Neulich im Krankenhaus…

Dr. Henning Krämer, Wikimedia

Als ich letztens einen lieben Menschen ins Krankenhaus begleitet habe, fühlte ich mich wieder einmal in der These bestätigt, dass Ärzte zwar heilen mögen, Krankenhäuser aber auch durchaus krank machen können.

Ich saß also im Wartebereich der Aufnahmestelle. Ein riesiger Getränke- und Snackautomat summte und brummte in einem nervtötenden Ton, der mich zunehmend unruhig machte. An der Geldausgabe blinkte ständig die Anzeige. Befüllt war dieser Automat mit lauter gesunden Sachen, wie es sich für ein ordentliches Krankenhaus gehört: Snickers und Fanta für Diabetes-Kranke, Red Bull für Menschen mit hohem Bluthochdruck und so weiter. Einer der Deckenleuchter schien kaputt zu sein, denn er flackerte leicht, aber unregelmäßig. Auch ein großer Fernsehbildschirm wurde aufgebaut, der die wartenden Menschen mit spannenden Dauerwerbesendungen bespaßen sollte. Der Patient als Kunde.

Manche Menschen in der Ersten Hilfe schienen dringend Hilfe zu brauchen, sie stöhnten und ächzten vor sich hin. Die Wartezeit lag jedoch jenseits von Gut und Böse. Wir durften gute zwei Stunden warten und waren damit wohl noch gut bedient. Eine Frau erzählte, dass sie bereits seit fünf Stunden hier sitzen und warten würde. Wer auf dem Gang stand, um zu sehen, wo der Arzt blieb, wurde von vorbeilaufenden Schwestern ermahnt, man möge bitte im Wartebereich Platz nehmen. Es ist nervlich, und für manche sicherlich auch körperlich zermürbend solange auf einen Arzt und auf eine Behandlung warten zu müssen. Das Krankenhaus, zugehörig zum Vivantes-Konzern, hat sich für diesen Fall schon mal präventiv abgesichert, indem es seine Beweggründe für eventuelle Wartezeiten ausführlich in dreifacher Ausfertigung in den Wartebereich gehängt hat: Notfälle, schwierige Operationen oder Röntgen-Verfahren würden die Wartezeiten verlängern. Man solle von Nachfragen absehen und sich bitte gedulden. Verständnis inklusive.

Zugegeben, ich bin (zu meinem Glück und wohl noch vorerst) selten im Krankenhaus. Ich kann mich aber durchaus daran erinnern, dass es vor gut 10–15 Jahren keine Wartezeiten von zwei bis fünf Stunden in der Ersten Hilfe gegeben hat. Das hat natürlich auch alles nichts mit einer neoliberalen Ideologie zu tun, die Gehälter kürzt, Personal, Leistungen und Ausrüstung einspart und Profite vor Menschen zur Leitmaxime erhebt, sondern damit, dass es heute mehr Notfälle gibt und die Operationen komplexer sind als früher. Ist klar.

Dem Krankenhausbetreiber Vivantes gehören in Berlin neun Krankenhäuser mit über 100 Kliniken. Im Geschäftsjahr 2011 hat der Konzern stolz verkündet, dass es einen Umsatz von 865 Mio. Euro erwirtschaftet hat. McKinsey hat Vivantes in der Vergangenheit mehrfach beraten. Und auch wenn der Betreiber der Stadt Berlin gehört, so scheint die medizinische Daseinsfürsorge von Vivantes trotzdem einer neoliberalen Ideologie zu folgen. Ob privatisiert oder in staatlicher Hand, für den Patienten macht es hier keinen Unterschied.

Das alles trug sich in Deutschlands Hauptstadt zu und nicht in einem Dorf in Timbuktu. Es dauert wohl nicht mehr lange, dann haben wir spanische Verhältnisse.

12 Gedanken zu “Neulich im Krankenhaus…

  1. Vorab gilt immer noch, auch oder gerade im modernsten Gesundheitswesen: medicus curat, natura sanat — der Arzt behandelt, die Natur heilt — hieran hat sich in der Medizin(geschichte) noch nichts geändert.

