In Deutschland haben mehr Menschen Haustiere als eigene Kinder. Viele überhöhen sie, zahlen (meist zähneknirschend) horrende Tierarzt-Rechnungen (geben aber Obdachlosen keinen Cent, weil Eigenverantwortung und so), lassen ihre Hunde Parks und Straßen zuscheißen und/oder benutzen die eigenen Haustiere als Zuneigungs- und Liebesquellen. Kurzum: für nicht wenige Menschen in Deutschland gelten Haustiere als vollwertige Familienmitglieder, ja manchmal sogar als Partnerersatz. Dabei muss man nicht einmal ein Veganer, PETA-Verfechter oder Greenpeace-Kämpfer sein, um Tieren mehr Wert als Menschen beizumessen; selbst viele Haustier-Besitzer sind oft misanthropisch veranlagt. Tiere sehen sie von Natur aus als lieb, unschuldig und hilflos an. Während Menschen generell böse sind, besonders Fleischesser.
Wenn es um das Thema (Haus-)Tiere geht, begibt man sich schnell in vermintes Gelände. Denn wer hier Verhaltens- und Denkweisen hinterfragt, gilt schnell als Tierhasser oder als jemand, welcher der Fleischindustrie das Wort redet. Eine differenzierte Betrachtungsweise ist gerade bei Tierfreunden und Tierschützern nur selten gegeben. Dort herrscht ein allzu oft infantiles, moralisch simples und sozial konstruiertes Weltbild vor: hier die guten, lieben, und unschuldigen (Haus-)Tiere (»ach wie süüüüß!«), dort die bösen Menschen. Schwarz und Weiß. Wer sich einmal mit einem PETA – Anhänger oder einem engagierten Tierschützer über sein Menschen- und Tierbild unterhalten hat, wird das bestätigen können. Alternativ kann man sich auch mal auf den Facebook-Seiten von PETA (über 260.000 Fans) oder SOKO Tierschutz (über 10.000 Fans) die User-Kommentare durchlesen.
»Tiere sind die besten Freunde. Sie stellen keine Fragen und kritisieren nicht.«
- Mark Twain
Zwar würde ich mich auch als Tierfreund bezeichnen (ich hatte 14 Jahre lang eine Katze), dennoch stört mich diese immer fanatischer werdende, ohne jede Selbstreflexion gelebte, vermeintliche »Tierliebe«, bei gleichzeitig steigender Menschenverachtung, zusehends. Um ein Beispiel zu nennen: Die Facebook-Präsenz vom »Deutschen Tierschutzbüro« hat am 30. April 2014 einen Beitrag veröffentlicht, der eine Grillschürze zeigte mit dem Slogan: »Ich mag Tiere – heiß und fettig« (354 likes, 544 comments, 483 shares). Es wurde behauptet, dies sei eine Werbe-Aktion vom Discounter Real und man solle doch auf deren Facebook-Seite mal sagen, was man davon halten würde. Was folgte, war ein tagelanger Shitstorm sondergleichen. Die (hauptsächlich weiblichen) User wüteten und schimpften zu Hunderten auf dem Facebook-Portal von Real. Es sei geschmacklos, widerwärtig, tierfeindlich, Real solle pleite gehen und so weiter. Am 2. Mai 2014 verfasste der Discounter eine Stellungnahme (116 likes, 138 comments, 0 shares), in der betont wurde, dass dies keine Werbe-Aktion von Real, sondern lediglich eine angebotene Grillschürze in ihren Filialen war (die es auch mit anderen Sprüchen und in vielen anderen Geschäften und online zu kaufen gebe), welche sie nun jedoch aus dem Sortiment genommen hätten. Es folgten weder Entschuldigungen der User, noch wurde die Stellungnahme auch nur einmal via Facebook von den Moralisten geteilt. Ganz im Gegenteil: Tage später liefen immer noch erboste Kommentare ein.
