Durch die Machtübernahme der Partei wurde sie 1933 aus einer Gruppen- zu einer Volkssprache, d.h., sie bemächtigte sich aller öffentlichen und privaten Lebensgebiete: der Politik, der Rechtsprechung, der Wirtschaft, der Kunst, der Wissenschaft, der Schule, des Sportes, der Familie, der Kindergärten und der Kinderstuben [...] es war immer, gedruckt und gesprochen, bei Gebildeten und Ungebildeten, dasselbe Klischee und dieselbe Tonart.
- Victor Klemperer. LTI. Reclam. Stuttgart 2007. S. 31
Anmerkung: Begriffe wurden mit der eigenen Weltanschauung besetzt, Schlagwörter neu definiert oder erschaffen, Wörter, die vormals positiv konnotiert waren, haben nun eine negative Bedeutung und umgekehrt. Euphemismen wurden konstruiert, um unbequeme Entscheidungen und Tatsachen zu verschönern oder zu verzerren. Ohne den Nationalsozialismus mit dem heutigen Neoliberalismus vergleichen zu wollen, so haben sich die Methoden der Machthaber, die Sprache mit der eigenen Ideologie zu besetzen, um so das Denken der Menschen zu beeinflussen, wenig geändert. Wir haben zwar keine Herrschaftspartei, die alles steuert, dafür aber ein Wirtschaftskonglomerat von Banken und Konzernen. Oder wie seht Ihr das?
Der Beginn des modernen Begriffebesetzens im Rahmen des neoliberalen Turnover ab Beginn der 1980er ist untrennbar mit der Person des damaligen CDU-Generalsekretärs Geißler verbunden. Der meinte, es gehe in der Politik nicht darum, die richtigen Argumente zu haben, sondern zentrale Begriffe zu besetzen:
http://www.spiegel.de/spiegel/print/d‑14017903.html
Ich sehe es gleich.
Im Übrigen las ich irgendwo im Netz einmal, dass es bereits eine Art antineoliberales »LTI« geben soll.
Wo weiß ich nicht mehr — Ist schon einige Zeit her, dass ich es las.
Übrigens, bezogen auf das echte »LTI« ergänze ich noch auf den Hinweis auf das Taschenbuch »Vokabular des Nationalsozialismus« von Cornelia Schmitz-Berning hin.
Die Autorin meint darin, dass auch »harmlose Wörter« ihren Ursprung in der NS-Ideologie haben — Wer weiß heute z.B. noch, dass das Wort »Betreuung« ebenso wie »asozial« Nazi-Worterfindungen sind?
Seit 1945 sind Jahre vergangen, und auch danach waren ja einstige Nazis an wichtigen Positionen in Westdeutschland, wie man u.a. hier »Hitlers Eliten nach 1945« Autor Norbert Frei — als einem Beispiel von vielen — nachlesen kann.
Eigentlich müßte man die komplette dt. Sprache entnazifizieren.
Ich weiß, und träum schon weiter ;-) :-(
Gruß
Bernie
Seit ca. zwei Jahren befasse ich mich mit der Sprache des Nationalsozialismus. Das hat private und persönliche Gründe, die hier nicht hingehören.
Deinen Gedanken, epikur, in der Anmerkung kann ich voll und ganz zustimmen.
Ein gut recherchiertes, sorgfältiges und umfangreiches Werk von Gerhard Bauer, Sprache und Sprachlosigkeit im Dritten Reich, möchte ich allen interessierten Lesern empfehlen.
Hierzu ein Zitat auf S.36
»Hinter der Trommel her
Trotten die Kälber
Das Fell für die Trommel
Liefern sie selber .«
zitiert aus, Lotte Branz in:»Halts Maul, sonst kommst nach Dachau!«
P.S. »SPRACHE IST MEHR ALS BLUT«
Franz Rosenzweig
Victor Klemperer.LTI.Reclam jun. Leipzig 1975. S.6
natürlich wissen und machen das die herrschenden wirtschaftsfaschisten genauso. darum ja auch ihr ständiger griff nach der »bildung«. und obs da der kinderhort oder bild und rtl sind, nur da kann man begriffe entsprechend besetzen und die denke von millionen entsprechend beeinflussen.
@Bernie
antineoliberales »LTI«
An so etwas schreibe/arbeite ich schon seit längerem.
»Ohne den Nationalsozialismus mit dem heutigen Neoliberalismus vergleichen zu wollen,...« Beide sind nicht nur miteinander vergleichbar, sondern, was die Hinterhältigkeit der Propaganda betrifft, sogar gleichzusetzen! »...so haben sich die Methoden der Machthaber, die Sprache mit der eigenen Ideologie zu besetzen, um so das Denken der Menschen zu beeinflussen, wenig geändert. Wir haben zwar keine Herrschaftspartei...« Aber ein Monopol des Kapitalismus! »...die alles steuert, dafür aber ein Wirtschaftskonglomerat von Banken und Konzernen.«