»Wenn man seinen Kindern Action-Spiele verbietet, wird ihnen psychische Gewalt angetan!« So eine (zugegeben provokante) These in den Raum geworfen und Mann kann sich sicher sein, dass die Besser-Esser-Bio-Öko-Eltern, die Helikopter-Mamis und die vermeintlich politisch überkorrekten Emo-Glucken-Mütter ihren rhetorisch-pädagogischen Würgegriff einsetzen werden. Ob Schwertkämpfe mit Holzstöcken, oder mit Star Wars Laser-Plastik-Schwertern, Wasserpistolen-Spiele oder Playmobil-Cowboys, die mit Gewehren ausgerüstet sind – wer das bei seinem Kind zulässt, erzieht einen Gewalttäter heran, so die Hobbyerzieherinnen. Einen verhaltensauffälligen Aggressor und Soziopathen, der bald zum Kinderpsychologen oder zur Ergotherapie geschickt werden muss.
Kinder haben Bedürfnisse und die Eltern sollten diese ernst nehmen und wenn möglich, sie auch in einem angemessenen Rahmen erfüllen. Da sind sich fast alle Psychologen, Pädagogen und Erziehungsratgeber einig. Neben Geborgenheit, Liebe, Bewegungsdrang, Entfaltungsmöglichkeiten und so weiter, gehören dazu eben auch Action-Spiele. Besonders bei Jungen. Ob Autos, die spektakuläre Unfälle haben oder Explosionen verursachen, Flugzeuge die Raketen schießen oder Bomben abwerfen, wird auch gerne mit kämpfenden Rittern, Wasserpistolen oder Piratenschiffen, die Kanonen abfeuern gespielt. Immer mehr Moralapostel-Mamis, und auch Erzieherinnen in Kindergärten, verurteilen diese Spiele als sinnlose und gewaltfördernde Freizeitbeschäftigung. Die Jungen sollen gefälligst malen, basteln, singen und sich Bücher anschauen. Und nicht andauernd miteinander kämpfen wollen.
»Alle Kinder auf der Welt haben das Bedürfnis zu spielen und zu lernen. Und nicht nur das: Sie wollen selbst bestimmen, was sie tun.«
- Justine Mol. »Aufwachsen in Vertrauen: Erziehen ohne Strafen und Belohnungen.« 2008. Seite 32
Kraftspieltäter
Da gibt es beispielsweise Mütter, die ihren Jungen Actionspiele weitestgehend verbieten. Sobald der Kleine mit seinen Autos Unfälle mit großen Explosionen im selbst aufgebauten Rollenspiel verursacht oder sobald der Drache den Ritter besiegt und tötet (oder sogar auffrisst. sic!), taucht die Besser-Mama auf und hält ihm eine Moralpredigt darüber, wie böse und schlecht das doch alles sei. Sie will ihm eintrichtern, dass er Waffen und Kriege verharmlosen würde, und dass das alles kein Spiel sondern eine toternste Sache sei. Eine andere Mutter, lässt bei Lego- und Playmobil Figuren heimlich die Waffen verschwinden und wirft sie in den Müll. Schließlich bräuchte er diese ja nicht zum Spielen. Sie würden ja nur die Aggressionen des Jungen befördern. Andere verbieten ihren Söhnen die Benutzung von Wasserpistolen, und geben ihnen stattdessen Blumenspritzen in die Hand.
Dem eigenen Sohn zu unterstellen, er würde den Unterschied zwischen Spiel/Fiktion und Realität nicht kennen, zeugt nicht nur von mangelndem Vertrauen, sondern auch von Unverständnis und Unkenntnis gegenüber männlichen Interessen und Bedürfnissen. Sie haben deutlich mehr Testosteron als Mädchen. Außerdem können viele Kinder die große Tragweite von echten Kriegen mit tausenden Toten überhaupt gar nicht erfassen. Ganz zu schweigen davon, welches Trauma man seinem Kind verpassen würde, wollte man diese Aufklärung frühestmöglich anstreben. Nicht zu vergessen: wer die Action- und Gewaltspiele seiner Jungen stets verbieten oder unterdrücken will, unterdrückt damit das unweigerliche Bedürfnis seines Sohnes, Dampf ab zu lassen. Diese Lust wird sich dann trotzdem seinen Weg bahnen, nur dann eben nicht mehr im fiktiven Spiel, sondern womöglich gegen andere Kinder, Erwachsene, Gegenstände oder gegen sich selbst.
