In der November-Ausgabe der Blätter für deutsche und internationale Politik (Blätter) befürwortet der Wirtschaftswissenschaftler Andreas Polk den Einfluss des Lobbyismus auf die deutsche Politik. Er betont:
»Abgeordnete sind qua Amt Vertreter der Bürgerinnen und Bürger und ihrer Interessen — auch der wirtschaftlichen Interessen.«
- Andreas Polk, »Lob des Lobbyismus«, Blätter-Ausgabe November 2012, S. 36
In Zeiten der vollkommenen Ökonomisierung sämtlicher Lebensbereiche (Kultur, Bildung, Sport, Soziales, Familie und vieles mehr) und der über 500 Milliarden Euro Bankengeschenke, von einem »auch« statt von »vor allem der wirtschaftlichen Interessen« zu sprechen, halte ich nicht nur für fahrlässig, sondern für fast schon euphemistisch.
Laut dem Universal-Lexikon bezeichnet Lobbyismus ein System der Einflussnahme auf die Politik. Überall dort, wo Politik entschieden wird, ist er anzutreffen. In Ministerien, Hinterzimmern, Parteien, Gremien, Expertenrunden, aber auch bei der Beeinflussung der öffentlichen Meinung. Direkte Anlaufstellen seien Parlamentsabgeordnete, Regierungsmitglieder, Verwaltungsbeamte und Richter. Die Mittel der Beeinflussung seien vielschichtiger Natur: sie reichen von direkten Geldzuwendungen (z.B. einer Parteispende), politischen Druck, Gefälligkeiten, Informationen, bis zur Entsendung von Interessensvertretern in Gremien der politischen Willensbildung. Ausgeübt wird die Einflussnahme durch Denkfabriken (sog. »think tanks«) PR-Agenturen, Kommunikationsberatern, Verbänden, Stiftungen, sog. »Mietmäulern« und Unternehmen.
Einnahmen müssen sich wieder lohnen
Polk betont zwar, dass es dem Lobbyismus in Deutschland an Transparenz mangelt und man deshalb nicht genug Informationen über die tatsächliche Wirkung von Lobbygruppen auf die Politik habe, erwähnt zwei Absätze später jedoch, dass »drei Viertel aller Abgeordneten keine Nebeneinkünfte« erzielen würden. Ob das so stimmt, darf bezweifelt werden, denn nicht alle Politiker werden ihre Nebeneinkünfte auf bundestag.de veröffentlicht haben. Lobbycontrol.de hat in der Vergangenheit schon häufiger über den mangelhaften Umgang mit der Nachweispflicht aufmerksam gemacht. Nach der derzeitigen Stufen-Regelung, müssen Politiker jede Geldzuwendung die unter 1000 Euro pro Monat beträgt, nicht öffentlich machen. Die (mehrmalige) Abrechnung von 999 Euro-Bezügen wird so besonders attraktiv.
Und selbst wenn tatsächlich die Mehrheit der Abgeordneten keine Nebeneinkünfte beziehen, so ist dies aus zwei weiteren Gründen kein Entschärfungsargument für die Beeinflussung der Politik durch finanziell starke Akteure. Zum Einen, gibt es eine Vielzahl an Methoden, damit wichtige Entscheider im Sinne der eigenen Interessen handeln. Bezahlte Vortragshonorare und Nebenjobs sind hier nur ein Werkzeug. Gefälligkeiten und lukrative Jobs, nach Auslaufen der Legislaturperiode, sind eine weitere Methode. Lobbypedia.de hat die öffentlich bekannt gewordenen sog. »Seitenwechsler« seit dem Jahre 2005 folgendermaßen zusammengefasst:
»Wie durch eine Drehtür wechseln immer wieder Spitzenpolitiker in die Lobbyabteilungen von Unternehmen oder Verbänden. Dadurch kaufen sich die Interessengruppen einen direkten Draht zur Politik ein. So werden durch den Drehtür-Effekt gesellschaftliche Machtverhältnisse erhalten und verstärkt.«
- lobbypedia.de
Zum anderen, so muss man ehrlich festhalten, wird eh nur versucht werden, die relevanten Entscheidungsträger zu gewinnen. Mitglieder des Bundestages, die auf den hinteren Bänken sitzen, in kaum einem wichtigen wirtschaftlich relevanten Gremium sitzen oder eine geringe Gestaltungskraft haben, werden sicherlich weniger unter dem Einfluss von PR-Soldaten stehen, als Minister und Regierungsmitglieder. Insofern sollte es kaum verwundern, wenn die Mehrzahl der Abgeordneten keine Nebentätigkeiten ausüben. Gleichzeitig sitzen jedoch schon etliche Lobbyisten in den Ministerien, in Experten-Runden und exklusiven Kreisen der Regierung, die eben nicht nur beratend tätig sind, sondern gleich an wichtigen Gesetzen mitarbeiten.
