In Literatur, Popkultur sowie in der Serien- und Filmbranche gibt es eine immer wiederkehrende Erzählung, wenn es um Konflikte in der Familie oder in der Ehe geht: der karrieregeile Ehemann, der seine Arbeit mehr liebt als seine Frau und seine Kinder. Er ist kaum noch zuhause und wenn, dann redet er nur von seiner Arbeit, wirkt ständig abwesend, springt jedoch sofort an sein Telefon, wenn sein Vorgesetzter nach ihm verlangt. Frau und Kinder fühlen sich vernachlässigt, sie lässt sich irgendwann scheiden (er/sie gehen fremd) und es folgen nicht selten längere Konflikte, Sorgerechts- und Psychokriege. Schuld an allem ist –wie könnte es auch anders sein- vor allem der Mann.
Ob in Hollywood-Blockbustern, TV-Serien oder Romanen – die Legende des Helden, der seine Familie liebt, für sie arbeitet, leidet und kämpft, gleichzeitig aber nur sehr selten mit ihr zusammen ist, gehört wohl zu den gängigsten Inszenierungen. Sie wird häufig als die stärkste, moralische Motivation des einsamen Wolfs herangezogen, schwere Entscheidungen zu treffen, sich in aussichtslose Kämpfe zu stürzen oder scheinbar unmögliche Probleme zu überwinden. Ganz klassisch ist das bei Kriegsfilmen so, wenn der Soldat in die Schlacht zieht, aber auch bei sehr vielen Actionfilmen, Komödien oder Dramen, wenn beispielsweise der männliche Hauptprotagonist, sich den Hindernissen der Arbeitswelt mutig entgegen stellt oder andere bedrohliche Gefahren bewältigen will. Der Zuschauer erfährt dann, dass der Held das alles vor allem für seine Familie macht, während die meist zuhause sitzt und sich einsam fühlt.
Während die Vereinbarkeit von Familie und Beruf bei Frauen ein häufig diskutiertes Thema ist, wird diese bei Männern einfach vorausgesetzt. Dabei ist es genau die Unmöglichkeit von Karriere machen (ein Held sein), inklusive einer 60 Stunden Woche (und mehr) mit Dienstreisen, Wochenendarbeit, ständiger Verfügbarkeit und Belastbarkeit und gleichzeitig viel und oft für die Familie präsent sein. Hierfür werden in aller Regel jedoch die Männer und nicht die Strukturen in der Arbeitswelt für verantwortlich gemacht. Wenn man nicht gerade ein Vermögen geerbt, im Lotto gewonnen oder eine ausgeprägte kriminelle Ader hat, dann kommt man überhaupt nur noch halbwegs zu einem erträglichen Auskommen, wenn man nur noch für die Arbeit lebt. Was natürlich nicht bedeutet, dass jeder der sich kaputt schuftet, automatisch viel Geld verdient. Diese einseitige, klischeehafte Schuldzuweisung an die Männer erfreut womöglich die Zielgruppe der unreflektierten, einfach gestrickten Zuschauer-Frauen, sorgt aber leider auch dafür, dass dieses Narrativ oft gedankenlos in das wirkliche Leben übernommen wird.
Frauen die sich solche Männer ausgesucht haben, werden wohl das Geld und den entsprechenden Lebensstandard, den ein solcher Karrieretyp so mit sich bringt, durchaus geschätzt haben? Oder anders ausgedrückt: hätten sie sich für diesen, angeblich doch auch so charakterstarken Mann, denn entschieden, wenn er erwerbslos gewesen wäre? Warum hat sie nicht einen Mann geheiratet, der kein Karrieretyp ist, vielleicht sogar nur Teilzeit arbeitet, aber zumindest mehr Zeit für die Familie aufbringen kann und will? Natürlich weil solche Kerle nicht so interessant sind, weil man sie schlechter vorzeigen kann und weil Frau eben doch ein wenig Luxus (Auto, Haus, Garten, Urlaub) haben möchte. Nur dann ist die einseitige Schuldzuweisung mehr als unangemessen. Frau sollte gewusst haben, worauf sie sich da eingelassen hat.
Insofern empfinde ich diesen immer wiederkehrenden, einseitigen dramaturgischen Plot in Film, Buch und TV zunehmend als anstrengend. Männer können nicht ständig für die Familie da sein und gleichzeitig jede Menge Kohle nachhause bringen. Frau sollte sich hier entscheiden, was ihr wichtiger ist. Sie trägt hier eben auch eine Verantwortung und ist nicht nur das Opfer des bösen Mannes. Was würden denn eigentlich die meisten Zuschauerinnen denken, wenn in einem Film oder einer Serie der männliche Hauptheld nur eine 20 Stunden Woche hat, sich viel um die Kinder kümmert, mit ihnen regelmäßig Sport treibt und Hausaufgaben macht sowie seiner Frau viel Aufmerksamkeit schenkt, mit ihr ausgeht und so weiter? Würde die weibliche Zuschauer-Zielgruppe so einen Mann ganz toll oder doch eher langweilig finden?