Härte und Stärke
Die Energie und die gesunden Aggressionen der Jungen empfinden viele (oft weibliche) Erzieher, Eltern und Lehrer als anstrengend. Das zeigt schon die Sprache der Pädagoginnen: die Aggressionen und die Energien müssten abgebaut werden, so der Tenor. Ganz so, als wären sie eine unbequeme Last oder ein großer Aktenstapel, der Arbeit und Anstrengung verursacht und schnellstmöglich beseitigt werden muss. Dabei ist die Power der Jungen, der starke Bewegungsdrang, die gesunden Aggressionen, das große Interesse an Kämpfen und an Action – ihre Form von Verarbeitung, Lernen und Schaffenskraft. Viele Jungen lernen häufig mehr durch sportliche Betätigung, durchs miteinander Messen, durch den Wettbewerb untereinander (ja, auch durch ein klein wenig ‑Achtung böses Wort- Leistungsdruck), ihren Forschungsdrang, ihre Lust nach Abenteuern und Experimenten, als durch soziale Interaktionen, lesen, malen, basteln oder singen, wie es bei Mädchen häufiger der Fall ist.
Nicht, dass ich falsch verstanden werde: natürlich sind malen, lesen und basteln wichtige Aktivitäten für die kindliche Entwicklung. Auch sollte man das miteinander Messen der Kleinen nicht als Dauerbeschäftigung etablieren, keine Alternativen mehr anbieten oder ihnen die Ernsthaftigkeit von Waffen, Krieg und Tod vorenthalten. Eine angemessene Werteerziehung und ein empathisches Sozialverhalten sollte man jedem Kind beibringen. Auch das abendliche Vorlesen sollte ein festes Ritual sein. Dennoch gehört der kindliche Wettbewerb –auch und gerade unter Jungen, die eben viel mehr Testosteron besitzen als Mädchen- einfach dazu. Sicher kann auch der Sportverein hier hilfreich sein. Zu hoffen, dass dieser aber den Sohn von Action-Spielen abhalten würde, weil er ja durch den Sport ausgepowert und ausgelastet sei, ist illusorisch. Denn die Jungen werden immer wieder einen starken Drang fürs kämpfen und toben verspüren, weil sie es für ihre Entwicklung unbedingt brauchen und weil es ihr immanentes und hormonelles Bedürfnis ist. Eltern ‑und vor allem Mütter- tun gut daran, das nicht zu verteufeln und über zu dramatisieren.
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Eine Zusammenfassung der ersten zehn Teile der Kinderserie ist auf www.zeitgeistlos.de zu finden. Alle bisherigen 34 Folgen können im ZG-Blog in der Rubrik Kindheit gefunden werden. Eine Auswahl bisheriger Teile:
» Folge 33: Großeltern
» Folge 27: Kontaktabbruch
» Folge 13: Kinderfernsehen
» Folge 10: Montessori-Pädagogik
Ich habe als Kind fast nur mit Jungen gespielt. Wir haben miteinander mit Holzstöcken gefochten, Pfeil und Bogen gebastelt, waren Indianer und haben Räuber und Gendarm gespielt, wobei ich am liebsten der Räuber (wbl.) war. Andere Mädchen haben oft auch mitgespielt. Sie sagen das nur über Jungen, dass sie »gezämt« werden sollten. Bei Mädchen ist das nichts anderes. Mädchen haben heute rosa zu sein und wehe nicht. Mädchen haben mit Barbie zu spielen. Mädchenaugen funkeln vor Glück, wenn sie in der Küche, vor der Waschmaschine, vor dem Wischmob mit ihrer Mutter auftreten, wie es die Werbung suggeriert. Und wenn Mädchen und deren Mütter das immer sehen, werden auch die Psychen von Mädchen vergewaltigt. Sie werden auf die unsäglichen Frauenzeitschriften reduziert. Auch Mädchen räubern gern draußen herum ohne Aufsicht, wenn sie es denn heute noch dürfen. Unser Mädchenleben damals war nicht allzuviel anders als das Jungenleben. Wir als Mädchen waren bei Klassenkeilen beteiligt, haben dann missliebige Schüler mit verdroschen und es hat uns nichts geschadet. Ich war nicht das einzige Mädchen, was Basteln gehasst hat. Die Frage ist nicht, was haben wir aus den Jungen gemacht. Die richtige Frage lautet eher, was haben wir aus den Kindern gemacht. Wir leben doch in einer Vollkasko-Welt, in dem Kinder kaum noch auf Bäume klettern dürfen, wie ich — egal ob Junge oder Mädchen — bei uns auf den Spielplätzen sehe. Die Bäume wurden abgesägt, so dass ein Fliederbaum nur ein hässlicher Strunk von Busch ist. Nein, es betrifft nicht nur Jungen. Viele Mütter jaulen auf, denn ihre Tochter mit nen blauen Fleck auftaucht. Wir leben in einer vollkommen kranken Welt.
