Der pädagogische Happen (7)

_happen_-Gespräch zwischen zwei Vätern. Vater A (von Elias: 7 Jahre alt.) und Vater B (von Lionel: 6 Jahre alt)-

Vater A: »Du sag mal, spielt Dein Kind ein Instrument?«

Vater B: »Nein. Ich habe versucht es ihm schmackhaft zu machen, aber er hat dafür einfach kein Interesse. Also lasse ich es sein.«

Vater A: »Ach so. Also der Elias spielt Klavier. Ich bringe es ihm bei. Jeden Montag und Donnerstag jeweils eine Stunde.«

Vater B: »Und macht es ihm Spaß?«

Vater A: »Ich denke schon.«

(-10 Jahre später-)

Lionel: »Ey, schau mal da steht ein Klavier. Willste uns nichts vorspielen?«

Elias: »Boah ne, lass mal, Dicker! Ich hasse das Teil. Jahrelang hat mich mein Vater gezwungen, Klavier zu spielen. Bin froh, dass es vorbei ist!«

Lionel: »Wie jetzt? War nicht cool?«

Elias: »Ne. Überhaupt nicht.«

14 Gedanken zu “Der pädagogische Happen (7)

  1. Mein erster Gedanke?

    Schön geschrieben....

    Und:

    »Oh, kommt mir das bekannt vor!« :-) ;-)

    Bei mir hieß das Instrument »chromatisches Akkordeon«.

    Ich lerne es weil mein Vater ein »diatonisches Akkordeon«, das mit Knöpfen, spielte — als menschliches Original, denn er spiele es ohne Noten, und frei heraus — meist alte Marsch- oder Volkslieder.

    Er bestand darauf, dass Sohnemann das Akkordeon mit Tasten, eben ein »chromatisches«, lernt, ja sogar jahrelang in einen Handharmonikaverein geht.

    Das ist mittlerweile über 10 Jahre her, mein Vater lebt nicht mehr, und das Akkordeon sehe ich wie »Elias« in deinem Text....*grins*

    Es steht auch nur noch in der Ecke rum, und wenn ich drauf spiele dann nur wenn ich dazu Lust habe, und kein anderer.

    Hätte es längst verkauft, aber es ist ein Trost für meine schwer pflegebedürftige Mutter, wenn ich ab und zu drauf alte Weisen spiele — für sie.....nicht für mich.....

    Im Akkordeon-Verein bin ich auch schon seit Jahren nicht mehr, den es immer noch gibt.....

    Grüße
    Bernie

  2. Wenn ein Kind Interesse dafür mitbringt und ein gewisses Anfangstalent, dann ist dagegen nichts einzuwenden. Aber solche übereifrigen Eltern schicken ihre Kinder immer solche Instrumente lernen, bei denen man sich zum Teil berechtigterweise fragt, was das für einen Sinn bringen soll, denn Verwendung finden sie höchstens nur noch in Musik für alte Leute. Blaskapellen und so weiter.

  3. Ich leb hier mal kurz meine vermeintlichen Minderwertigkeitskomplexe aus! ;)

    Ein gutes Beispiel für kleinbürgerliche Distinktionstraditionen, primär zum Wahren eines schönen Scheins. Da geht es nicht in erster Linie darum, dem Kind die Freude an Musik näherzubringen, sondern in seinem Umfeld zu betonen, dass man sich so etwas eben leisten kann. Wie stolz der Papa doch ist, wenn er bei Familienfeiern dann den Sohnemann an den Klimperkasten hocken und den Leuten was vorspielen lassen kann... Außerdem sollen durch diese »kulturellen« Fähigkeiten die Chancen der Kinder verbessert werden, irgendwann den »gehobeneren Kreisen« anzugehören.

    Sympathisch wird es erst dann, wenn der Filius dann statt brav Klavier oder Cello zu spielen auf E‑Gitarre oder gar Gangsta-Rap umsattelt... :D

  4. Lustige Instrumentenschubladen hier in den Kommentaren. Als könnte man mit einem Instrument, das Teil eines Blasorchesters ist, nicht auch andere Musik machen als solche »für alte Leute«. Oder mit einem Cello oder einem Akkordeon...

  5. @FelixK

    Es geht nur um »[...]andere Musik machen als solche »für alte Leute«. Oder mit einem Cello oder einem Akkordeon...[...]« — wir z.B. haben im Akkordeonverein durchaus moderne Weisen gespielt — sondern darum Kinder, nicht nur im Fall Musik, nicht selbst entscheiden zu lassen was die lernen wollen sondern was die jeweiligen Eltern wollen.

    Hätte ich z.B. selbst entscheiden können dann hätte ich E‑Gitarre gelernt, als alter Heavy-Metal- und Hardrock-Fan, aber so mußte ich eben Akkordeon lernen — das andere war für meinen Vater »Negermusik«, die er zwar notgedrungen über meine Hifi-Anlage mithören mußte, die er aber mich nicht, via E‑Gitarre, lernen lassen wollte....

    Wer weiß was aus mir geworden wäre hätte ich nicht auf meinen Vater gehört?

    Bon Jovi, Iron Maiden oder Metallica vielleicht?

    Amüsierte Grüße
    Bernie

  6. @FelixK
    Es ist nur verwunderlich, dass, angesichts aller Popmusik und aller Moderne auch bei den Eltern, heutzutage immernoch die Sprösslinge eher dazu hingeschickt werden, irgendwelche klassischen Musikinstrumente zu lernen wie Klavier, Gitarre, Streicher (obwohl die drei wären noch nicht einmal das schlimmste, weil die Grundlage für den modernen Kram auch sind), alle Sorten von Flöten oder Trompete, und relativ selten dagegen z. B. Schlagzeug. Irgendwie kann man sich da der Sache nicht verwehren, als dass es da nur um irgendsoeine Statussache geht.
    Und ich würde nicht meinen, dass es dabei daran liegt, dass es schwer ist, für modernere Instrumente einen Lehrer zu finden.

