationen.
    Und darum wird das mit dem »der Messias ist gekommen!« auch nichts werden, so lang nicht von einem selbst auch ein paar Bemühungen kommen, die einen würdig machen, dass man in der Hierarchie plötzlich besser dasteht, wenn jemand anderes das Ruder übernimmt.

    Bei dem mit der Filterblase musste ich kürzlich auch daran denken, als das kam. Das war relativ durchschaubar, wenn man sich nur ein wenig kritisches Denken erlaubt.

  2. Moment, ist es nicht ein wenig widersprüchlich davon zu sprechen, dass die Unternehmen gehorsame Arbeitskräfte wollen, und zugleich die (drohenden) Arbeitsplatzverluste durch Automatisierung zu infrage zu stellen? Automaten sind per se gehorsam. Wenn sich stumpfsinnige Arbeit automatisieren lässt, ist das für sich genommen doch positiv. Die Arbeitsstunden haben zudem seit den 1990ern in Schland nicht zugenommen, sie sind nur über mehr Köpfe verteilt worden. Vollen Lohnausgleich gab es dafür jedoch nicht, während die Produktivität höchstwahrscheinlich zunahm. (Die Makrogrößen für die Produktivität sind ungeeignet, weil sie in Geld gemessen werden.)

  3. »Das ist was, was die vielen Rechts-Mitläufer-Wähler nicht ganz kapieren: Wer intellektuell nicht zu mehr taugt als nur „Schaufel in die Hand nehmen“, der wird auch nur dementsprechend bezahlt und nicht wie ein Ingenieur.«

    Das ist schon scharfer Tobak. Mit so einem Menschenbild den Fingerzeig auf »Rechts-Mitläufer-Wähler« zu richten, ist ein wenig befremdlich. Vielleicht sollte man auch wieder die artes liberalis einführen?

    Willkommen in der Matrix.

  4. @ matrixmann

    Vielleicht denkst Du nochmals in Ruhe über Deinen Text und meine Anmerkung nach. Ich denke, dass Du selbst darauf kommst.

  5. @matrixmann

    »Willst du mehr in der Tasche haben, musst du mehr Resourcen mitbringen, sodass du den vertrauensvollen Eindruck erweckst, dass man dir guten Gewissens was kognitiv anspruchsvolleres anvertrauen kann.«

    Willst Du uns etwa sagen, dass alle »die oben« sind, die sog. »Elite« oder unsere Polit-Kasper (wie beispielsweise ein Öttinger), deshalb so viel verdienen, weil sie so kognitiv schlau und fit sind? Weil sie doch so verdammt viel »leisten« würden? Nicht Dein Ernst, oder? ;)

    Alles was man heutzutage braucht, um Kohle zu machen oder viel zu verdienen, ist ein reiches/vermögendes Elternhaus, einen opportunistischen (also vorauseilenden) Charakter und ein paar familiäre Netzwerke, in die man reingeboren wird. Alles Dinge, die man selbst nur wenig beeinflussen kann. Ich dachte, die absurden Legenden »reich durch Leistung« oder »gutes Gehalt durch Intellektualität« seien endgültig vom Tisch? Wozu texte ich mir hier eigentlich seit Jahren die Finger wund? ;)

  6. @ Carlo
    Nein, mir ist die Lust auf Rätselraten schon lange vergangen. Diese passiv-aggressive Scheiße geht einem nämlich auf den Geist.

    @epikur (können sich aber auch andere angesprochen fühlen)
    *facepalm*
    Kriegt ihr es auch nur für eine Minute hin, euch mal von eurem Zeitgeist-Bias los zu machen? Mal etwas nicht NUR eingebettet im zeitgenössischen Kontext zu interpretieren?
    Man kommt sich hier dauernd vor, als wenn man hier erst vorgestern aufgeschlagen ist und noch belehrt werden muss, wo der Hase langläuft.
    Als wäre man in der Gruppe der Leute, die zwanghaft das Haar in der Suppe suchen. Oder bei einem Spinnenphobiker, der zwanghaft das eine Krabbeltierchen im Zimmer sucht, nur um sagen zu können, dass er nicht in das Zimmer hineingehen wird.

  7. Pingback: Feindbilder – Alles nur Satire

  8. @ matrixmann
    Woran machst Du denn fest, wie jemand bezahlt wird?