Satirisch. Sarkastisch. Somuncu.
Hunde seien »die besten Freunde des Menschen« so sagt man. Gibt man seinem besten Freund Befehle und will ihn erziehen? Lässt man seinen besten Freund auf die Straße und in Parks scheißen? Krault und streichelt man seinen besten Freund täglich? Lässt man seinen besten Freund den halben Tag in der Wohnung, weil man (lohn-)arbeiten muss? Guten Freunden begegnet man in aller Regel auf Augenhöhe. Die Beziehung zwischen Menschen und Hunden ist aber nicht gleichberechtigt, wie die euphemistische Verniedlichung »Herrchen« oder »Frauchen« verdeutlichen. Haustiere stehen in der Hierarchie deutlich unter uns, sie sollen uns gefügig sein, unsere Bedürfnisse erfüllen und funktionieren. Ob wir Tiere töten, in den Zoo stecken, im Zirkus quälen oder wir sie in einen goldenen Zuhause-Streichelzoo-Käfig sperren: immer üben wir vor allem Macht über sie aus. Die Machtausübung ist insofern das zentrale und verbindende Element aller Menschen beim Umgang mit Tieren.
Sie: »Meine Katze Lisa ist mir entlaufen. Ich suche sie schon seit Tagen.
Er: »Nun ist sie endlich in Freiheit.«
Sie: »Das ist zynisch und gemein von Dir! Ich liebe und vermisse meine Katze! Und bei mir hatte sie doch auch alles: Fressen, einen Schlafplatz, Liebe...«
Er: »Nur kein selbstbestimmtes Leben.«
Sie: »Jetzt wird sie vielleicht vom Auto überfahren, für Tierexperimente missbraucht oder in ein Tierheim gesteckt.«
Er: »Deine Wohnung ist für das Tier auch ein Käfig. Ein goldener womöglich, aber dennoch ein Käfig.«
Während regelmäßig Obdachlose im Winter erfrieren und jedes sechste Kind in Deutschland in Armut lebt, werden auf Facebook tausendfach vermeintlich lustige Tierbilder oder Videos, Berichte über Tierquäler und/oder Fotos von den eigenen Haustieren verbreitet. Menschen gelten generell für ihre Situation als »selbst schuld«, das neoliberale Prinzip der Eigenverantwortung wurde tief verinnerlicht. Als ich einmal das tiefe Mitgefühl, die Empathie und die Solidarität von vorbeilaufenden Passanten erlebt habe, als eine Katze aus dem Fenster eines vierten Stockwerkes gefallen und sich verletzt hatte, wurde mir schlagartig bewusst, wie stark die vermeintliche Tierliebe (z.B. der Eisbär »Knut«-Hype im Jahr 2007) und gleichzeitig die Menschenverachtung vieler Menschen in Deutschland ist. Denn hätte dort ein verletzter Obdachloser gelegen, wäre das Mitgefühl wohl nicht einmal halb so stark gewesen.