  7. @Meinungsmacht

    Was denkste denn was für Stücke wir im Verein gespielt haben?

    Wie bereits erwähnt, es geht darum, dass Eltern ihren Kindern oft Dinge aufdrücken die diese als Erwachsene ablehnen...

    Einer meiner Neffen hat jahrelang Volleyball, im Verein, gespielt. Tja, seit er studiert nicht mehr, denn es war dieselbe Problematik....er selbst wollte es nicht, aber seine Eltern, die hatten es gerne, und genau diese Problematik beschreibt Epikur anhand von Musikinstrumenten....man kann es aber x‑beliebig auf jedes andere von den Eltern ausgewählte »Hobby« übertragen, und die »Opfer« dieser Denke sind sicher zu Tausenden in Deutschland.....dem Land der jahrzehntealten, wenn nicht sogar jahrhundertealten, Vereinsmeierei.....

    Amüsierte Grüße
    Bernie

  8. Naja, in dem Beispiel war die Eltern-Kind-Kommunikation wohl recht einseitig. Trifft man aber tatsächlich gar nicht mal selten. Wir haben Sohnemann einst als Knopf auch mal testhalber in einen Musikunterricht gesteckt, mussten es aber aufgrund seines Widerwillens einfach stecken. Ein Teil der anderen Kinder dort, hatte auch ständig auf die innere Spieluhr geschaut, anstatt Interesse fürs disziplinierte Bedienen eines Instrumentes zu entwickeln, — scheiterten aber am Kulturzwang ihrer Eltern. Betrachtet man’s heute, stehen die Dinger jetzt auch in der Ecke. Was Sohnemann betrifft? Der hat irgendwann ganz von selbst entdeckt, dass man mit Computern Musik machen kann und hat sich zum ultimativen Techno-Fan (von mir hadder das nicht :-( :-) mit gefragten DJ Qualitäten entwickelt und hat mächtig Spaß daran.

  9. ....ein Kind soll es selbst entscheiden...meine Tochter hatte Klavier- und Reitunterricht ....und nach kurzer Zeit waren es die Pferde......und die sind es heute noch nach 20 Jahren........

  10. @rainer

    Pferden und Mädchen. Ich vermute, mehr als 80 Prozent der 6–12jährigen Mädchen in Deutschland mögen Pferde. Warum eigentlich? Die gängigen Erklärungen sind: Verantwortung für ein Lebewesen entwickeln (kann man aber auch für ein anderes Tier, warum gerade das Pferd?), Bindung aufbauen, sich von den Eltern abnabeln, weil Pferde so »edel und stark« seien und so weiter. Überzeugt mich alles irgendwie nicht.

    Meine ‑zugegeben nicht sehr schmeichelhafte- ganz persönliche Theorie ist, dass viele Mädchen Pferde auch deshalb mögen, weil ein Pferd nicht widerspricht. Sie es abrichten und dressieren können. Und es am Ende auch noch einen Nutzen hat: Fortbewegung. Sie üben hier, wie sie später Männer abrichten, die dann für sie auch einen Nutzen haben sollen. Zuerst dienen dafür die Puppen, dann die Pferde und/oder andere Haustiere. Und da Jungen mehr an weltlich-politischer als an sozialer Macht interessiert sind, lassen sie Pferde auch kalt. Ich weiß, eine etwas gewagte und auch provokante These. ;)

  11. Uaaargh... Jung-Reiterinnen. Eitles, elitäres, abgehobenes Pack aus den besseren Kreisen; wenn ich die schon sehe, mit ihren Helmchen, Gertchen, Kostümchen und Reitstiefeln... Und wenn ich allein dran denke, was so ein Gaul kostet... Im Grunde das Gleiche wie beim Klavierspielen — es ist ein »Hobby« der gehobeneren Mittel- bis Oberschicht; ein Statussymbol, ähnlich wie der dicke BMW-SUV oder der Sportwagen.

    @epikur: Daran ist auch zu einem Großteil sicher die allgegenwärtige Wendy-Propaganda (Hauptorgan der deutschen Pferdezuchtverbände...) Schuld! :D Interessante Theorie; allerdings kann so ein Gaul durchaus auf seine Art »widersprechen«; ja auch ganz schön bockig sein — und die aufgetakelte Reiterdame gelegentlich (weitgehend ungestraft) in den Dreck abwerfen, wenn er mal keinen Bock drauf hat, über irgendwelche Hindernisse zu hüpfen. ;)

  12. Meine Nichte wurde über meine Mutter (und die ist wirklich das komplette Gegenteil von elitär )an die Viecher rangeführt.
    Da meine Grosseltern in der SBZ einen »Bauernhof« hatten, mit Pferden, , Kühen , Schweinen und co. , war der Rest für meine Mutter nicht weit weg. Ich Reiten — kleine süße Enkelin reiten :shock:
    Das ganze System läuft ja auch viel über Reitbeteiligungen. Also Koppel und Unterschlupf gg. Geld UND Arbeitsleistung von Kind/Eltern.
    Eine Reitstunde kostet übrigens so ca. 45 € , (Info meiner Nachbarin, die über die Pferdebessesenheit ihrer Tochter nicht glücklich ist, weils schweineteuer ist)

    Und natürlich Wendy ‚Lilifee, bunte Einhörner und Co.

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