Ich war eines der Mädchen, die nie viel mit anderen Mädchen anfangen konnten. Damals nicht und jetzt mit Mitte 30 auch nicht.
Ich kann beide Standpunkte, die genannt wurden (Epikur und PeWi) verstehen. Etwas das mir aber auch oft auffällt, insbesondere bei den Über-Müttern, ist diese Doppelbindungskommunikation: Einerseits soll dem Jungen alles »rüpelhafte« ausgetrieben werden, einerseits soll er den durchsetzungsfähigen, starken Mann »erlernen« können. Bloß nicht weinen, schwach sein oder Gefühle zeigen. (Wobei diese Sorte Mutter genau das nicht selten von ihrem Partner fordert, der Sohn bekommt auch hier also konträre Information, wie sich denn ein Mann zu verhalten halt. Und gar nicht so selten regen sich diese Mütter — auch ebenso denkende kinderlose Frauen -, dann über den »verweichlichten« Partner auf. Ihr den Hintern nachtragen, sie durchfüttern und emotional dauerverfügbar sein soll er, aber wehe er hat mal Kopfschmerzen...) Bei Mädchen gibt es das in augenscheinlich schwächerer, aber ebenso destruktiver Form: Das Mädchen soll alles leisten und sich in der Ellenbogengesellschaft durchsetzen können und dabei immer schön Prinzessin sein. Keine kurzen Haare, möglichst alles pink, immer dem Schönheitsideal nach und später ist nicht wichtig, dass sie jemanden kennenlernt und mit der Person zusammenkommt, die sie liebt und von der sie in einer respektvollen zurückgeliebt wird, sondern dass der Partner sie finanziell absichert. Ich finde das sehr schlimm. Ein Mensch ist ein Mensch und kein Roboter, den man normen kann (auch wenn uns das heute erzählt wird, wer nicht passt, muss repariert werden.)
Ich bin immer sehr erschrocken, wenn heute jugendliche Mädchen erzählen, das sei doch gar nicht schlimm wenn in einer Beziehung Gewalt herrscht, das sei sogar ein Zeichen von Liebe. 50er Jahre reloaded. Wenn sich ein Junge oder Mann über Gewalt beschwert, ist er eine »Memme«, die aufören soll zu jammern. Selbst dann wenn ihm als Kind das »rüpelhafte« aberzogen wurde. Ich wurde vor einigen Jahren mehr als dumm angeschaut, als ich mich als Frau in einem Gewaltpräventionsprogramm dafür eingesetzt habe, dass auch männliche Opfer häuslicher Gewalt thematisiert und einbezogen werden.
@ Ina
Auf den Punkt gebracht.
Allgemein:
Was bei diesem ganzen Gender-GaGa (schöner Buchtitel ) immer wieder auffällt , ist , daß die die Welt mit aller Gewalt auf dem Rücken der Kinder verbessern wollen , ganz wie Kommunisten , Faschisten , usw.
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