    Wenn man ein/das Menschenleben nicht als Sache betrachtet, ihm also auch keinen messbaren (Zahlen)Wert zuordnen kann (wie zum Beispiel auch der Liebe, dem »Wissen« oder der Sprache) und es damit unbezahlbar wird, dann ist keine Lebenstunde/Lebenszeit mit einem Lohn (Preis) aufwiegbar.
    Wer das Recht der römischen Sklavenhalter, und diese kannten kein Menschenrecht, unhinterfragt (mit Schönheitskorrekturen) übernimmt, der wird die Matrix nicht verlassen können.

    Wie aufrichtig sind die alten und modernen Reden von Humanismus, Menschenrechten, Gerechtigkeit und Freiheit, wenn diese »Werte« letztlich nur für Menschen gelten, die vermögend genug sind und damit das Recht haben, andere Menschen zu kaufen (zu bezahlen)?

    Diese Fragestellung ist nicht passiv-aggressiv und/oder zeitgenössisch, sondern grundsätzlich. Ein Rätselraten ist es schon gar nicht. Passiv-aggressiv ist lediglich Dein »Kraft»ausdruck.

  9. @Carlo
    Ich hefte es einmal ab unter »bin erst seit kurzem hier«, denn wenn du schon länger hier wärst, wüsstest du, dass ich nicht zu den Systemclowns gehöre.

    Woran machst Du denn fest, wie jemand bezahlt wird?
    Für mich persönlich: Je höher das kognitive Niveau, dass jemand für seine Tätigkeit abliefern muss, desto höher darf er bezahlt werden. Desto mehr darf er auch selbst Ansprüche stellen (obwohl ich da auch sagen würde, alles hat seine Grenzen).
    Ein Ingenieur muss von komplexerer Mathematik Ahnung haben, seine Berechnungen müssen stimmen bevor irgendeine Materialrealisierung angefangen wird (wegen u. a. Zeit- und Materialverschwendung), er muss Materialkunde beherrschen (u. a. Metallurgie), mental muss er Eigenschaften wie Planungsfähigkeit, selbstständiges Arbeiten und Zuverlässigkeit mitbringen — alles eine Kombination von verschiedenen Fähigkeiten und Denkvorgängen, die jemand in der Hofkolonne nicht bringen muss, wenn er nur die Aufgabe hat, Löcher zu graben.
    Jemanden mit nur schlechtem Hauptschulabschluss lässt wohl kaum jemand die Position eines Ingenieurs bekleiden, insofern es nicht Krieg ist und derjenige nicht bewiesen hat, dass er von dem Handwerk durchaus technische Ahnung hat, weil es mehr als nur überaus wahrscheinlich ist, dass er der Aufgabe nicht gewachsen ist.

    Es rennen seit Jahr und Tag — nicht erst mit dem Erscheinen der AfD! — aber genug auf der Mitläufer-Seite der Rechten umher, die sich regelrecht genau dieses selbst glauben machen wollen. Und die dann wie vor den Kopf gestoßen sind, wenn sie auch im neuen System ihrer Wunschbewegung mit einem schlechten Hauptschulabschluss und einer Arbeitsmoral jenseits von gut und böse nicht z. B. in der Position eines Ingenieurs eingesetzt oder wenigstens wie ein dieser bezahlt werden.
    Maximal glauben sie auch noch dasselbe Mantra wie die »fleißigen Ameisen« in diesem System, dass, wenn sie sich nur genug ein Bein ausreißen, dann steigen sie in der Hierarchie irgendwann auf und dadurch wird ihre Bezahlung besser.

    Was an denen dabei trotzdem immer noch vorbeigeht, ist: Jede Hierachie, ob Kapitalismus, Faschismus (als Extremform des Kapitalismus), Realsozialismus, Ökokommune, Szene-Community oder auch nur eine Familie, lebt nicht nur vom »sich in der Hierarchie hochdienen« durch Treue und Loyalität gegenüber seinem Lehnsherren, sondern auch von einer gewissen Grundsubstanz, die technisch dafür sorgt, dass dieses System aufrecht erhalten wird. Diese Grundsubstanz ist Know-How — Rohstoffe, Logistik, Koordination und das Wissen über Strategie, sich alle drei dieser Gebiete zugänglich zu machen.
    Irgendeiner, und wenn dies auch nur wenige Personen sind, in dieser Hierarchie müssen immer von diesen Gebieten Ahnung haben, sonst erledigt sich dieses Gegensystem zum bestehenden in nicht allzu langer Zeit von selbst.