Ungleiche Machtverteilung
Der Ökonom hält fest, dass die Einflussnahme von Lobbygruppen ungleich sei und es einen Pluralismus an Interessenvertretungen faktisch nicht gebe. Soweit kann ich ihm zustimmen. Allerdings begründet er dies mit der, vom Politikwissenschaftler und Soziologen Mancur Olson, entwickelten Theorie des »Trittbrettfahrers«. Dem nach ziehen Menschen Nutzen aus dem kollektiven Handeln ohne einen eigenen Beitrag geleistet zu haben. Demzufolge bestehe auch kein Anreiz mehr, sich zu engagieren. In diesem Falle bedeute dies, sich eben nicht mehr politisch ein zu mischen, eine Interessensvereingung zu gründen oder sich in einer zu beteiligen. Wie so viele Theorien der rationalen Entscheidung, argumentiert Polk mit einem Menschenbild, nach welcher der Mensch vor allem aus einem Kosten-Nutzen Kalkül heraus handelt.
Die Vorstellung vom homo oeconomicus, der egoistisch sei und stets nutzenmaximierend handelt, wird häufig verwendet, um den ungerechten und sozialdarwinistischen Marktradikalismus zu rechtfertigen. In einer Kosten-Nutzen-Welt gebe es eben immer Gewinner und Verlierer, so der Tenor. Also auch beim Kampf um die politische Einflussnahme. Dass dieser Kampf, wie auch in der realexistierenden Marktwirtschaft, nicht gleichberechtigt abläuft, unterschlägt der Wirtschaftswissenschaftler. Wenn die Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft (INSM) ein Jahresbudget von rund zehn Millionen Euro für ihre Lobbyarbeit hat, intensive Kontakte zu Politik, Wirtschaft und den Massenmedien pflegt, dann können gemeinnützige Organisationen nicht mal ansatzweise dagegen ankommen. Ihre Einflussnahme wird niemals so groß sein, wie die von einem großen Industrieverband. Unabhängig davon, wie groß die Zahl der vermeintlichen »Trittbrettfahrer« nun ist.
»Die Überzahl der Lobbyisten, sog. Think-Tanks und der Public Relation-Agenturen bestimmt immer mehr die Themen und Inhalte der Medien.«
-Wolfgang Lieb. Nachdenkseiten vom 14. November 2012. Beitrag zur Insolvenz der »Frankfurter Rundschau«.
Ich kann mich noch an die Sprücheklopferei vom Westerwelle erinnern, — das Lobbyismus eine Form von Demokratie sei. Natürlich vergaß er zu erwähnen, dass nicht die Quantität der Lobbyisten entscheidet, sondern die Quantität dessen, was ihren Einfluss ermöglicht. Was man wohl mit Geld beschreiben kann.
»Die Vorstellung vom homo oeconomicus, der egoistisch sei und stets nutzenmaximierend handelt, wird häufig verwendet, um den ungerechten und sozialdarwinistischen Marktradikalismus zu rechtfertigen. «
Wie bei allen Ideologien werden Eigenschaften , die es beim Menschen AUCH gibt , zur Hauptmaxime erhoben.
Auch die Kneipen wissenschaft ist doch so Wahrhaftig.
Die Vermessung des Glücks.
http://www.spektrum.de/artikel/1168631
Alles kann/muss so bleiben wie es ist. Reiche werden reicher und die Arme ärmer.
DER Grund: Auch Arbeitslose ( Arme; Sklaven usw.) können( müssen) glücklich sein, denn bei Ökonomen zählt nur das Glück. HA HA
Es passt halt alles.