Naja, das klingt jetzt aber ziemlich verallgemeinernd. Und Peta hat wohl nicht unbedingt etwas mit Tierschutz zu tun. Die beschäftigen sich dort doch wohl eher mit dem Anprangern von Missständen und dem Sammeln von Spendengeldern, als tatsächlich einen Beitrag zum Tierschutz zu leisten — die Massenexekutionen in den Peta-eigenen »Tierheimen« sprechen für sich. Fiel mir sowieso schon des Öfteren auf, dass es sich bei vielen — nicht allen! — Veganfaschisten mit missionarischem Eifer, um absolute Tierhasser handelt. Man kann im Peta-eigenen Versandhandel sogar »veganes« Hundefutter erstehen — und das ist meineserachtens Tierquälerei. Egal. Was ich anmerken wollte, ist, dass es sich bei jedem Tier selbstverständlicherweise immer um ein Individuum handelt, welches über eine Persönlichkeit verfügt. Natürlich muss man seinem Hund auch ein paar Verhaltensregeln beibringen, schon alleine deshalb, weil er sonst nur Unfug macht und sich womöglich selbst gefährdet, wie bei einem Kleinkind auch, aber damit hat es sich auch schon erledigt mit Hierarchie und Unterdrückung. Ich sehe ja auch die Leute, die Tierliebe heucheln, sich aber einen dressierten Clown heranzüchten, dem sie aus lauter »Liebe« noch die Eier abschneiden lassen, um dann schlussendlich einen denaturierten Krüppel zu haben, der genauso »funktioniert«, wie sie selbst — und dann braucht man sich kein Tier zuzulegen. Ein Tier ist kein Freund, den man sich einfach so mal kaufen kann — es ist einem hilflos ausgeliefert und die »Freundschaft« will erstmal erarbeitet und gewonnen werden. Eine Freundschaft bedarf des gegenseitigen Respekts und absoluten Vertrauens. Und da sind wir schon beim Punkt: Respekt und Vertrauen sind die Dinge, an denen es unserer Gesellschaft mangelt. Verlogenheit und Missgunst dominieren unsere Welt und unser Leben. Alles Gute und Schöne wird zerstört und niedergemacht, weil es der eigenen Schlechtigkeit den Spiegel vorhält und die Leute die Wahrheit über sich selbst und ihr Leben nicht ertragen können. Die Leute leben eine Illusion. Und ich spreche explizit von »Leuten«, weil die Mehrheit unserer Spezies die Bezeichnung »Mensch« gar nicht verdient. Die Tiere sind die, die in dieser menschengemachten Welt am meisten leiden müssen, das ist Fakt — und deshalb hält sich wohl auch das Mitleid mit den »Menschen« in Grenzen, da diese ja nun die Verursacher des ganzen Desasters sind. Die Leute haben sich für eine Gesellschaft entschieden, in der es darum geht, sich gegenseitig fertig zu machen und auszunutzen, unser ganzes System basiert auf Missbrauch und Zerstörung — und ich gestehe es den Leuten zu. Insofern soll man sich nicht wundern, wenn irgendwelche Leute im Straßengraben verrecken, schließlich ist es so gewollt. Wer in Afghanistan eine Horde Kinder in Elementarteilchen verwandelt, ohne mit der Wimper zu zucken, hierzulande dann aber jammert, weil irgendwer sein Blag aus dem Fenster wirft, ist meineserachtens nicht glaubwürdig. Wer über »Wirtschaftsflüchtlinge« hetzt und gleichzeitig das Massensterben im Mittelmeer beklagt, ist meineserachtens ein verlogenes Arschloch. Aber ich gestehe es den »Menschen« zu, dass sie einfach nur Abschaum sind, weil ich auch Abschaum respektiere. Und die »Menschen« werden die Quittung für ihr Handeln bekommen — sie haben sie sogar schon: eine asoziale Pseudogesellschaft voller verlogener Miststücke, in der sie selbst dahinvegetieren müssen. Ich finde das gerecht. ;)
Ich »liebe« ja die ganzen Boykottaufrufe, weil Hunde gequält werden — war es der ESC in Aserbaidschan oder in Rumänien oder sonstwo. Ein paar grausame Bilder dazu gepostet und schon ist die bigotte Empörung riesengross.
Mir kommt es so vor, als würden sich die Mädels (sind es nun mal grösstenteils) an diesen Bildern ergötzen wie unsereiner vielleicht an einem Horrorstreifen. Ihr eigenes Verhalten gegenüber dem Haustier hinterfragen die meisten dieser »Tierfreunde« nicht. Typisch ist: Ein Hund braucht sehr viel Zuwendung: bekommt er sie, wenn er in einem Haushalt wohnt und täglich vielleicht eine halbe Stunde Ausgang hat? Wie sieht es mit den ganzen Stubentigern aus, die in Wohnungen gehalten werden und ein psychotisches Verhalten an den Tag legen? Und man muss auch mal sehen, was die so alles killen! (Ich habe eine Freigängerkatze und bin fast schon entsetzt, was die alles anbringt). Wer denkt an die von den bestens genährten Stubentiger zum Spass gekillten Singvögel, Frösche, Fledermäuse etc.?
