Zwei Freunde sitzen sich gegenüber. Sie schauen sich nicht an und reden nicht miteinander. Ihre Finger und Augen bewegen sich zuckend über ein kleines elektronisches Gerät. Eines zeigt spielende Katzenbabys. Ein kurzes Lächeln.
Zwei Freunde sitzen sich gegenüber. Sie schauen sich nicht an und reden nicht miteinander. Ihre Finger und Augen bewegen sich zuckend über ein kleines elektronisches Gerät. Eines zeigt spielende Katzenbabys. Ein kurzes Lächeln.
Die Empathie und das moderne Mattheusprinzip. Es ist die Verkehrung der Empathie. Dabei wird Empathie häufig gar noch missverstanden und das Wort selbst verleitet ja auch dazu. Es klingt etwas pathetisches an. Im Alltagsgebrauch bezieht sich dies dann ja auch auf die Gefühle: er ist so empathisch, weil er versteht, warum dieser in jener Situation so gehandelt hat oder weil er versteht, wie es ihr in ihrer Situation gerade geht. Dabei könnte man gleich sehen, dass es ein höchst kognitiver Akt ist, Empathie zu vollziehen. Gemäß einer bestimmten phänopraktischen Philosophie ist die Situation eines jeden bis ins kleinste Detail verständlich. Man muss nur verstehen wollen. Leider leiden Verstehensbemühungen oft an verengenden mentalen Barrieren, die mit der Länge des Vollzuges des Verstehenwollens Zug um Zug die Verzerrung steigen lassen (manche Verstehensbemühungen scheitern zweifellos schon daran, dass sie nicht in die Länge gehen können), sodass am Ende sich der Eine vom anderen missverstanden fühlt. Der Konnotationsraum der Worte ist leider nie eindeutig und die Vorerfahrungen meistens verschieden, sodass Unterschiedliches auf unterschiedliche Ohren trifft und die Unterschiedlichkeit sich am Ende so vergrößert.
Ein besonderer Verstehensmodus ist das Mattheusprinzip. Es kann im Prinzip zwar verstehenskompetent sein, obwohl es dies bei weitem nicht immer ist, vermutlich sogar in der Seltenheit der Fälle, aber jedenfalls führt es dann an entscheidender Stelle einen brachialen Schnitzer ein: in der Reaktion. Es wird verstanden, dass einer sich in einer Situation befindet, in der er leidet und in der er einen Aufstieg auf ein zufreidenstallendes (ihn und die anderen) Niveau nicht schaffen kann oder dies zumindest sehr fragwürdig ist. Eine empathische Reaktion hätte verstanden, was zu tun wäre. Jedenfalls aber, dass etwas getan werden sollte. Eine durch das Mattheusprinzip fundierte Reaktion kommt aber zu dem Schluss, dass noch genommen werden müsse. Hingegen sähe sie bei jemandem, der im Glücke sich wälzt, Bedarf, noch etwas Glück zu geben. In der Regel, siedelt sich der Vollzug des Mattheusprinzips dort an, wo es um Ergebnisses voran gegangenen Handelns geht. Du hast dies Ergebnis hier und du jenes? Gut, deines entspricht den Anforderungen und du wirst promoviert, du hingegen hast ein Ergebnis abgeliefert, das nicht entspricht. Somit wirst du entlassen, dir werden die Ressourcen entzogen, dir wird mehr Druck gemacht, du bekommst andere Aufgaben, mit dir wird die Zusammenarbeit beendet, du bleibst sitzen, dir wird dies oder jenes gestrichen usw.
Empathie ist hier in ihrer vollständigen Abwesenheit zu beobachten. Die im Akt des Verstehenwollens, kurz durch Empathie zugängliche Genese des Ergebnisses wird nicht erwogen. Die Konsequenz des Prozesses wird aus dem vorherigen Handlungsprozess gerissen und nach der Art des Mattheusprinzips verstärkt. Im Grunde ist eine die Empathie hier zur Perversion geraten. Dem präzisen Auge wird nicht entgehen, dass das Niveau der Gesamtsituation sich dadurch absenkt. Wodurch bestimmt sich das Niveau? Letztlich und fundamental kann es das nur durch Freiheit. Das Freiheitsnivau senkt sich ab: jene, die nicht haben, haben immer weniger und jene, die haben, haben zu viel davon, sodass ihre Freiheit inflationär wird und zu orientierungslosen Exaltationen führt. Unter dem Strich wird weniger Freiheit gelebt. Die Logiken dieser Transmission von Einzel- auf Gesamtsituationen mag rätselhaft erscheinen Aber dieses Phänomen läßt sich sehr gut an den letzten 15 Jahren Neoliberalismus sehen, welcher das christliche Matthäusprinzip in allen möglichen Bereichen angeraten hat: gebet dem, der hat! Von zumindest einigen gesellschaftlichen Pfaden für ein gutes Leben, die bei Gott nicht vollständig gewesen sein mögen, sind wir binnen 15 Jahren in eine Situation gekommen, in der all dies zermetzelt wurde und in ein mit Hochglanzpapier bekleistertes Chaos aufgelöst wurde, bei dem Armut und Leid zur Erscheinung gekommen sind und soziale Unruhen und Gewalt schon aus der Zukunft mit hereinwehen.
Die Katzenbabys, als huschte im kurzen Lächeln eine im Absterben befindliche empathische Reaktion als eine der letzten Zuckungen über das Gesicht jener Seelen.
Das goldene Zeitalter der Kommunikation...
Warten wir ab, wenn die Dinger erst noch implantierbar sind. Oder, (temporär als Übergang), alle mit dieser Gockel-Brille rum laufen.
Wenn man nichts zu sagen hat, kann man auch einfach mal die Fresse halten oder sich das Internet anschauen.
@jtheripper
...oder man reagiert empathisch auf seine Umwelt, statt sich in einer Parallelwelt von eben dieser abzuschotten ;-)
... oder die Umwelt bietet keine angenehmen Reize und man holt sich diese bei Katzenbabys/Internet/Parallelwelt. :p