    Doch nun zur Privatisierung im Gesundheitswesen. Das Gesundheitswesen zu privatisieren und damit dem Profit-Handeln zu unterwerfen ist in meinen Augen ein Verbrechen. Dies zeigt sich auch deutlich in der Sprache. Heute wird man als Kunde bezeichnet. Zu einem Kunden gehört das unausgesprochene Wesen, daß er für jede Leistung (Ware) zu zahlen hat. Hier ist das Arzt-Patienten Verhältnis herabgestuft auf das Verhältnis Krämer-Kunde.
    Welcher Irrsinn hierin steckt, mag sich jeder selbst ausmalen.

    Weiterhin klage ich an, daß das wirtschaftliche Denken und Handeln sich schleichend vor das medizinisch notwendige gedrängt hat. Auch dies ist ein Irrsinn, der durch das Profitstreben (Privatisieren) im Gesundheitswesen mit Wissen und Wollen der Politiker(Geschäftsleute) durchgesetzt wurde.

  2. Konnte den Unterschied zwischen vorher und privatisiert letztes Jahr auch schwer verinnerlichen. Die Arbeitsgeschwindigkeit des nach der Übernahme durch Helios vor drei Jahren rationalisiertem Restpersonals, ist auf ein Level angestiegen, was man getrost als Dauerstress bezeichnen kann.
    Nachdem sich eine Beschwerdenflut von Patienten und auch Personal, sogar, — und das ist hier eine echte Ungewöhnlichkeit, bis in die Lokalpresse vor gewagt hatten, meinte der (parteilose) Bürgermeister, (welcher das Ding mit Helios und einem CDU-Kreisvorstandsvorsitzendem in zusätzlicher Begleitung von Herrn Kauder) durchgezogen hatte), dass er beizeiten mal nachsehen werde.

  3. Ich arbeite in einem Bereich in dem ich täglich in Krankenhäusern zu tun habe. In Deutschen wie in Schweizerischen.
    Ja auch in den Wartebereichen Schweizer Krankenhäuser hängen bereits Flatscreens und auf dem Gang gibt es einen ebenso fragwürdig bestückten Automaten. Damit sind die Ähnlichkeiten aber auch schon vorüber.
    Es brummt dort nichts und Leuchten flackern nicht. Man trifft ständig Leute vom Hausservice an, die alles in Ordnung halten. Die Sauberkeit und Hygiene wird von deutlich mehr Putzkräften gewährleistet, die ich in meinen Standardkrankenhäusern bereits kenne, weil sie immer in den gleichen Bereichen arbeiten und die Personalfluktuation minimal zu sein scheint.
    Ich habe mir mal den Spass gemacht und vergleichbare Stationen in einem Deutschen Krankenhaus und auf Schweizer Seite verglichen. In Deutschland zwei Pflegekräfte. In der Schweiz sind es sechs Kräfte für die gleiche Anzahl von Patienten!
    Wer übrigens erwartet in einem Schweizer Spital mit einem »Gruezi!« begrüßt zu werden könnte enttäuscht werden. »Guten Tag« und »Hallo« sind dort mindestens ebenso gängig und ich kann nur jeder Fachkraft im sozialen Bereich, ob Krankenpfleger, Altenpfleger oder HEP raten sich in der Schweiz nach einer Stelle um zu sehen. Bessere Arbeitsbedingungen, deutlich mehr Gehalt und tendenziell warmherzigere Menschen machen das arbeiten dort einfach deutlich angenehmer (vorausgesetzt man bringt nicht dieses typisch deutsche Überheblichkeit mit, die dazu noch ziemlich unpassend ist).