Ein holpriges Gelände. Ich begebe ich mich hier auch auf die Seite der Frauenbefreiung. Auch dort verheddert man sich all zu gern in Einfachheiten. Nämlich diese, dass die hier beschriebene Frau sich zu befreien hätte und dass der Modus dafür, der Arbeitsmarkt ist. Eine sonderbare Synergie ist hier zu bemerken. Der Mann ist ohnehin der stählerne Held des Arbeitsmarktes. Die Frau sollte es ihm tunlichst gleich tun, um nicht in Abhängigkeit und einem vertanen Leben zu enden. Hausarbeit und Carearbeit wird man in beiden Varianten bemängeln. Sonderbar, denn geleistet will sie dennoch werden, ihr auslassen endet in Chaos und Verwahrlosung bedürftiger Menschen. Der elitäre Frau hat dafür natürlich eine elegante Lösung: eine Billiglohnkraft. Man nimmt also wahlweise eine Rassen- oder eine Klassenzugehörigkeit zur Anwendung und erhält eine billige Frau. Man hat sich auch ins neutrale Terrain bewegt. Es ist dies der Effekt der Globalisierung und insgesamt ein Sachzwang ohne Alternativen. Man schwingt sich hoch auf: denn wäre es kein Sachzwang, sondern eine hybride Menschenkonstruktion, dann müßte man sich überlegen, was man mit der Haus- und Carearbeit machen ürde im Falle, dass man sie nicht durch Rassen- und Klassendiskrimierung verbilligen könnte. Dann, ja dann, man weiß es nicht, vermutlich müßte man selbst zur Tat schreiten oder diese Arbeiten weitgehend verinstitutionalisieren. Außerhalb des Arbeitsmarktes gäbe es dann noch Aufzucht- und Ablebensinstitutionen, der Rest wäre Arbeit, Konsum und Erholung. Der stählerne Mann hat es mit der Haus- und Carearbeit ja traditionell noch nie so genau genommen. Es wäre schon gut, dass die Frau das macht, das macht doch die Frau, er gehe ja arbeiten, er tauche in die Wirren des Arbeitsmarktes ein und kämpfe dort hart für das Wohl seiner Familie und Kuschelhöhle.
Geht ein Mensch aus dem Schlaf in die Ruheposition und dann in die Tätigkeit, dann wird er im Zeitraffer bemerken, wie ihn gesellschaftliche Normen anfangen zu verschieben, zu kneten, zu bedrängen und irritieren. Ist er einem Impuls gefolgt und hat begonnen zu putzen, zu kehren, aufzuräumen, zu waschen und zu bügeln, den Kühlschrank zu reinigen, Marmelade ein zu machen, täglich zu kochen, das Kind zu schaukeln, das Kind spazieren zu führen, es zu baden und zu unterhalten, für Kindergarten und Schule zu sorgen, die Mutter zwei Mal am Tag zu besuchen, ihr Medikamente zu besorgen, ihr die Suppe vorzukochen, ihre eine Heimhilfe zu organisieren, sie gar zu pflegen, jahrelang, dem Mann ein Dokument vom Amt holen, sich sorgen gemacht usw. dann wird er in einer Auszeit der Reflexion und des Rückblicks ersehen, dass er keinen Eurocent dafür bekommen hat. Sein Schweiß, seine Mühen, seine Müdigkeit, all das ist nicht einmal anwesend. Es gibt keine Fläche, auf der dies anwesend wäre, höchstens noch auf der Verachtung und des Ignorierens. Folgt er aber einem anderen Impuls und strebt zu und wird getragen in eine berufliche Rolle wie einem Steuerberater, vielleicht war ja auch schon der Vater ein Jurist oder ein Unternehmer und der Mensch hat gesehen, dass der Vater immer zum Steuerberater geht und dieser in wohlig warmen Räumen sitzt und wohlgekleidet kleine Handgriffe macht, seine Mutter ihn durch Schule und Ausbildung begleitet und immer ein offenes Ohr für ihn hat, was ihn natürlich nervt mit der Zeit, er dann letztlich in einer Steuerkanzlei landet, dort aber viel zu tun hat, oft lange arbeiten muß, trotzdem heiratet und ein Haus kauft, er immer mehr arbeitet, die junge Konkurrenz zunimmt und man die ellbogen in der Kanzlei immer deutlicher spürt, aber er hart bleibt und kämpft, inzwischen zwei Kinder hat, der Frau und den Kindern alles kauft, großzügig ist, täglich aber 12 Stunden vor Tabellen, Gesetzestexten, Kalkulationen, in Besprechungen und Planungen sitzt und dann einmal zurück blickt, so sieht er, dass er gut bezahlt ist, sehr gut sogar. Er kann sich einen großen Wagen leisten, einen Wochenendwagen auch und teure Fahrräder für die Familie. Anüge kauft er nur im Premiumsegment, auch die Socken, denn darauf hält er viel. Er schwitzt selten, muss sich konzentrieren und hat Verantwortung.