    Sogar Kapitalismus braucht das, auch wenn er es allzu oft gern hinweglügen will und so tun will, als ob er nur ganz wenige fähige »Architekten« in seiner Hierarchie braucht. Ob das allerdings so zutreffend ist, wird sich spätestens zeigen, wenn auch die Paläste der Reichen unter Baumängeln einstürzen, weil das allgemeine Know-How der angeheuerten Firmen und ihrer Mitarbeiter das für die Aufgabe benötigte Niveau unterschreitet.

  10. Aber davon abgesehen, dürfte es auch hier wieder mehr darum gehen, dass ältere Arbeitnehmer sich weniger leicht ausbeuten lassen als Jüngere.

    @epikur: Ich lese deinen Blog ja gerne — aber genau den Punkt hier hatten wir ja schon an anderer Stelle diskutiert — und ich erhebliche Zweifel an deiner (nicht untermauerten) These geäußert. Man kann natürlich die Strategie fahren, durch Wiederholung irgendwann etwas zur Wahrheit werden zu lassen... ;) Nö, Ältere lassen(!) sich im Schnitt genauso (willig) ausbeuten wie Jüngere (grade im Hinblick auf das Fallbeil Hartz IV; man hat im Gegensatz zum Twen was zu verlieren) — nur zeigt die »Leistungskurve« halt ab den 40ern deutlich nach unten; d. h. du kannst noch so sehr wollen — mit dem Twen wirst du nicht mithalten.

    Zur Filterblase und der Echokammer: Nunja, falsch ist die Analyse trotzdem nicht. Ich seh da grade im »linken Blogbereich« auch nur ein ewiges sich-im-Kreis-drehen.

    Und das, obwohl mittlerweile selbst der letzte BILD-Leser weiß, dass die Zahlen extrem manipuliert werden.

    Ich wundere mich immer, dass man der total verblödeten Mitte weiterhin eine solche Erkenntnisfähigkeit zutraut. Nö; das wissen(!) die Leute grade eben nicht! Besonders interessiert sie nicht, durch was für Drecksjobs und was für ein unmenschliches Repressionssystem diese »niedrigen Arbeitslosenzahlen« erst erkauft wurden. Man ballert auf allen Kanälen »Vollbeschäftigung« raus — und der Michel sabbelt es nach, glaubt es — und macht dann Druck auf jene, die sich immer noch erdreisten, trotzdem »keine Arbeit« zu haben! Und wählt wieder mit zig Millionen(!) Stimmen beim nächsten Mal SPD, Grün, Union, FDP und AfD!

    Das siehste ja grade im Hinblick auf den »demographischen Wandel«: Man hat das den Leuten damals in die Hirne gepflanzt — und heute will sich keiner dran erinnern, dass er da willig mitgemacht hat, auch um ein paar Euro Steuern und ein halbes Prozentpünktchen Rentenbeiträge zu »sparen«. Die staatliche Rente ist jetzt zwar auf Armutsniveau, in Sachen »Riesterrente« hat man persönlich ordentlich Kohle in den Sand gesetzt — aber wer würde sich da eingestehen, selbst Schuld dran zu sein...!? Demnächst wird die Maut eingeführt, die Autobahnen privatisiert — wird es die Masse aus Idioten groß stören...!? NEIN! Die kreuzen es wieder in zigmillionenfacher Anzahl an... Zumal — grade vor Kurzem wurde doch erst wieder aus vollen Rohren wegen einer Rentenerhöhung gegen die Rentner geballert. Ich frag mich da immer, wie blöd man überhaupt sein muss — ist den Jüngeren von heute etwa nicht bewusst, dass sie irgendwann auch mal alt werden — und dann die ganzen Kürzungen, die sie für die jetztigen Rentner eingefordert haben — auch sie treffen werden...!?

    Zu den Saufbildern: Wenn man nicht grade repräsentativ im Außendienst oder Kundenkontakt tätig ist, dürfte das den meisten Chefs in der Tat scheißegal sein. Letztere sind ja auch keine Kinder von Traurigkeit und Saufen ist in diesem Land doch (höchstrichterlich abgesegnetes) »Kulturgut«. Man zeigt damit immerhin »Geselligkeit«, gehört »dazu«! Was wäre dieses Land schon ohne seine Volksdroge Nummer 1...!?

