»Ein Dutzend anderer Zeugen, die anonym bleiben wollten, berichteten ebenfalls über professionell organisiertes Doping im Team zwischen 1996 bis 2012.«
- SpiegelOnline vom 19. Januar 2013
Das Adjektiv »professionell« ist positiv aufgeladen und leitet sich vom Nomen »Profi« ab. Als professionell bzw. Profi bezeichnet man »jemand, der im Gegensatz zum Amateur oder Dilettanten eine Tätigkeit beruflich oder zum Erwerb des eigenen Lebensunterhalts als Erwerbstätigkeit ausübt.« (wikipedia)
Ähnlich wie das Schlagwort »Experte« werden mit »Profi« Menschen gekürt, die vermeintlich herausragende Leistungen und/oder Qualitäten aufweisen. Während der Experte mit vermeintlichem Fachwissen glänzt, sei ein Profi jemand, der sein Handwerk verstehe — ein Fachmann, der anpacke, statt nur zu reden. Beide Begriffe haben eine Disziplinierungsfunktion. Sie inszenieren, konstruieren und stabilisieren real existierende soziale und berufliche Hierarchieverhältnisse.
Wer sich in seiner Freizeit viel mit Kunst, Sport, Musik oder Texte schreiben beschäftigt, bekommt schon mal zu hören, er möge doch seine Leidenschaft bzw. seine Begabung »professionell betreiben« oder »professionalisieren«. Gemeint ist in aller Regel seine Fähigkeiten und Talente finanziell zu verwerten, sie also in den wirtschaftlichen Verwertungsprozess ein zu speisen.
»Die Kanzlerin agiert wie eine sehr effektive Feuerwehr. Sie isoliert Brandherde schnell und professionell, damit der Rest nicht in Flammen aufgeht.«
- taz.de vom 11. Februar 2013
Gleichzeitig konstruiert das Adjektiv einen Bewertungsmaßstab für beispielsweise schöpferische Tätigkeiten. Demnach seien diese nur dann qualitativ hochwertig, wenn sie bezahlt werden. Denn nur dann werden diese ja »professionell betrieben«. Begriffe wie Freizeitkünstler oder Hobbyfotografen verdeutlichen das. Die finanzielle Verwertung eigener schöpferischer Tätigkeiten fungiert hierbei als Aufwertungsfunktion. Häufige Argumente sind dann die technischen Möglichkeiten, die langjährige Erfahrung sowie Titel oder Berufsabschlüsse von Unternehmen, die einem helfen würden, sein Können zu verbessern.
Die Selbstentfremdung in der Lohnarbeit, das Dogma der marktkonformen Kreativität sowie der Sachzwang Geld grenzen den eigenen, vermeintlich qualitativ hochwertigen (also »professionellen«) Gestaltungsspielraum jedoch radikal ein. Zudem gibt es keinen objektiven Kriterienkatalog, ab wann jemand als Experte oder Profi gilt. Politik, Wirtschaft und Medien vergeben diese »Titel« nach eigenen Gutdünken und verwenden das Plastikwort, um Sachverhalte und Persönlichkeiten aufzuwerten. Hinzu kommt, dass der Begriff im Marketing fast inflationär gebraucht wird, um Qualität und Fachwissen zu suggerieren.
»Wie sich Twitter wandelt und in Zukunft professionell Geld verdienen will. Porträt eines Netzwerks.«
- sueddeutsche.de vom 16. Februar 2013