@flavo
Mir geht es vor allem um das stets einseitige Narrativ in Film, Buch und Fernsehen, was immer wieder erzählt wird. Sicher ist das auch ein Spiegel der Gesellschaft.
Ich würde mich dennoch freuen ‑wenn es hier jenseits von Klischees und Geschlechterkampf- mehr Abwechslung in der Erzählung geben würde. Beispielsweise ein Mann der die Heimarbeit macht und die Frau das Geld Nachhause bringt. Oder ein männlicher »Held der Arbeit«, der sich den Überstunden, der endlosen Flexibilität und der ständig geforderten Belastbarkeit der Lohnarbeit verweigert (nur Teilzeit arbeitet), weil er Zeit mit der Familie verbringen will. Oder eine Frau, die eine 60 Stunden Woche hat und die Familie vernachlässigt. Möglichkeiten gibt es hier viele.
Eine besonders frauenfeindliche Standardszene in vielen Filmen zeigt, wie der Held ins Kampfgetümmel zieht und sich in der Wohnungstür noch einmal zum 6‑jährigen Sohn umdreht und sagt: »Pass schön auf Mama auf, während ich weg bin.«
Und das in Gegenwart der erwachsenen Frau.
Auf den Punkt gebracht , Männer haben ein Schuldigen-Abo.
Überraschend , wie wenig Feminist/innen merken , welchem hochgradig rückständigen Rollenbild sie selber anhängen , mit dieser Art , neue Rechte zu beanspruchen , aber vehement auf alten Privilegien zu bestehen.
Der Feminismus von heute steht längst nicht mehr links.
Heute sind doch durch den übertriebenen Feminismus immer mehr Männer benachteiligt, das fängt bei den Jungen ja schon in der Schule an! :schimpfen: Frauen sind z.B. statistisch gesehen fast genauso gewaltbereit wie Männer, sie machen’s nur subtiler und es wird in der Öffentlichkeit kaum diskutiert. Ich habe auch noch nie eine Talkshow gesehen, in der weibliche Übergriffe diskutiert werden, egal welcher Art.
Von Frauenhäusern habe ich schon oft was gehört, aber noch nie von Männerhäusern, oder es gibt auch Frauenbeauftragte, aber keine Männerbeauftragte :dafuer: in der Politik.
Das wirklich traurige an der Sache ist, dass es zwischen Männern und Frauen oft kein wirklich freundschaftliches Verhältnis gibt oder geben kann, weil das Feindbild (die Verachtung der Frau versus
der immer starke und allwissende Mann) dem im Wege steht. Das Weibliche steht für »Schwäche« und Männlichkeit wird mit »Stärke« gleichgesetzt. Das ist verwirrend für Männer, ebenso wie für Frauen, Männer sollen immer stark sein, aber wie genau stellen sich Frauen und Männer diesen »immer starken Mann« vor und was genau verstehen sie darunter, wie ein solcher Mann sein soll? Wie soll sich ein Mann verhalten, der sich in einer Situation als »stark« erweisen soll, in einer anderen Situation jedoch ihm genau diese Stärke zum Vorwurf gemacht wird? Das kann ja nur Verwirrung stiften.
Die vernachlässigte Frau ist eine ähnlich verwirrende Sichtweise, eher oberflächlich und vielleicht auch ein wenig abfällig. Es ist doch menschlich, dass eine Frau ihren Mann (Freund) vermissen kann, wenn sie das Gefühl hat ihn zu selten zu sehen, nicht genug mit ihm reden zu können und vieles mehr. Sie könnte dem Mann sagen, dass sie ihn vermisst, wenn er nicht da ist oder ihm sagen, dass sie sich freut, wenn er zurückkommt, der Mann fühlt, dass die Frau ihn vermisst und das er wichtig für sie ist. Vielleicht würde ihn das freuen, weil er merkt, dass er ihr nicht egal ist. Ich kann mir kaum vorstellen, dass es einen Mann gibt, der solche kleinen Gesten der Zuneigung nicht braucht, es sei denn, die Zuneigung seiner Frau (oder Freundin) ist ihm lästig.