»Sie verstehen, qualifiziert, das heißt im rechten Moment, freiwillig zu schweigen. […] Sobald Sie etwas zu sagen haben, geht es nur noch darum, möglichst raffiniert zu verschweigen, was Sie zu sagen hätten, wenn Sie wirklich etwas zu sagen hätten.«
-Michail Krausnick, »Die Sache Mensch«, Rowohlt Verlag, Hamburg 1985. S 7
Anmerkung: Wer Karriere machen will, muss lernen, anständig zu schweigen. Zu sagen, was man denkt und fühlt, das kann doch jeder! Betriebs‑, Geschäfts- und Betrugsgeheimnisse wahren, das Unternehmen durch ein Engagement im Betriebsrat oder der Gewerkschaft nicht in Verlegenheit bringen, und den Chef nicht mit der Wahrheit konfrontieren — das macht einen qualifizierten Mitarbeiter aus.
„Die Sprache ist dem Menschen gegeben, um seine Gedanken zu verbergen.“
Charles-Maurice de Talleyrand-Perigord
Das gilt nicht mehr nur in der Politik. Verbergen und damit Maskierung ist gezielte Manipulation, immer zum eigenen Vorteil.
Hinter vorgehaltener Hand sagt man z.B. auch, wer sich verbeamten lässt, »kauft« den Maulkorb gleich mit. So »wäscht« eine Hand die andere oder besser: so äußert sich »Dankbarkeit«.
Man ersetze im Titel Volk durch Untertanen, dann passt’s.
Gerade eben durchreiste ich in der Straßenbahn Gedankenwelten des Karrierismus, die Modulierung des Lebens zu einem herzeigbaren curriculum vitae, einer langen Liste des Emporarbeitens, der Qualifizierung, des Lernens und der Übung. Blickt man von hinten her, erfährt man sich wie ein Lebensinhaltepflug, der in eine Fülle eine Bresche schiebt, ganze Lebensabschnitte der Nichtigkeit anheim befördert, ganze Lebensqualitätsbereiche verschweigt und dumpf dahinströmen lässt. Dagegen das Hinbiegen zu ausgewählten Spitzen der Konformität, das Hinpressen des Lebensfeldes zu marktschreierischen Entitäten: ein Zeugnis dort, einen Stempel da, eine Erfahrung hier und einen Aufstieg ganz vorn. Der CEO ward noch nicht geboren, aber in der Metrik der Geschwindigkeit ward das Leben vollzogen. Jüngster Abteilungsleiter, schnellster Absolvent, erster Leister, flottester Bewältiger, flinkester Überleger, Jungunternehmer, mit 24 schon den Phd, mit 41 CEO, mit 38 ausgebildeter abcdef, Leiter von XY. Die jeweilige Remodulierung des Lebensstils. Heute untertänigst gehorsam, morgen der erste Mut Führung zu vollziehen, der erste Antritt zur unternehmerischen Einkapselung der Handlungsstrebung und das Bestehen gegenüber anderen, die Dinge so zu machen, wie man sie sich vorstellt und nicht anders. Gestern Anweisungsempfänger, gestern, ja das mach ich so, heute, jetzt machen sie das so. Erste Auseinandersetzung mit der Unsicherheit in der Führung der Abteilung oder eines Kranzes an Untergeordneten. Erste Besuche als Führungssubjekt in den Etagen darüber. Der Geruch der legitimen Menschenverwaltung stimuliert die Viszerale. Festes Stemmen: ich will es so und es wird so gemacht. Erlernen der Kompetenzen. Nichts Versprechen, immer Optionen offen halten, keine Aufmüpfigkeit dulden, zeigen, wer der Chef ist, darauf achten, was man wissen muss und nicht, was die anderen wissen wollen, abernicht wissen sollen. Die Aufmerksamkeit richtet sich auf Bildungsangebote wie: Führen will gelernt sein. Erhabenheitsgefühle. Souveränitätsgefühle in der sozialen Nahwelt, bei der Weihnachtsfeier der Schwiegereltern und ihres spießigen Sohnes, welcher vor Neid ergelbt. Ich hab es geschafft, die herrschende Norm entlastet mich, ich vollziehe die Ordnung nun zu meinen Gunsten, sie vollzieht mich zu unserer beiden Gunsten. Ich genieße es. Ich liebe diese Ordnung. Ich bin Leiterin von abc123. Ich leite 23 Angestellte. Ich leite das Geschäftsfeld abc123.