  11. @matrixmann

    Ich weiß schon, was Du meinst, und ja, sicher gehören irgendwo auch Wissen, Zugang zu Ressourcen und Know How dazu, um den ganzen Saftladen am Laufen zu halten. Keine Frage. Das sind in aller Regel aber eben nicht die oberen Zehntausend, sondern ihre Zuarbeiter. Nicht die Politiker, sondern die Staatsdiener in den Ministerien. Nicht die Reichen, sondern ihre Vermögensverwalter. Nicht die Promis, sondern ihre Agenten.

    Wer ganz nach oben will, muss eben nicht kognitiv unbedingt was drauf haben, sondern ‑und hier wiederhole ich mich- ein reiches/vermögendes Elternhaus haben, einen opportunistischen (also vorauseilenden) Charakter besitzen, ein rücksichtsloses Vorgehen sowie einen krankhaften Ehrgeiz an den Tag legen und ein paar familiäre Netzwerke aufweisen, in die man reingeboren wird. Denn es gibt etliche, ja Hunderte Beispiele, von »denen da oben«, die beweisen dass es dort von Schaumschlägern, Betrügern, Verbrechern und Blendern nur so wimmelt.

    @Dennis82

    Sicher, ob alt oder jung: abhängig vom Lohnarbeitsmarkt sind sie alle. Jede Gruppe mit der ihr eigenen Dynamik. Und ich halte es dennoch weiterhin für eine Legende, dass immer wieder behauptet wird, dass Menschen ab 40 weniger »leisten« würden, als die Twens. Klar, auf dem Bau oder anderen körperlich anstrengenden Berufen mag das so sein, aber genau diese Industrie-Branche wird doch mehr und mehr von Maschinen, Robotern und Computern »übernommen«. Stattdessen gibt es überall Bürojobs. Hinzu kommt die langjährige Erfahrung, das Wissen und die Expertise der Älteren, eben nicht nur fachspezifisch, sondern auch über Arbeitsbedingungen, Arbeitsrecht, Gewerkschaften, Abfindungsmöglichkeiten, Tarifvereinbarungen usw. Genau deswegen, weil vermutlich so gut wie jeder 50Jährige damit schon mal seine leidlichen Erfahrungen hat machen dürfen. Ein 20jähriger weiß doch meist gar nicht um seine Rechte, lässt sich da wohl auch eher über den Tisch ziehen. Und ich glaube eben nicht, dass sich Personaler und Unternehmer dessen nicht bewusst sind. ;)

  12. @ matrixmann

    Zunächst zähle ich niemanden zu irgendetwas. Mir ist es völlig egal, wer oder was ein »Systemclown« ist. Von daher spielt es im Zusammenhang mit meinem Eingangspost keine Rolle, wie alt oder neu ich hier bin.
    Zum anderen schreibst Du mir nichts Neues. Du bestätigst die Annahme aus meinem Eingangspost.

  13. @epikur
    Hm, dann war das ein klassischer Fall von »aneinander vorbei reden«.
    Wenn es um die oberste Chefetage und die ganzen Vasallen geht, die Zulieferer für diese sind, da werde ich mit dir nicht darum streiten, dass man da mehr durch Verwandschaft, Geld, die »richtigen Kreise«, gegebenenfalls noch durch »Führertreue« hinkommt.
    Worauf ich mich bezog ist das im Kleinen, was so jeder, mehr oder weniger, tagtäglich um sich herum finden kann — auch im ländlichen Raum. Prominente und Wirtschaftsbosse wohnen nun mal nicht in der allgemeinen Provinz, sondern im bewachten Wohnen.
    Für meinen Teil, reihen sich darunter auch die meisten ein, die mit ihrer Situation frustriert sind und die sogar frustwählen gehen. Es geht da mehr um »ich will mit 1,5 netto nach Hause gehen«, keine Reichtümer.
    Und darunter wird es trotzdem so bleiben: Nur ein schlechter Schulbschluss, der wie Kraut und Rüben aussieht, und eine Arbeitsmotal »bis 12 in die Puppen schlafen, sich betrinken und die Bushaltestelle zerkloppen«, damit bekommt man definitiv NIE eine Stelle angeboten, die einem 1,5 netto einbringen wird.

    @Carlo
    Man wird den Eindruck nicht los, dass es bei dir gerade irgendwie nur ums Stänkern geht. Irgendwer wollte epikur auch letztens was antisemitisches abringen — ich weiß nur nicht mehr, ob du das warst oder jemand anderes.

