Die Wirtschaftswoche schreibt über »die Traumberufe unserer Kinder«. Erläutert wird eine Umfrage des Jugendforscher-Teams iconKIDS&Youth im Auftrag von LEGO City. Kinder sollen und müssen schließlich funktionieren: zuerst nur als Konsumenten, später zusätzlich als Steuerzahler und Lohnarbeiter. »73 Prozent der Kinder wissen schon ganz genau, welchen Beruf sie einmal ergreifen wollen.« Nur leider sinke mit zunehmenden Alter die Zuversicht, den gewünschten Beruf auch zu bekommen, so die Redakteurin Miriam Bax. Das liege natürlich nicht an unserem Arbeitsmarkt, bei dem auf ca. eine Million offener Stellen (sehr optimistisch gerechnet) ungeschönt sechs bis sieben Millionen Erwerbslose treffen, sondern daran, dass man »Ausschreibungen für Profifußballer oder Geheimagenten« in den Jobbörsen vergeblich suche. Es gibt kaum eine frustrierendere Frage für Kinder als »Was möchtest Du später einmal werden?«. Bei dem Arbeitsmarkt sind die meisten am Ende froh, überhaupt eine Lohnarbeit gefunden zu haben.
Salzburg.com veröffentlicht eine Dpa-Meldung mit dem Titel »Machen Computerspiele süchtig?« Der Artikel suhlt sich zwar im genretypischen Klischee-Muff der Vernachlässigung von Beruf und Sozialkompetenz, traut sich aber zumindest ein wenig zu analysieren: »Im Internet finden sie Erfolge, Beziehungen und Anerkennung«. Warum jedoch soviele (junge) Menschen ohne Erfolge, Beziehungen und Anerkennung sind, wird nicht hinterfragt. Unsere neoliberale Leistungsgesellschaft, die nicht nur auf jeden einen starken Druck ausübt, sondern auch gnadenlos ausselektiert, darf eben nicht in Frage gestellt werden.
Sigmar Gabriel (SPD) wirbt für das Freihandelsabkommen. Den Putsch der Konzerne gegen die Nationalstaaten, durch die Einführung von internationalen Schiedsgerichten, die Konzern-Investitionen vor Verbraucherrechten schützen, die europäische Einführung von Chlorhühnchen und Hormonfleisch, die Liquidierung der Klimapolitik und den Abbau von Verbraucherrechten als »weltweiten Fortschritt bei der Berücksichtigung von Nachhaltigkeitsaspekten, Verbraucherschutz und Arbeitnehmerrechten« zu bezeichnen, ist nicht nur eine dreiste Lüge, sondern auch kackfrech. Die SPD ist und bleibt unwählbar.
Auf zeit.de gibt es einen etwas älteren Artikel über »Hochschulfinanzierung: die Firma zahlt«. Thematisiert wird der Einfluss von Unternehmen auf die Universitäten und Hochschulen. Er macht deutlich, dass die Wissenschaft schon lange nicht mehr frei und unabhängig ist und dem Prinzip der akademischen Objektivität/Neutralität verbunden oder gar auf der Suche nach Wahrheit sei. Unis gelten als Lernfabriken, welche für die Unternehmen und Konzerne das Humankapital produzieren sollen müssen: »Doch wer bezahlt, will auch mitreden. [...] Die Telekom hat früh und gezielt eine Ressource gefördert, die nicht mit dem Eintrag ins Handelsregister verbunden ist: Bildung.« Und das Unternehmen, Banken und Konzerne maßgeblich mit dafür verantwortlich sind (Steuerhinterziehung, Bankenrettung, Subventionen, Schuldenabbau-Zinszahlungen etc.), dass die öffentlichen Haushalte verschuldet sind und damit wenig Geld für die Unis zur Verfügung haben, das wird im Artikel natürlich nicht erwähnt.
Der Traumberuf. Es herrscht breite Akzeptanz hinsichtlich dieser Vorstellung. Im Allgemeinen ist man häufig davon überzeugt, dass man sich im Leben aufmachen müsse, sein Glück zu finden. Da wir aber nunmal in einer modernen Welt leben mit zahlreichen Bekömmlichkeiten und gutem Wohlstand, ist das meiste schon dargerichtet. Die hälfte des Weges ist gewissermaßen schon angelegt. Das andere Stück muss nun selbst begangen werden mit der Wahl des Traumberufes. Er ist der Schlüssel zur Vervollständigung des Glückes und des Abschlusses der Glückssuche. Kurz gesagt bringt der Traumberuf Glückserfahrung durch lustvolle Betätigung außer Haus und zudem ein hohes Maß an Remuneration zur Freizeitgestaltung durch Warenanschaffung.
Diese Sicht scheint heute bei den jüngeren Mensch die Basis aller Diversität zu sein. Hierauf baut sich jeder sein Schlösschen auf und als soziale Wesen besucht man sich gegenseitig darin. Ach, schau, er hat die Ware A. Wo hast du das denn her? Ich habe zwar Ware B und C, aber die A hätte ich doch auch gerne. Man kennt solche Dialoge. Oder so: Hast du schon Ware AaC? Nein, du? Ja stell dir vor, gerade heute habe ich sie gekauft. Auch insgeheime Gespräche mit sich selbst wie diese: mir geht es auf den Sack, also wenn ich da mal durch bin, dann kaufe ich mit aber diese Ware CCd. Da leg ich das drauf und nehm gleich die größere. Das habe ich mir verdient.
Gemeinhin wird man heute bei neuen Bekanntschaften alsbald nach seiner Anstellung befragt. Warum auch immer, aber anscheinend wird eine fröhliche Erzählung erwartet. Ich mache XY. Es ist so toll, ich bin so froh. Und ich verdiene so gut. Eine Antwort ohne Spaßinhalt, ein Lamentieren über die öde Lohnarbeit wird mit Mitleid bedacht oder gar verdächtigt der Leistungsschwäche. Denn nur Schwache schaffens nicht.
Oder man lasse sich nur die zahllosen Schausspiele bei Bewerbungsgesprächen durch den Kopf gehen. Zur Erlangung eines Postens einer Lohnarbeit poliert man sich auf und gibt sich von seiner besten Seite. Der Personalverwalter gegenüber mißt alles voller Ernst und schaut missgünstig nach Interferenzen in der dargebotenen Vorstellung. Schließlich erwartet sein Vorgesetzer, dass er den richtigen Lohnarbeiter auswählt, welcher fleißig leistet und ordentlich ist bzw. fleißig leistet und flippig ist (in den sog. Kreativberufen).
Voller stolz wird weithin präsentiert, was man alles aus der Lohnarbeit weiß. Man weiß, wie es abläuft. Der Laie weiß das nicht, der glaubt den Zeitungen. Man selbst weiß, wie es geht, wie die Gelder fließen, wie ein Arrangement in der Geschäftswelt zu Stande kommt und wer das sagen hat. Man hat hinter die Dinge geschaut. Man arbeitet auch hinter den Dingen. Der Traumberuf führt einen hier tatsächlich hinter die Dinge. Und andererseits gleichzeitig hinters Licht. Was für ein Spiegelkabinett er doch ist.