Dieser da ist schon fertig und er ist schon dies und jenes. Er war schon hier und dort. Er tat schon dies und das. Er spricht diese und jene Sprachen. Fließend. Wozu? Damit er Karriere machen konnte. Er hatte immer schon einen Riecher. Er meldete sich nach Feierabend beim Vorgesetzten. Freiwillig. Und berichtete von den Problemen und den Vorgängen und davon, was und vor allem wen er als hinderlich ansah. Er neutralisierte alles, er wolle bloß Feedback geben, sein subjektives bloß, damit das Unternehmen besser werde. Er habe dies auch so gelernt und habe es immer als Notwendigkeit betrachtet.
Seine Kollegen machten sich auf den Heimweg, waren froh, raus zu kommen. Endlich raus. Ihnen klopfte der Vorgesetzte nicht auf die Schulter, bei ihnen bedankte er sich nicht, sie kannte er auch gar nicht und wenn, dann wegen eines Fehlers, der ihnen passieren konnte wie jenem auch. Ach sie waren das! und die Kollegen wunderten sich, dass der Vorgesetzte ihren Kollegen irgendwie kannte. Kein Wort. Schweigen. Kennst du den? Nein, nein, mal im Gang getroffen, beim Einladen geholfen. Aha. Na ja. Hingegen jene kam zum Vorgesetzten, weil sie Mut hatte, ein Anliegen aller Kollegen diesem Vorzutragen. Das kommt gar nicht in Frage! Schminken sie sich das ab. Leichter Ärger. Die Reflexionsferne höherer Etagen erlaubte es nicht, jene als Überbringerin der Botschaft in Erinnerung zu halten. Stattdessen wurde sie als aufmüpfige Einzelkämpferin abgespeichert. Und später kündigte sie, weil ihr alle Entwicklung im Unternehmen verhindert wurde. Oder dort: Ihnen wird der Aufstieg nicht gewährt. Sie haben sich in eine falsche Richtung entwickelt, zu mitarbeiterfreundlich, wir aber brauchen unternehmensorientierte Kräfte. Es tut uns natürlich leid, aber sie wurden nicht gewählt. Stattdessen jene, die im richtigen Augenblick fremde Arbeit für die eigene ausgegeben hat. Übrigens, wurde dies schon erledigt? Jemand bei ihnen wurde doch beauftragt oder? Ja, ganz recht, aes war nicht ganz klar bei uns, aber ich hab das dann gemacht, ergab die Metamorphose der Erinnerung an eine Aussage eines Kollegen, der gestresst berichtete, diese leidige Sache unter Aufschub anderer Aufgaben endlich erledigt zu haben. Sehr gut, auf sie ist Verlass. Solche Leute brauchen wir.
Nichts Versprechen, immer Optionen offen halten, keine Aufmüpfigkeit dulden, zeigen, wer der Chef ist, darauf achten, was man wissen muss und nicht, was die anderen wissen wollen, aber nicht wissen sollen.
Der Satz von flavo bringt es sehr gut auf den Punkt. Das ist Unternehmensführung heute.
»[...]Wer Karriere machen will, muss lernen, anständig zu schweigen[...]«
Der Satz könnte doch glatt vom Roman »Der Untertan« von Heinrich Mann stammen ;-)
Es wird zwar immer wieder bzgl. .de geleugnet, aber es ist es wohl doch wahr:
Es gibt wieder eine typisch deutsche Mentalität.....die des nach oben katzbuckelns, und nach unten tretens — des Militarismus, des National- und Wohlstandschauvinismus.
Übrigens, hieß es nicht schon einmal »Klappe halten, das Denken übernehmen wir.....«? Sind wir wieder soweit wie einst bei Hitler/Honecker? »Ein einig Volk« von Untertanen?
Gar nicht amüsierte Grüße
Bernie
Schweigen ist Volk
Schweigen sehe ich langsam als Landestugend
obwohl dies in diesem sich vollziehenden Umfang und deren Realität,
keine Tugend mehr sein kann.
Flächendeckend zu schweigen
schreit schon allerorts zum Himmel,
weil dieses Schweigen schon schreit!
Egal wo,
es begegnet mir oft,
dieses schweigen.
Nach einem Vortrag zum Beispiel,
von ihm am Ende abstrakt zugetextet.
Die Schweiger alle in den Stuhlreihen,
dann um Schluss,
die oft übliche Einladung zu einer Diskussion.
Doch was kommt,
es ist wieder schweigen.
Es gibt viele Gründe zu schweigen,
man ist es gewohnt,
man ist nicht geübt zu reden,
sondern mehr im zuhören...
auch wenn es in einem oft danach rumort,
es folgt ein flächendeckendes schweigen,
viel zu oft,
in so vielen Etagen von Bereichen,
mangels von Fakten,
mangels an Übung,
mangels an Mut,
mangels an Worten,
mangels von an der Reihe,
mangels an Einblick,
mangels von normal ..... für einen Dialog!