Am 1. November 2014 schrieb ich der »Blätter«-Redaktion folgende E‑Mail:
Liebe »Blätter« — Redaktion,
ich bin ein langjähriger Leser eures Magazins und habe es immer sehr geschätzt. Leider habt Ihr in Ausgabe 10/2014 Jürgen Trittin ein Forum geboten (mit Ankündigung auf dem Cover), was ich beim besten Willen nicht verstehen kann. Ihr bezeichnet euch in eurem Selbstverständnis als »unabhängig von Konzernen, Parteien, Verbänden und Kirchen« und bietet dann einem prominenten GRÜNEN-Politiker eine Plattform, der im Beitrag »Die Koalition der Transformation und was ihr im Wege steht« über mögliche Koalitionsmöglichkeiten schwadroniert? Als wenn die Politik in Deutschland, im Angesicht von Banken- und Konzernmacht, überhaupt noch etwas entscheiden könnte.
Den GRÜNEN, welche die Agenda 2010 in weiten Teilen bis heute befürworten? Den GRÜNEN, die den Überwachungsstaat mit gefördert haben (Stichwort: Otto-Katalog)? Den pazifistischen GRÜNEN die weltweite Kriege führen (Kosovo, Afghanistan)? Den GRÜNEN die gegen »Ausländern« Politik beziehen (Kretschmann im Bundesrat) — und nun Umweltaktivisten anzeigen (NRW/Kohleprotest)? Denen bietet Ihr die Möglichkeit in den »Blättern« einen Text zu veröffentlichen?
Ich dachte, Ihr seid eine (linkspolitische) Insel im Meer des Mainstreams? Gibt es demnächst einen Artikel von Gerhard Schröder, der die Hartz-Gesetze verteidigt? Oder von Wolfgang Clement, der die wichtige Funktion von FDP und Leiharbeit kommentiert? Sind euch prominente Namen so wichtig?
bestmögliche Grüße
Markus
Bisher gibt es hierzu keine Antwort.
Naja. Markus — ich bin wirklich in 95% deiner Beiträge einer Meinung. Aber dass hier ist irgendwie dasselbe wie der spalterische Irrsinn, der auch schon in Sachen Ken Jebsen, Montagsdemos, Ukraine-Putsch seinen traurigen Höhepunkt erlebt hatte. »Plattformitis«. Oder siehe bspw. auch die völlig absurde, in keinem Verhältnis stehende Welle, die dieser (sich nun beim Herrn Karl ausheulende) »genova« beim Spiegelfechter ausgelöst hat. Das klingt immer nach gekränkter Eitelkeit, nach enttäuschter Liebe und verbitterten Hass auf den Ex.
Es gehört zum Pluralismus, dass auch Menschen Meinungen äußern, die nicht ins klassische Umfeld / Schema passen. Spiel nicht mit dem Schmuddelkindern ist also richtig? Warum muss man gleich einem geschätzten Medium wie den »Blättern« wegen eines(!) Artikels gleich die Pistole auf die Brust setzen und ihnen zu unterstellen, sie würden nun komplett »umkippen«? Zig Artikel gefallen dir — einer mal nicht. Na und? Was genau befürchtest du? Wieso unterstellst du denen nun keine »Insel« mehr zu sein...?! Wegen eines einzigen Trittinschriebs? Wie würdest du dich fühlen, wenn man dir so etwas unterstellen würde?
Das ist in meinen Augen nur einmal mehr die Suche nach der »reinen Lehre«, der einzigen »Wahrheit«. Die bei Linken typische, krankhafte Suche nach der (trennenden) Nadel im Heuhaufen, dieses typisch hysterische... ich bin selbst davor nicht gefeit — aber inzwischen geht mir dieses infantile »ich bin nicht mehr dein Freund, weil du mit dem blöden XY geredet hast« mehr auf die Nüsse als der neoliberale Irrsinn, der sich ungehindert immer weiter ausbreitet...
Volksfront von Judäa oder Judäische Volksfront?
@Dennis82
Ich bin auch gegen Spaltungen innerhalb der Linken und verfechte auch keine »reine Lehre«. Da bin ich ganz bei Dir! Ich habe jetzt gerade auch wieder mein »Blätter«-Abo verlängert. Soviel dazu.
Kritik muss aber dennoch erlaubt sein. Und Jürgen Trittin und die GRÜNEN sind ja nicht »irgendwer«, wo ich mal drüber hinwegschauen und sagen kann »gut, der Artikel gefällt mir halt nicht« — sowas kommt so oder so ab und zu schon mal vor (beispielsweise bei den einseitigen Feminismus-Gender-Sachen). Wenn ich schon für ein alternatives Medium bezahle, vor allem auch dafür jenseits des Mainstreams andere Sichtweisen und Perspektiven zu lesen — dann finde ich schon, dass ich es »monieren« darf, wenn ein Jürgen Trittin in genau diesem Magazin, über mögliche Regierungs-Koalitions-Spielereien herum faselt. Das bekomme ich auch online bei der TAZ zu lesen.
Du magst das womöglich etwas kleinlich finden, ich nenne es einen »Leserbrief« ;)