  14. « nur zeigt die „Leistungskurve“ halt ab den 40ern deutlich nach unten; d. h. du kannst noch so sehr wollen – mit dem Twen wirst du nicht mithalten.«

    Hahaha, vielleicht wenns um Muskeln und physische Belastbarkeit geht – aber bei Hirnleistung? Fehlanzeige! Hatte gestern Abend noch ein wunderbares Gespräch mit Freundinnen und Studienkolleginnen – eine ist Lehrerin an einem Berufskolleg: was sie berichtet hat über den Bildungsgrad ihrer Schülerinnen und ihre intellektuelle Inkompetenz gerade in MINT-Fächern: grauenhaft. Nicht einmal die Alltagsmathematik, die früher als bürgerliches Rechnen bezeichnet wurde (und die immerhin Zins- und Zinseszins-Rechnung selbst bei Volxschülern beinhaltete!) haben die drauf.
    Meine Güte, ich habe noch gelernt, mit Rechenschiebern und Logarithmentabellen zu hantieren, und Wurzeln mit beliebigen Wurzelexponenten kann ich auf dem Papier ausrechen. Auch wurde in meiner Jugend bei Handwerksberufsausbildungen vorausgesetzt, dass man blitzschnell Kopfrechnen draufhatte.
    War eine gute Basis für mein späteres Studium …
    Noch etwas: die MINT-Didaktik hierzulande ist steinzeitlich im Vergleich zu angelsächsischen und skandinavischen Ländern.
    Als wäre System dahinter: man will bildungsentfremdete Untertanen
    und Nichthinterfrager züchten, die man als Arbeitsvieh bewirtschaften kann. Schland halt …

  15. @ert-ertrus: Man sollte ja eigentlich nicht den Fehler begehen und in die Litanei der Älteren über die total verblödete und generell unbrauchbare Jugend mit einzustimmen. Sokrates lässt grüßen. ;) Die Sau über die PISA-verkrüppelte Jugend wird ja auch von den Unternehmerverbänden und den Mainstream-Medien permanent durchs Dorf getrieben, daher wäre ich zumindest in diesem Punkt etwas vorsichtig, ob ich da nicht irgendwem auf den Leim gehe. Anforderungen in Studienfächern wandeln sich halt; ohne jetzt groß auf Bologna als Ursache einzugehen. Kann sein, dass gewisse Grundtechniken gar nicht mehr beherrscht werden — das hindert aber trotzdem im Ergebnis doch recht wenige daran, am Ende einen Abschluss zu kriegen, also die wesentlichen Anforderungen zu erfüllen. Vieles wird halt durch technische Hilfsmittel überflüssig, dafür die »Produktivität« gesteigert. Ich hatte z. B. damals einen Mathelehrer, der die Taschenrechner verteufelte. Heute gibt es ja für alles eine »App« — und vieles wird da halt einfach gar nicht mehr »analog« erlernt!

    Zeigt dann meines Erachtens auf, dass es eben heutzutage nicht mehr um ganzheitliche Bildung geht, sondern einzig darum, karrierekonforme Techniken zu beherrschen oder sich (z. B. Jura) tonnenweise zusammenhanglosen Stoff in die Rübe zu kloppen...! Am Ende besteht die Gesellschaft dann aus vielen Fachidioten, die Experte auf einem ganz kleinen, speziellen Gebiet sind — aber in allen anderen Bereichen total unfähig sind.

    Mit 40 hast du vielleicht mehr (durchaus wertvolle) Erfahrungen — aber grade auch kognitiv ist die Entwicklung des Gehirns schon lange abgeschlossen; ich geb das auch ganz frei zu: Mit Mitte 30 strengt mich klassisches »Lernen« (wie es in Schule oder FH / Uni verlangt wird) heute wesentlich mehr an — als mit Anfang 20!

    @epikur:

    Hinzu kommt die langjährige Erfahrung, das Wissen und die Expertise der Älteren, eben nicht nur fachspezifisch, sondern auch über Arbeitsbedingungen, Arbeitsrecht, Gewerkschaften, Abfindungsmöglichkeiten, Tarifvereinbarungen usw.