  4. Ich kann das nur bestätigen. Ich wollte mir letztes Jahr mal eine tiefere Schnittwunde professionell versorgen lassen und mir eine Tetanusspritze abholen. Man bereitete mich auf eine Wartezeit von mindestens vier Stunden vor. Glücklicherweise meinte ein anderer Wartender zu mir, um die Ecke sei eine Notfallambulanz für solche Bagatellen (was dann auch stimmte).
    Gerade das Gesundheitswesen ist ein schönes Beispiel für einen Bereich, in dem privatwirtschaftliche Strukturen eben nicht besser sind: Wenn ich ein Notfall bin und medizinische Versorgung brauche, dann habe ich eben nicht die Gelegenheit, in aller Ruhe Angebote zu vergleichen und mich dann für den günstigsten und besten Service zu entscheiden.
    Anyway, die Privatisierungsjünger werden uns demnächst wohl erzählen, wir sollten uns nicht beklagen und lieber mal nach Großbritannien schauen, da sei doch alles noch viel schlimmer — was ich auch bestätigen kann. Dort warten Schwerverletzte schon mal sechs bis acht Stunden auf dem Gang. Aber privatwirtschaftlich ist alles bekanntlich soo viel effizienter... *kotz*

  5. Ich hatte auch einmal eine ziemlich blutende Schnittverletzung und bin damit in unser Krankenhaus. Das wichtigste war denen der Kostenträger und erst als ich damit drohte, ihren ganzen Empfangsraum mit Blut vollzusauen, bequemte man sich, mich in ein Behandlungszimmer zu lassen.

    Das Problem in den Krankenhäusern ist zum einen die Arbeitsüberlastung, bzw. die Arbeitsverdichtung, und dann die überbordende Bürokratie. Wir lassen den kalten Bürokraten einfach zu viel Raum.

  6. »Wir lassen den kalten Bürokraten einfach zu viel Raum.«

    Ja. Kalte Bürokraten. Mir ist von der Rentenkasse gestern eine psyho-somatische Kur verweigert worden, mit der Begründung, bei einer psychischen Erkarankung sei »eine regelmäßige ambulante nervenärztliche Mitbehandlung« erforderlich. Nun, die Wartezeiten für solch eine »Mitbehandlung« betragen hier bis zu einem Jahr und der Kranke muss sich selber drum kümmern. Feines Gesundheitssystem :-(

  7. @Frau Lehmann

    Die Begründung ist doch an den Haaren herbeigezogen.
    Die Bürokraten beherrschen inzwischen total unser Gesundheitssystem. — Der Verwaltungsleiter einer Klinik hat doch mehr zu sagen als der ärztl. Leiter. Vor diesem neoliberalen Wahn war das nicht der Fall. — Das tragischste an der ganzen Entwicklung ist, daß ökonomische Grundsätze höher bewertet werden als medizinische Notwendigkeiten. Das Gesundheitswesen ist verkommen zu einem Wirtschaftsbetrieb. — Es ist der totale Irrsinn im Gesundheitswesen Profit anzustreben — genau das passiert aber tagtäglich. Gesundheits- und Bildungswesen sind ein öffentliches Gut — jede Privatisierung auf auf diesen Sektoren hat verheerende Wirkungen — nicht nur auf die Gesellschaft.

  8. &Frank

    Vielen Dank für den Link !

    Bernd Hontschik ist auch Herausgeber von medizinHuman — es sind ausgezeichnete, kritische Bücher über das Gesundheitswesen !

  9. @Frank

    Wirklich guter, mitunter erschreckender Artikel!

    »Das Gesundheitswesen war ein wichtiger Teil des Sozialsystems. Nun wird das Gesundheitswesen zu einem Wirtschaftszweig. [...] Im Juli 2004 wurde von einer ähnlichen Expertengruppe die Leitlinie zum Cholesterinspiegel revidiert. Danach waren mit einem Schlag 8 Millionen US-Bürger zu Patienten geworden.«

    Wenn es nicht genug Patienten gibt, schafft man sich einfach welche. Es lebe die freie Marktwirtschaft!

  10. Eine Pauschale fürs Sterben — Darf Palliativmedizin rentabel sein?

    http://www.br.de/fernsehen/bayerisches-fernsehen/sendungen/kontrovers/130123-kontrovers-palliativmedizin-102.html

    »Es entsteht damit ein Druck hin zum Fallpauschalen-verträglichen Frühableben.«

    England ist Vorreiter bei der Entsorgung von Altlasten
    http://oraclesyndicate.twoday.net/stories/weg-mit-dem-ballast-oder-lasst-schneller-sterben-und-ihr-werdet-belohn/

    Sogar mit Verrecken-lassen kann man Gutes Geld verdienen in der Gesundheitsindustrie.

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