Dein Beispieldialog hinkt übrigens, finde ich. Für einen Hund ist der Mensch Rudelersatz, für eine Katze wohl so eine Art geschütztes Revier (auch nach Jahren mit einer Mietze habe ich das nicht sicher herausgefunden). »Goldener Käfig« etc. unterstellen eine umgekehrte vermenschlichte Sicht; so als sei das einzig wahre Leben für ein Haustier das eines Wildtieres. Und das dürfte für Hunde sicher, bei Katzen teilweise nicht stimmen.
Dass viele Menschen ein gestörtes Verhältnis zu ihrem Haustier haben und es als Ersatz für echte Sozialkontakte nehmen stimmt allerdings.
Für mich sind diese Projektionen ein Phänomen einer kontaktarmen, sozial verarmten Gesellschaft. Es sind ja nicht nur Haustiere, auch Facebook und andere Plattformen dienen als Substitute für soziales Leben. Darüber würde es sich lohnen nachzudenken, oder?
@Thomas
»Für mich sind diese Projektionen ein Phänomen einer kontaktarmen, sozial verarmten Gesellschaft. Es sind ja nicht nur Haustiere, auch Facebook und andere Plattformen dienen als Substitute für soziales Leben. Darüber würde es sich lohnen nachzudenken, oder?«
Auf Jeden Fall! Guckst Du zum Beispiel hier oder hier. :jaja:
Paaah. Ihr Menschen- und Tierfreunde und Blümchenhasser. Ich bin viel perverser als ihr. Ich hasse Menschen, ich hasse Tiere, — alle fressen, mähen und killen nur unschuldige Blümchen. Hmmm, — schmeckt lecker, so ein fruchtiges Salädle mit Thunfischsoße. Jaaa,- der Menschen Wiedersprüche ist ihr Segen und Fluch zugleich. Es macht sie menschlich, und eben nicht funktional. Die Unterscheidung liegt bei menschlicher Grausamkeit oder funktionaler Grausamkeit. Oder noch schlimmer, die funktional gesteuerte menschliche Grausamkeit. Sagen wir einfach, sie könnten tatsächlich, ein gewaltiges Stück netter zueinander sein. Dann würde das auch mit der funktionalen Steuerung nicht so funktionieren. Ein Bekenntnis zu‑, und eine Reflektion ihrer Doppelmoral, würde da auch schwer weiter helfen. Jemand Lust auf’n paniertes Hacksteak aus Parasolpilzen?
Man soll nicht den Moloch der Massentierhaltung vergessen. Der Widerspruch ist immens. Das eigene Hündchen wird gefüttert mit in Säcken abgefüllten Massentierhaltungsabfällen oder ‑produkten. Ein Ereignis der Liebe, der Hilfe und der momentanen Wonnen, der devote Hündchenblick und die schützende Hand von Herrchen, welches sein Getier wohlwollend nährt (wer sich an mir nährt, wird gerettet), stehend auf einem abwesenden Berg aus maschinell totgequälten Tieren, durchgearbeitet zu Tierpasteten mit infantil-gustösen Werbeverpackungen.
Bis heute weiß niemand, was die Tiere erleben. Die Einbildungen sind vielfältig. Wir kennen den Weltvorgang des Tieres nicht von innen.
Hab mal gelesen, dass die Deutschen Privathaushalte mehr Geld für Tierfutter ausgeben, als so mancher Staatsetat einiger afrikanischer Länder insgesamt zur Verfügung hat.
@eb
Klingt lecker. Und als Nachspeise Schildkrötensuppe und Schillerlocken.