    In den meisten einfachen Bürojobs reichen 2–3 Jahre, um alles an »Erfahrungen« zu sammeln, die du kriegen kannst. Und deine »arbeitsrechtlichen Skills« kriegst du nur, wenn du in einem Unternehmen arbeitest, in welchen es überhaupt sowas wie einen Betriebsrat gibt. Und selbst dann gibt es immer noch eine große Zahl an Leuten, die lieber buckelt, als in irgendeiner Weise gegen den Chef zu opponieren...

  16. »Mit 40 hast du vielleicht mehr (durchaus wertvolle) Erfahrungen – aber grade auch kognitiv ist die Entwicklung des Gehirns schon lange abgeschlossen; ich geb das auch ganz frei zu: Mit Mitte 30 strengt mich klassisches „Lernen“ (wie es in Schule oder FH / Uni verlangt wird) heute wesentlich mehr an – als mit Anfang 20!«

    Da bist Du aber nicht auf dem State-of-the-Art-Informationsniveau
    der aktuellen Neuro-Wissenschaften! Bei YT findest Du einige sehr
    anhörenswerte Vorträge von Gerald Hüther und Manfred Spitzer
    (und eine wunderbare Diskussion zwischen R.D. Precht und Harald Lesch). Nur soviel: Neuroplastizität bleibt dem Hirn auch im hohen Alter seines Anwenders erhalten – und selbst dann, wenn der neurologische Befund auf Demenz lautet (die zu Recht in Fachkreisen weltberühmte kanadische Nonnenstudie), müssen nicht immer automatisch alle oder überhaupt einige Demenzsymptome auftreten. Offensichtlich ist das Gehirn unkaputtbarer als andere Organtrakte: Magenkrebs endet fast immer tödlich, Darmkrebs immer noch häufig genug. Es gibt ja auch keinen Gehirnkrebs ;-) Ach ja, und im Laufe eines Lebens
    ergibt sich so etwas wie eine Bewirtschaftungsdividende des anvertrauten Eigenhirns – natürlich muss man sich nicht wundern,
    wenn man alle möglichen Suchtsubstanzen durchprobiert hat oder sich einen Furz um Bildung gekümmert hat, weil man seit Schule und Ausbildung kein Buch mehr in die Hand genommen hat (oder sich musikalisch mit den laufenden Schlagercharts zufriedengibt), wenn dann das Hirn erschlafft. Aber nicht einmal das ist dann notwendig ein Todesurteil für die Hirnfähigkeiten. Umgekehrt, ich gebe ja zu, das auch hier wie bei allen Krankheiten gilt: Prävention ist keine absolute Sicherheit (auch ein Immanuel Kant hat seine letzten Lebensjahre als Dementer erleiden müssen) …

  17. @Dennis82

    « Und deine „arbeitsrechtlichen Skills“ kriegst du nur, wenn du in einem Unternehmen arbeitest, in welchen es überhaupt sowas wie einen Betriebsrat gibt. Und selbst dann gibt es immer noch eine große Zahl an Leuten, die lieber buckelt, als in irgendeiner Weise gegen den Chef zu opponieren…«

    Ja und Nein ;)

    Ich ging eher davon aus (so aus meiner persönlichen und Umgebungs-Erfahrung^^), dass es immer mehr Lohnarbeiter gibt, die raus-gemobbt werden, denen man zu spät oder monatelang gar kein Gehalt zahlt, bei denen die Überstunden weder abgebummelt werden können, noch ausbezahlt werden, denen ein Arbeitszeugnis zu spät, gar nicht oder inhaltlich unsauber ausgestellt wird, denen man die Lohnfortzahlung im Krankheitsfall verweigert (z.B. beim Minijob) und so weiter und so fort. So gut wie jeder, den ich so kenne, hat früher oder später mit irgendetwas davon seine Erfahrungen machen dürfen. Und dann fängt man an (meistens jedenfalls), sich für seine Arbeitsrechte zu interessieren, zu recherchieren, womöglich gar in eine Gewerkschaft einzutreten, den Arbeitgeber zu verklagen und so weiter. Genau das, meinte ich mit »Erfahrung im Alter«. Die kommt aber erst mit den Jahren. ;)

    Das es darüber hinaus immer noch viel zu viele gibt, die sich das alles widerstandslos gefallen lassen, ist leider auch eine Tatsache. Ich würde aber auch nicht unterschätzen/unterschlagen, was so täglich vor den Arbeitsgerichten in Deutschland abgeht. ;) Auch wenn unsere liebe Presse so tut, als gäbe es das alles gar nicht.

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